Schwarz, weiss, Coco ChanelPorträt einer Stilikone

Chanel ist mehr als Mode. Es ist ein Statement. Und zwar das einer Mademoiselle, die Vorreiterin für viele Frauen dieser Welt war. Coco Chanel hüllte die Damenwelt in bis heute angesagte Klassiker und entkleidete sie gleichzeitig von zu eng gewordenen, gesellschaftlichen Korsetten.

Skizze von Coco Chanel.

Was zählt ist nicht Karat, sondern die Illusion. Weil dieser vielzitierte Satz von einer der einflussreichsten Personen des 20. Jahrhunderts stammt, muss er wohl stimmen. Denn wenn sich eine mit Luxus und Illusion auskannte, dann ja wohl Coco Chanel. Aber eine Frau von Cocos Karat braucht sich mit Fakes und Vortäuschungen eigentlich nicht zu befassen. Oder vielleicht doch?

Madmoiselle Coco: Die Illusion einer Ikone

Eine Illusion ist ein Zustand oder eine Erscheinung, von der man glaubt, sie sei real, obwohl sie tatsächlich auf einer Täuschung basiert. Eine solche Illusion existiert auch bezüglich der Herkunft von Coco Chanel. Denn wer glaubt Coco Chanel sei der eigentliche Name der Mode-Diva, irrt. Coco heisst eigentlich Gabrielle. Und nicht Chanel, sondern Chasnel. Zumindest schrieb das ein Standesbeamter, aufgrund eines Schreibfehlers in ihre Geburtsurkunde. Doch auch Chanel hätte sie damals nicht heissen dürfen, denn ihr Vater Albert Chanel, ein Strassenhändler, hatte Ihre Mutter Jeanne Devolle erst nach ihrer Geburt geheiratet. Und Coco? Diesen lieblichen Spitznamen bekam die junge Chanel vom Publikum des «Rotonde» in Moulins, wo sie als junge Dame allabendlich auf der Bühne stand und mit mittelmässigem Talent die ewigselben Chansons trällerte.

Einsame Kindheit, Phantasie und Durchhaltevermögen

Aus Gabrielle Devolle wurde Coco Chanel - und es scheint so, dass sie sich mit dem neuen Namen auch eine neue Identität schuf. Die Namensentfremdung war für die Mode-Legende eine willkommene Möglichkeit, auch ihre Herkunft in ein neues, sich ständig wechselndes, Gewand zu stecken. Bis heute kursieren - von Coco selbst - erfundene Geschichten über ihre Herkunft.

Tatsächlich wurde Coco Chanel im August 1883 als zweitältestes Kind von sechs Geschwistern im französischen Samur an der Loire geboren. Als sie zwölf Jahre alt war, starb ihre Mutter. Der Vater schaffte es nicht, die Familie weiter zu ernähren und die junge Coco kam in ein karges katholisches Waisenhaus. Von diesem Tag an hatte die späte erfolgreiche Geschäftsfrau ihren Vater nicht mehr gesehen. Das ist die Wahrheit. Aber eben nicht die von Coco Chanel. Sie gebrauchte ihre Illusions- und Willenskraft, um sich als junge Frau aus den Erinnerungen an ihre ärmliche und schwere Kindheit zu befreien. Und zu dem zu werden, was sie heute für viele ist: Eine Pionierin der Mode und der Frauen.

Die besten Zitate von Coco Chanel:

«Nicht jede Frau ist eine Venus, dennoch soll man nichts verstecken, denn was man zu verschleiern sucht, tritt nur umso deutlicher zutage.»

«Ein Mann kann anziehen, was er will - er bleibt doch nur ein Accessoire der Frau.»

«Die Schönheit brauchen wir Frauen, damit die Männer uns lieben, die Dummheit, damit wir die Männer lieben.»

«Eine Frau sollte sich jeden Tag so anziehen, als könnte sie ihrer grossen Liebe begegnen.»

«Ich bereue nichts im Leben - ausser dem, was ich nicht getan habe.»

«Weibliche Nacktheit muss man den Männern mit dem Teelöffel geben, nicht mit der Schöpffkelle.»

Von der Näherin aus der Provinz zur Pariser Modezarin

Coco Chanel erlernte im Waisenhaus den Beruf der Näherin und  arbeitete nebenbei als Sängerin «Coco» in einem Varieté bis sie den wohlhabenden Industriellensohn Étienne Balsan kennenlernte. Er war es, der sie in die feine Gesellschaft einführte und ihr den den Start in die berufliche Selbstständigkeit ermöglichte.

Stilikone Coco Chanel

Madmoiselle Gabrielle Dorziat trug einen der Hüte von Coco Chanel. Foto: Talbot, erstmals veröffentlicht in Les Modes No. 137

Mit zarten 27 Jahren eröffnete Chanel 1910 ihre erste Hut-Boutique «Chanel Modes» in Paris und sorgte für die erste Kleidungsrevolution. Denn bislang waren Hüte vor allem dazu bestimmt den Status der Trägerin anzuzeigen. Je mehr Federn und Firlefanz, desto höher die Stellung. Coco Chanel befreite die weiblichen Köpfe von dem in ihren Augen unnötigen Putz und verlieh ihnen schlichte Eleganz.

