BABY-BRAINNur noch Baby im Kopf?

Schwangere sind süss und verträumt. Das glauben wir. Dass Schwangere am so genannten «Baby Brain» leiden, glauben wir dagegen nicht! Was hinter dem Mythos «Baby Brain» steckt und was wirklich in den Köpfen von Schwangeren passiert.

Haben Mütter ein Baby-Brain?

Über Schwangere gibt es viele Klischees. Von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt schwanken Ihre Stimmungen. Ihr Bewusstsein würde jeder Jurist als nicht zurechnungsfähig beschreiben und Ihre Autoschlüssel verlegen Sie gern mal im Gefrierschrank. Kurz: In der Schwangerschaft verformt sich ihr Gehirn zu einem «Baby Brain».

Nachdem sich der amerikanische Begriff im Volksmund längst scherzhaft als Schwangerschaftsdemenz verbreitet hat, behaupten nun Forscher der Melbourne Universität, dass es das «Baby Brain» tatsächlich gibt. In einem Gedächtnistest mit schwangeren und nichtschwangeren Frauen fanden die australischen Forscher heraus, dass Schwangere grössere Probleme damit haben, sich Dinge zu merken. Ihr Fazit: Bei schwangeren Frauen verschlechtert sich die Gedächtnisleistung des Gehirns.

Doch kann das wirklich sein? Wächst das Baby im Bauch der Schwangeren, während ihr Gehirn schrumpft? Die Antwort ist: Forscher sind auch nicht immer zurechnungsfähig. Die Melbourne Universität hat ihren Schluss jedenfalls zu schnell gezogen. Eine hinreichende Erklärung für ein vermeintliches «Baby Brain» bietet diese Gedächtnisstudie nämlich nicht.

Baby Brain – Nur ein Mythos?

Die Universität Canberra knöpfte sich das standhafte Gerücht um das «Baby Brain» ebenfalls vor und untersuchte mehr als 1200 Frauen. Die australischen Forscher verglichen die Gedächtnisleistungen der Frauen vor, während und nach der ersten Schwangerschaft. Das Ergebnis: Von Konzentrationsunterschieden keine Spur. Ist die verträumte Schwangere, die ein Buch in den Kühlschrank und die Milch ins Regal stellt, nur ein Mythos?

Dabei ist es ein Fakt: Schwangere sind während der Schwangerschaft manchmal ein wenig zerstreut. Forscher nennen für das Träumer-Phänomen zwei Gründe: Zum einen mangelt es Schwangeren häufig an Schlaf. Das schwächt die Konzentration des Gehirns - und gilt genauso für Nichtschwangere. Zum anderen achten Angehörige und Schwangere genauer darauf wie schusselig man ist. Schliesslich will jeder eine lustige Anekdote vom «Baby Brain» erzählen können. Dabei ist eine Schwangere genauso zerstreut wie jeder, der viele Dinge gleichzeitig um die Ohren hat und eine stark emotional geprägte Phase durchläuft.

Schlafen Sie sich aus!

Geburtsvorbereitungen, Baby-Einkäufe, ein Umzug oder das Einrichten des neuen Kinderzimmers: Der Stress während der Schwangerschaft kann dazu führen, dass Sie ab und zu Dinge vergessen. Legen Sie daher genügend Ruhepausen ein und schlafen sich aus. Wenn Sie mal zerstreut sind, tragen Sie ein kleines Notizbuch als Gedächtnisstütze bei sich.

Schwangere sind Meister im Multitasking

Ein von Hormonen zersetztes «Baby Brain» gibt es bei Schwangeren also nicht. Psychologen der Chapman Universität in Kalifornien sind der Meinung, dass die Veränderungen im Körper nur ein wenig zur Gedankenabwesenheit einer Schwangeren beitragen können. Hormonelle Schwankungen oder kleine Bewegungen des Babys im Bauch können die Mutter ablenken.

Der Tanz der Hormone ist aber keinesfalls ein Nachteil für die Schwangere. Den US-Psychologen zufolge entwickelt die werdende Mutter dadurch eine stärkere Sozialkompetenz. Ist das Baby auf der Welt, soll die Mutter sogar ihre kognitiven Fähigkeiten noch weiter steigern. Die veränderten Hormone im Zusammenspiel mit dem neuen Tagesablauf bewirkten kleine Wahrnehmungswunder. Nach der Geburt ist die Multitasking-Fähigkeit der Mutter höher denn je: Windeln wechseln, Spielzeug aufsammeln, Essen zubereiten und dabei telefonieren. Mütter entwickeln kein lückenhaftes «Baby Brain» in der Schwangerschaft. Im Gegenteil, sie entwickeln ein hochgeladenes «Multi Brain».

Schwangerschaft macht schlau!

Schwangere können also aufatmen. Das «Baby Brain» ist ein Mythos. Das Gehirn einer Schwangeren wird nicht zum Schweizer Käse. Dass werdende Mütter manchmal zerstreut sind, ist eine normale Begleiterscheinung von Schlafmangel und Vielbeschäftigung. Das heisst allerdings nicht, dass das Gehirn von den Hormonen unberührt bleibt. Neurobiologische Untersuchungen zeigen, dass durch den Tanz der Hormone einige Umbauten im Gehirn stattfinden. Diese verschlechtern jedoch nicht das Gedächtnis, sondern erweitern den Verstand! Die pulitzerpreisgekrönte Journalistin Katherine Ellison hat diesem Phänomen sogar ein ganzes Buch gewidmet. In ihrem Buch «Mutter sein macht schlau» erzählt Ellison mit unschlagbar trockenem Humor über die veränderten kognitiven Fähigkeiten von Müttern.

Mütter hätten durch die veränderten Gehirnstrukturen geschärfte Sinne, ein besseres Zeitmanagement und sie sind insgesamt stressresistenter, motivierter und sozialer. Und das Beste an diesem Hirn-Update sei: es hält ein Leben lang! Zudem sorgt die neue Gehirnstruktur dafür, dass sich Mütter liebevoll an ihre Kinder binden. Die Wissenschaft ist diesem Phänomen derzeit besonders auf der Spur. Erkenntnisse in diesem Bereich könnten Frauen helfen, die nach der Geburt keine Bindung zu ihrem Kind spüren und eine postpartale Depression entwickeln.

Bild: Stockbyte

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