Sound on!Wenn Klänge heilen: Das passiert beim Sound Healing

Sound Healing soll von innerer Anspannung befreien, ausgleichen und zutiefst entspannen. Hält der Wellnesstrend, was er verspricht? Redaktorin Jana ist eingetaucht.

Frau mit Klangschale

Nnach einem Klangbad fühle man sich wie nach einer langen Massage – ja, klingt verlockend, das dachte ich mir auch. «Sound Baths», beziehungsweise «Sound Healings», oder auch «Sound Meditations», sind wohlvernommene Stichworte des aktuellen Achtsamkeits- und «Modern Wellness»-Trends und werden von Yoga- sowie Meditationsstudios angeboten.

Gemeint ist eigentlich dasselbe, denn bei allen spielt sich folgendes ab: Man legt sich auf eine Yogamatte und wird mit den Tönen verschiedener Instrumente, wie etwa Klangschalen, Klanggabeln, Gongs, oder Trommeln bespielt. Die Klangtherapeuten leiten durch das Geschehen, bewegen sich strategisch durch den Raum, manchmal legen sie die Instrumente auf einzelne Körperpartien der Teilnehmer ab. Bäder können von 30 Minuten bis hin zu mehreren Stunden dauern. Wie ich mir das Ganze vorstellte? Wie einen Meditationsversuch, aber bequemer und ohne erdrückende Stille. Vielleicht würden mir die Melodien ja helfen, mich von meinen Gedanken zu lösen?

Nun denn: Um 9 Uhr abends komme ich tagesbedingt ziemlich gestresst und rastlos bei meinem Ziel an. Von den lärmenden Strassen des Zürcher Concrete Jungels trete ich in die ruhigen Wände eines kerzenbeleuchteten Sportstudios. Ich bin eine von acht Frauen – es wird ein Gruppen-Plantschen. Ausgestreckt auf der Matte liegend, in Decken eingemummelt, Augen bedeckt mit einem Tuch, denke ich mir: Passt. Das Setup soll die Sinne reduzieren und dabei helfen, zu entspannen und sich einzig auf das Hören zu konzentrieren.

Die Session beginnt mit einleitenden Worten der Klangheilerin Tilly De Paris von «We are W». Ich bekomme den Eindruck, dass es einen Moment dauert, bis man eingestimmt ist. Zuerst mal ankommen. Als dann die ersten Kristall-Klangschalen angespielt werden und sich ihre eingängigen Harmonien übereinanderschichten, bin ich plötzlich hellwach. Manche Töne sind sanft und leise, andere erstaunlich hell und laut. So laut, dass man sie spürt. Das Verschwimmen der Sounds erschafft eine einzigartige Atmosphäre. Jetzt das «Aha»: Der Name ist Programm. Ich nehme einen Schwumm im Ozean der Töne. Wellen von Frequenzen, sie tragen mich, sind wohltuend wie das Wasser eines blubbernden Whirlpools. Der Körper entspannt sich wie von selbst und ich lasse mich treiben…

Frau mit mehreren Klangschalen um sich herum verteilt

Tilly De Paris im Studio. Bildcredit: Diyala Kayiran

Musik hat entspannende und stressreduzierende Eigenschaften, das ist wissenschaftlich belegt. Vibrationen unterstützen Heilungsprozesse im Körper und Klangtherapien können Depressionen, Schlafstörungen, oder auch Angstzustände reduzieren. Was aber genau das Sound Healing bewirkt, wurde noch nicht umfassend erforscht – ob es tatsächlich heilt, ist ungeklärt. Der Methode wird dennoch nachgesagt, dass sie das Wohlbefinden deutlich steigert. Mit ihrer Hilfe erleichtere sich der Zugang zu meditativen Bewusstseinszuständen. Die Klanglandschaften bieten dazu einen geeigneten Fokussierungspunkt. Wer gebannt zuhört, so die Theorie, stillt seine Gedanken.

Die verschiedenen Frequenzen der Instrumente könnten ausserdem Körper und Geist in Einklang bringen. Mit dem körpereigenen Wasser, so heisst es, bewegen sich die Schwingungen durch den Körper und stimulieren auch die Gehirnwellen. Anstelle der üblichen Beta-Wellen, welche das Bewusstsein in Alarmbereitschaft halten, werden meditative und entspannende Alpha-, Delta-, oder Theta-Wellen induziert. Gerade diese sollen letztlich heilende Prozesse begünstigen und ein vitalisiertes, ausgeglichenes Gefühl hinterlassen.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Unterdessen füllen die Klangfarben bei mir in der Session weiterhin ununterbrochen den Raum. Jegliches Zeitgefühl ist schon längst flöten gegangen und ich bin mir nicht sicher, ob ich vielleicht mal kurz weggedöst bin. Im Unterschied zu meinem Körper, der mehr und mehr entspannt, rast mein Herz die ganze Stunde durch und mein Kopf driftet hin und her zwischen aktivem Zuhören und nervtötendem Nachgrübeln. Als die Töne im Raum langsam verhallen und allumfängliche Ruhe einkehrt, fühle ich mich müde und erholt zugleich – irgendwie leicht. Ich glaube zu hören, dass jemand leise weint. Tilly holt uns mit ihrer Stimme aus dem mentalen Spa wieder zurück in die Alltagswelt. Auf dem Weg nach draussen bewegen wir uns alle ganz sachte, als könnten wir unsere gewonnene Ruhe durch eine einzige ruckartige Bewegung gleich wieder kaputt machen.

Mein etwas banales, aber ernstgemeintes Fazit: Es war schön. Und es war wichtig. Es waren wohlwollend investierte Minuten in mich und niemanden sonst. Für das vermeintlich tatenlose Rumliegen kommt kein schlechtes Gewissen auf. Das Bad in den Klängen kann wohl Vieles sein, verschieden ablaufen, in jedem etwas anderes in Bewegung bringen… Selbst wer die ganze Stunde durchschläft, kann laut Therapeutin Tilly von den Schwingungen profitieren. Trotzdem lohnt es sich, präsent zu bleiben. Negative Auswirkungen haben die Klangbäder keine, soviel dazu.

Ich gehe nach diesem Erlebnis zurück hinaus in die Stadt. Summende Motoren durchbrechen die nächtliche Tranquilität, aber nicht meine. Die reicht gerade tief. Irgendwie laufe ich auf einer anderen Frequenz, wo ich für ein paar Stunden unerschütterlich und angenehm beruhigt bleibe.

Die Kosten für Sound Baths in Gruppen können variieren, für eine Stunde zahlt man zwischen 30 bis 60 CHF. Häufig werden die Begriffe «Sound Bath», «Sound Healing» und «Sound Meditation» synonymisch verwendet, sie beschreiben ein sich im Ablauf ähnelndes Prozedere, welches nach Belieben und abhängig vom instrumentalen Schwerpunkt variabel umgesetzt wird. Meist werden die Rituale wöchentlich oder monatlich wiederholt.

Titelbild:  zvg Diyala Kayiran

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