Zwar kam es recht bald zur Trennung von Étienne, doch die Boutique boomte, auch ohne dessen Unterstützung. So gut, um bald darauf weitere Boutiquen – nicht nur für Hüte, sondern auch für Damenbekleidung - eröffnen zu können. Für die Eröffnung ihres ersten Modehauses 1915 nahm die 32-jährige Coco erneut die finanzielle Sprungbrett eines Mannes, nämlich ihres neuen Geliebten Arthur «Boy» Capel, in Anspruch. Der Erfolg auch dieser Geschäfte stieg so rasant, dass die Unternehmerin ihre Kredite recht schnell und ohne Not an die einstigen Förderer und Wegbegleiter zurück zu zahlen konnte - und endlich auch finanziell auf eigenen Hosenbeinen stand.

Mode als Macht der Emanzipation

Fakt ist bis heute: Der Erfolg des Unternehmens Chanel ist keine Illusion, er ist wahrhaftig und gigantisch. Visionär war seinerzeit jedoch die Mode, mit welcher Coco ihr Geschäft an die Spitze der internationalen Modeszene brachte. Die Designerin entwarf Kleider, von denen bis dato niemand zu träumen wagte. Es waren schlichte elegante Kleider ohne Korsett und Fischbein, aus weichen, angenehmen Stoffen wie Jersey. Die Röcke schneiderte sie luftig und kürzer. Und überdies entwarf sie als eine der ersten Hosen für Frauen, die sie selbst gerne trug. Chanels Mode war mehr als Stoff, es war ein Stück Emanzipation. Coco wollte der Damenwelt mehr Bewegungsfreiheit schenken. Keine Frau sollte sich buchstäblich einschnüren lassen: eine Idee, die revolutionär war, aber auch schnell gesellschaftlichen Gefallen fand.

Foto: Marion Golsteijn via wikimedia (CC BY-SA 3.0)

Test: Kennen Sie die Modewelt?

Schnäppchen und Trends jagen ist nicht alles: Ein echtes Fashion-Victim sollte auch Details und Hintergründe der Modewelt kennen! Finden Sie heraus, ob Sie ein wandelndes Label-Lexikon oder doch eher ein Modemuffel sind. ...» Hier geht's zum Test.

Geld: Gut geblufft, ist halb gewonnen

So dauerte es nicht lange, dass Cocos Erfolg auch finanzielle Früchte trug. Geld und Luxus hatten bei Mademoiselle Chanel stets einen hohen Stellenwert. Allerdings ging es der Mode-Emanze nicht so sehr darum, Geld zu besitzen und es zu zeigen. Im Gegenteil: «Geld muss verschleudert werden», sagte sie. Geld war für Coco nämlich keine notwendige Zutat des Lebens. Es war nur ein Art Geschmacksverbesserer. Denn die Stilikone wusste: Für Geld bekommt man zwar die Illusion vom besseren Leben, aber nicht das bessere Leben selbst. Und wer diese Illusion auch ohne Protz und Prunk, sondern sogar mit wenig Karat oder Modeschmuck, für sich erschafft, macht aus Cocos Sicht alles richtig.

Chanel: Parfum No 5.

Illusion grosse Liebe

Geldprobleme waren der Unternehmerin dennoch fremd. Ihre Geschäfte boomten. Das einzige, was für Chanel stets visionär bleib, war die einzige grosse Liebe. Die hübsche Erfolgsfrau zählt zwar viele Liebhaber, aber fand nie den wirklichen Traumprinzen. Moderne Single-Frauen kennen und teilen dieses Leiden, für die damalige Damenwelt war eine unverheiratete (Geschäfts-)Frau jedoch Neuland. Chanels Herz schien nicht den Männern, sondern der Mode zu gehören. Sie machte ihre Vorstellung von der Welt zu etwas Tragbaren. Und zwar als kleines Schwarzes ohne Korsett, als elegantes Tweed-Kostüm oder mit dem legendären Chanel No 5, das bis heute erfolgreichste Parfum der Welt.

Die Illusion lebt weiter

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde es etwas ruhiger um Coco. Sie arbeitete zwar zeitlebens, konnte aber nicht an die alten Erfolge anknüpfen. Der bis dato unbekannte französische Designer Christian Dior lief Chanel damals den Rang ab. Coco soll noch 1954 über Diors Entwürfe gespottet haben: «Diese schweren, steifen Kleider, die nicht einmal in einen Koffer passen, lächerlich».

Weil Sie während der französischen Besatzung eine langjährige Liebschaft mit einem deutschen Diplomaten hatte, galt sie als Nazi-Kollaborateurin und flüchtete sich nach Kriegsende ins Schweizer Exil. Erst 2011 kam heraus, dass Coco Chanel zudem mit den Nationalsozialisten zusammen arbeitete, um grössere Anteile an ihrer Firma zurück zu erlangen, die sich inzwischen und noch heute in Besitz der jüdischen Familie Wertheimer befanden. Die Familie Wertheimer wurde damals zugunsten Coco Chanels zwangsenteignet.  

Erst Jahre nach dem Krieg gelang Coco Chanel wieder Erfolge in der Modewelt. Coco Chanel starb am 10. Januar 1971 in der Suite des Pariser Ritz-Hotels, als sie gerade an neuen Mode-Entwürfen arbeitete. Ein Erbe, das bis heute von Karl Lagerfeld weiter geführt wird.

Mehr dazu