Kind, Krise und KüsseEltern werden und Paar bleiben?

Hi Parents, wie geht es euch als Paar? Habt ihr noch Spass miteinander oder streitet ihr oft? Zehren schlaflose Nächte und Babygeschrei an euren Nerven? Habt ihr noch Zeit für Intimitäten? Oder braucht ihr vielleicht ein paar Ideen, wie eure Beziehung trotz Kind und Stress glücklich bleiben kann? Redaktorin Linda und eine Expertin, geben Tipps für eine glückliche Partnerschaft.

Junge Eltern mit Kind auf den Schultern küssen sich

Beziehung stärken als Paar mit Kind. So geht's:

  • Neue Routinen innerhalb der Familie schaffen
  • Aufbau einer innigen Vater-Kind-Beziehung 
  • Schlüsselrolle der Mütter: Vertrauen 
  • Lust auf Intimität – hier sollte kein Druck entstehen
  • Kleine Auszeiten und Paar-Gespräche im Alltag schaffen
  • Eine Planung der Kinderbetreuung ist sinnvoll

Vorgestellt habe auch ich mir das alles etwas anders. Vielleicht nicht ganz so rosarot, wie es mir manch eine Social-Media-Super-Mom weissmachen will. Aber trotzdem irgendwie romantisch.

Ich dachte, eine gute Partnerschaft ist trotz Kind – oder vielleicht gerade auch wegen eines Kindes – möglich. Damit wird man schliesslich zu einer richtigen Familie. Wir sind jetzt zu dritt glücklich. Aber stattdessen sucht einen als Paar oftmals ein vages Gefühl des «sich aus den Augen Verlierens» heim.

Ein Kind ändert in der Beziehung alles: Routine schaffen

Und so erging es meinem Partner und mir, als unser Kind auf die Welt kam, in Wahrheit wie vielen anderen Paaren auch: «Die Geburt eines Kindes stellt die Beziehung auf die Probe», sagt Familientherapeutin Marion Sontheim. Plötzlich ist alles anders. Die alltägliche Routine, aber vor allem Beziehungsdynamiken und Rollenbilder müssen neu gefunden werden.

Viele fühlen sich mutterseelenallein

Die Expertin erklärt: «Früher waren wir in grösseren Verbänden und Sippen eingebunden und so bereits früh mit dem Thema Erziehung vertraut. In jeder Zeit hatten Frauen, die Mütter wurden, bereits viele Cousins, Cousinen, Geschwister und andere Kinder mit aufgezogen. Darüber hinaus waren Mütter nach der Geburt immer schon in eine Gemeinschaft eingebunden. Heute ist das erste Kind, das wir im Arm halten, oft unser eigenes. Und statt eingebunden in eine Gemeinschaft, fühlen sich viele mutterseelenallein».

Dieses Gefühl habe auch ich kennen gelernt: Plötzlich war ich Mama. Und fühlte mich hilflos. Und mein Partner? Der wurde zum Prellball meiner Gereiztheit, Müdigkeit und Angst. Gerade nach der Geburt war Streit an der Tagesordnung. Oft gab es für Konflikte nicht mal einen triftigen Grund – er versuchte, alles richtig zu machen und mir bei vielen Dingen zur Hand zu gehen. Da aber das gesamte Leben für uns neu war, waren wir noch nicht eingespielt und es lief damit nicht wirklich harmonisch. Abgesehen davon, musste mein Mann bald wieder zur Arbeit gehen; ich fühlte mich allein. 

Es braucht etwas Zeit, bis man eine neue Routine als Paar und Eltern gefunden hat. Eine, mit der alle zufrieden sind. Aber sie kommt – meist von allein. 

Intensive Mama-Kind-Beziehung für Väter eine Umstellung

Die Geburt eines Kindes und die am Anfang natürlich intensivere Beziehung der Mutter zum Kind, stellt auch Väter vor neue Herausforderungen. Da ist nun dieser kleine Mensch, der die meiste Aufmerksamkeit, Zärtlichkeit und Zeit ihrer Partnerin für sich beansprucht. Sontheim sagt: «Väter müssen lernen, ihren eigenen Weg mit dem Baby zu finden und selbst eine innige Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen. Hier spielen die Mütter eine Schlüsselrolle: Je mehr sie ihren Partner übernehmen lassen, desto mehr wird aus diesem kleinen Wesen etwas, das ein Paar verbindet, anstatt Distanz zu schaffen».

Ich kann hiermit bestätigen: Das ist manchmal leichter gesagt, als getan. Als Mutter glaubt man schnell, man sei die Einzige, die weiss, was gut und richtig für das Baby ist. Ich weiss aber auch: Sontheim hat recht. Und wenn man als Mama erstmal zulässt, dass Papa und Baby «ihr Ding» machen, hat das auch einen ganz besonderen Vorteil – nämlich ein wenig Auszeit für einen selbst.

Tabuthema Zweisamkeit im Bett: Was ändert sich mit Kind?

Und dann ist da noch das Thema, über das niemand gerne spricht. Dass in den ersten Wochen nach der Geburt keine grosse Lust auf Intimität aufkommt, ist vielen jungen Eltern im Vorfeld klar. Aber wann ist denn endlich wieder alles «normal»? Liebe Paare, das liegt an euch. Zuneigung ist nämlich kein Selbstläufer – weder mit noch ohne Kind. Schmerzen – etwa vom Stillen – und Schlafentzug, machen es nicht gerade leichter. «Viele Frauen erzählen mir auch, dass ihr Kopf komplett mit dem Baby gefüllt ist», so Sontheim. 

