Acceptance before loveBody Neutrality vs. Body Positivity

 Die Body Positivity Bewegung setzt mit dem Weg zur Selbstliebe ein starkes Zeichen gegen die von der Gesellschaft beeinflussten Kritik am Körper. Doch das kann Druck aufbauen. Aus dieser Problematik heraus entstand die Body Neutrality Bewegung. Wir erklären, was die beiden Begriffe bedeuten und weshalb die Funktionalität des Körpers wichtiger ist, als das Aussehen.

Warum Body Neutrality das bessere Konzept ist, als Body Positivity.

Body Neutrality: Das Wichtigste in Kürze

  • Body Neutrality fokussiert sich auf die Funktionen des Körpers, statt auf die Körperoptik. Etwa auf die Möglichkeit, zu laufen
  • Body Positivity lehrt dagegen, den Körper für seine Mängel zu lieben und kann durch diese Lehre Druck aufbauen
  • Vielen fällt es schwer, den eigenen Körper zu lieben, nachdem sie ihn jahrelang nicht gemocht haben
  • Den Körper so mit seinen vermeintlichen Makeln zu akzeptieren, ohne diese Unperfektheiten zu lieben zu müssen, ist Ziel der Body Neutrality

Viele von uns lernten durch Filme, Magazine und Instagram, den eigenen Körper zu vergleichen und möglichst zu optimieren. Dieses bessere Selbst konnte scheinbar nur durch Diäten, Make-up und Beauty-Treatments erreicht werden.

Body Neutrality bietet eine alternative Sicht auf den Körper, doch um diese Bewegung zu verstehen, muss man auch die Body Positivity Bewegung kennen.

Was ist Body Positivity?

Body Positivity: Entstehung und Definition

Das Konzept von Body Neutrality lenkt den Fokus auf unsere Bedürfnisse, weg von einem Ideal der Gesellschaft. Um zu verstehen, wie dieser neue Ansatz entstanden ist, müssen wir uns kurz der Body Positivity widmen und deren Vor- und Nachteile unter die Lupe nehmen.

Body Positivity baut auf den Grundpfeilern der Fat-Acceptance-Bewegung aus den 60er-Jahren auf. Von den politischen und gesellschaftkritischen Zielen der damaligen Bewegung sind heute nur noch ein paar Krümel vorhanden. Vielmehr steht im Zeitalter der sozialen Medien das Individuum im Fokus, die Selbstliebe und wie diese zur Befreiung von unrealistischen Anforderungen an unsere Körper beitragen kann.

Darin liegt eine Kraft, die nicht abzustreiten ist. Denn, wenn wir unsere Körper lieben, widersetzen wir uns damit einem Schönheitsideal, welches sich aus patriarchalen, eurozentristischen und kapitalistischen Ideen zusammensetzt. Sprich: Wir erheben uns gegen Ideen, die an erster Stelle nicht an unserem Wohl, sondern am Erhalten der bestehenden Machtverhältnisse interessiert sind.

Was ist an Body Positivity problematisch?

Body Positivity bringt einige Schwierigkeiten mit sich. Denn der Gedanke, den Körper als Feind zu sehen, ist tief in uns verwurzelt. Als ein «work-in-progress» – etwas, das ständig Verbesserung verlangt und trotz all der Diäten, Kuren und Trainingseinheiten niemals perfekt sein wird. Dass wir also ein Bündel negativer Gefühle gegenüber unseren Körpern in uns tragen, ist nur nachvollziehbar.

«It’s a lot of pressure to have to love something that society has thaught you to hate».

Wenn Body Positivity jetzt von uns fordert, unsere Dellen und Dehnungsstreifen, unsere von uns als fehlerhaft wahrgenommenen Körperteile plötzlich zu lieben, ist das eine Herausforderung. Jameela Jamil, Schauspielerin und Macherin des Podcasts iWeigh, formuliert es so: «Es baut ziemlich grossen Druck auf, etwas zu lieben, das wir von der Gesellschaft zu hassen gelernt haben». Aus dieser Problematik heraus entstand die Body Neutrality Bewegung.

Body Neutrality – ein Zwischenstep zur Body Positivity 

Bei dem Konzept der Body Neutrality handelt es sich um einen Zwischenschritt. Eine Verschnaufpause, bei der man den Körper erstmal akzeptieren darf, ohne ihn bezaubernd und wunderschön finden zu müssen. Eine Pause davon, unser Erscheinungsbild konstant zu bewerten. 

Denn die Gedanken gegenüber seinem Körper können sowohl toxisch positiv, als auch toxisch negativ sein. Glaubenssätze wie «Ich muss mich zu jedem Zeitpunkt schön finden» oder «Mein Aussehen verlangt ständige Verbesserung», können wir mit dem Konzept Body Neutrality über Bord werfen und durch neue ersetzen und eine «neutrale Sicht auf den eigenen Körper» anstreben.

Statt über die Optik unseres Körpers nachzudenken, leiten wir den Fokus auf das um, was der Körper leistet: Was fühlen, erkennen und erleben wir?

Wir denken dann nicht mehr darüber nach, wie gut unser Po in den Wanderhosen aussieht, sondern sind dankbar, dass unsere Beine uns Berg hinauftragen können. 

Wie setzt man Body Neutrality um? 

1. Akzeptanz statt Liebe

Anne Poirier, ehemalige College-Fitnessinstruktorin, beschreibt das Body Neutrality Konzept als einen Zwischenschritt. Ihre Workshops zu dieser Thematik führt sie seit 2015 durch, sie hat Body Neutrality damit grundlegend geprägt. Dabei ist für Anne Poirier besonders wichtig, dass man Nachsicht mit sich selbst hat.

Man muss noch nicht über den Hass auf den eigenen Körper hinweg sein, um Body Neutrality anwenden zu können. Die einzige Voraussetzung ist die Offenheit, sich langsam und in einem «drei Schritte vor und zwei zurück-Tempo» an die Akzeptanz des eigenen Körpers heranzutasten.

2. Den Fokus auf die Bedürfnisse setzen

Ziel ist es, sich nicht über das Erscheinungsbild den Kopf zu zerbrechen. Nicht über den Körper nachzudenken heisst jedoch keineswegs, sich nicht mehr um die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden zu kümmern. Im Gegenteil: der Fokus verschiebt sich schlicht vom Erscheinungsbild unseres Körpers auf seine eigentlichen Bedürfnisse.

So bleibt uns mehr Zeit, über andere wichtige Dinge nachzudenken. Jameela Jamil drückt es so aus: «Ich denke gerade Frauen können viel gewinnen, wenn sie weniger über den Körper und mehr über ihre Bankkonten, ihr Sozialleben und ihre Familie oder Bildung nachdenken.» Natürlich ist Body Neutrality nicht nur für Frauen, sondern richtet sich an Menschen jeden Geschlechts.

3. Die Charaktereigenschaften schätzen

Um die Body Neutrality konkret umzusetzen, könnte man anders über seinen Körper und beispielsweise das Gewicht nachdenken. Jameela Jamil stellt ihren Gästen am Ende der Folge die Frage: «What do you weigh?». Damit meint sie nicht die Zahl auf der Waage, sondern all die Eigenschaften und Facetten, die uns als Person ausmachen. Das könnte jeder von uns ausprobieren.

Statt unseres Körpergewichts wiegen wir dann unsere Beziehungen mit den Menschen in unserem Leben. Wir wiegen unsere Kreativität, unsere Leidenschaften und unsere Freuden. Durch Body Neutrality rücken diese Dinge in den Vordergrund und der Körper in den Hintergrund.

Titelbild: Pexels

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