Natürlich bringt ein Kind noch mehr Aufgaben, Stress und Erschöpfung in den Alltag. Ob ein Paar Lust auf Berührungen und Intimität hat, hängt aber darüber hinaus von ganz anderen Faktoren ab. Zum Beispiel vom eigenen Selbstwertgefühl. Nur wer sich gut und attraktiv fühlt, hat auch Lust darauf. Auch Sontheim weiss: «Nach Wochenfluss, vielen Tagen zu Hause in bequemen Klamotten, ständigem Windelwechseln und Erbrochenem auf der Schulter – wer fühlt sich da noch attraktiv?» Wohl niemand. 

Zeit und Engagement: So kommt wieder Lust auf

Viele Frauen versuchen dieser Mama-Falle zu entkommen und schnellstmöglich wieder gut gestylt, schlank und toll auszusehen. «Die Idee ist gut gemeint, erzeugt aber eher Druck, als Lust. Ich versuche daher mit Paaren zu besprechen, wer eigentlich welches Bedürfnis hat. Geht es um Zärtlichkeit, Zuwendung oder um Intimität?». Kleine Kuschelstunden können ein guter Anfang sein.

Was ausserdem hilft, ist Zeit und Vertrauen. Expertin Sontheim stellt ihren Klienten in diesem Zusammenhang oft folgende Frage: «Wenn ich euch versichern könnte, dass sich die körperliche Zuneigung zueinander sich im kommenden Jahr langsam erholen wird, hättet ihr dann noch ein Problem?» Und siehe da: Bei vielen Paaren sorgt dieser Optimismus bereits für mehr Entspannung. Und damit überhaupt erst für die Grundlage für jegliche intime Stimmung.

Die Zeit und Musse, sich wieder mehr um sich selbst zu kümmern

Das Gleiche gilt übrigens für die Lust sich selbst gegenüber: Die Geburt eines Kindes ist eine enorme Veränderung – psychisch und physisch. Nimm dir Zeit, dich damit anzufreunden. Eine Schwangerschaft dauert neun Monate. Warum sollte die Umstellung auf das neue Leben dann plötzlich über Nacht geschehen? Die Zeit und Musse, sich wieder mehr um sich selbst kümmern zu können, wird kommen. Früher oder später. Versprochen!

Krise vermeiden durch We-Time: Auszeiten im Alltag

Kann man eine Krise vorab vermeiden? Sontheim ist der Meinung, man könne lediglich vorab so viel sprechen wie möglich, um böse Überraschungen aus dem Weg zu kehren. Vor der Geburt könnte man sich so zum Beispiel austauschen, wie man sich den Partner als Mutter oder als Vater vorstellt: Welche Wünsche und Erwartungen hat man? Wie hat man selbst seine Kindheit erlebt? All die Werte, die in diesen beiden Familien galten, müssen ja nun zusammengeführt, überdacht und aussortiert werden.

Und wie sieht es eigentlich mit echter We-Time aus? Wer trotz Kind ein Liebespaar bleiben will, braucht eben solche Momente nur zu zweit. Ohne geht es nicht. Solche Momente müssen nicht lange dauern – es muss nicht gleich der stundenlange Restaurant- oder Kinobesuch sein. Wichtiger ist die Regelmässigkeit. Nehmt euch jeden Tag bewusst ein paar Minuten (und wenn es nur zehn sind), die ihr ausschliesslich einander widmet.

Ihr könnt besprechen, was euch auf dem Herzen liegt. Oder auch einfach nur kurz kuscheln. Wichtig ist nur, dass es um eure gegenseitige Zuneigung geht, anstatt um typische To-Dos des Alltags à la «Hast du eigentlich schon den Müll rausgebracht?». Besser ist es, wenn man sich gemeinsam in Ruhe hinzusetzt und immer wieder neu bespricht: «Ist das was ich zur Zeit tue wertvoll für dich?» Und wenn nicht: «Was kann ich stattdessen tun?»

Wer sich dann hin und wieder vielleicht noch einen freien Abend mit Babysitter gönnt, gibt auch der Beziehung Zeit und Aufmerksamkeit, die sie verdient.

Kinderbetreuung: Wer bleibt wie lang zuhause?

Es ist zudem eine gute Idee, sich vorab schon zu besprechen, wie man die Kinderbetreuung regeln möchte. Aber auch hier ist es wichtig, dass sich Pläne ändern können. «Wenn ein Partner wieder arbeiten geht, jedoch noch gar nicht bereit ist für die Trennung vom Kind und der Andere seine Arbeit vermisst, dann jedoch zuhause beim Kind bleibt, ist dies auch nicht sinnvoll. Absprachen sollten also immer wieder überprüft werden», so die Expertin. 

Aus Erfahrung kann ich sagen: Ein Kind stellt die Partnerschaft vielleicht auf die Probe. Es ist aber auch eines der schönsten Bindeglieder zwischen zwei Menschen. Ihr seid jetzt Eltern geworden. Und diese ehrenvolle Aufgabe macht als Liebespaar am meisten Spass.

Titelbild: Pexels

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