Fake NewsSo geht wirklich gute Hautpflege
Nie war so viel Kosmetik. Eigentlich müsste es unserer Haut doch glänzend gehen? Dermatologin Dr. Ludolph-Hauser über falsche Versprechen der Beautyindustrie und wirklich gute Hautpflege.

Was machen Sie eigentlich hier? Die Dermatologin Dr. Dagmar Ludolph-Hauser sitzt in ihrer Praxis häufig Patientinnen gegenüber, die sich viel zu früh und viel zu sehr um die Pflege Ihrer Haut kümmern. «Schon Teenager rennen in die Drogerie und kaufen sich fette Feuchtigkeitscremes, die sie wirklich noch nicht brauchen.», erzählt Dr. Dagmar Ludolph-Hauser. Gut möglich, dass genau diese Patientinnen in einigen Jahren wieder vor ihr sitzen, mit echten Hautproblemen. Denn mit dem Überangebot an Pflegeprodukten gerät auch die Haut immer öfter aus dem Gleichgewicht.
Die meisten Hautprobleme sind genetisch oder umweltbedingt, allerdings werden viele durch Kosmetika unterstützt. «Je mehr ein Pflegeprodukt auf einmal verspricht und je mehr Inhaltsstoffe es enthält, desto grösser ist das Risiko, dass es die Haut irritiert.», erklärt die Dermatologin. Inzwischen weiss man aus der Forschung, dass besonders reichhaltige Pflege und häufige Produktwechsel das Gleichgewicht der Haut stören. Aber tatsächlich weiss auch die Hautmedizin nicht genau, ob es bestimmte Inhaltsstoffe sind oder ob es zuviel Pflege ist, die das Fass zum Überlaufen bringt.
Der Fassrand ist unsere Hautbarriere. Wird ihr Schutzfilm angegriffen und ihr Gleichgewicht aus Feuchtigkeit und Fett gestört, verliert sie Wasser. Die Haut fühlt sich trocken an, weshalb man noch reichhaltigere und fettigere Cremes aufträgt. Ein Teufelskreis entsteht.
Wenn die Haut Ferien braucht
Wenn keine Hautkrankheiten, wie Akne oder Rosacea (Couperrose) vorliegen, erkennt man überpflegte Haut daran, dass sie vermehrt Unreinheiten bildet. Im schlimmsten Fall entsteht durch zu viel oder flasche Pflege eine periorale Dermatitis, im Volksmund Stewardessenkrankheit genannt. Dabei saugt sich die überpflegte Haut auf wie ein Schwamm, verliert noch mehr Wasser, wird wieder mehr eingecremt, entzündet sich schliesslich, brennt, schuppt und juckt.
Aber warum Stewardessenkrankheit? Gesichtspflegeprodukte werden schliesslich auch unter den Wolken benutzt. Die Stewardessen waren die erste Berufsgruppe, die besonders viele Kosmetikprodukte verwendet hat und vergleichsweisse häufig unter diesem seltsam roten, brennenden und juckenden Ausschlag um den Mundraum litt. Die Behandlung perioraler Dermatitis besteht deshalb vor allem in Pflege-Ferien für die Haut: keine Seife, keine Feuchtigkeitscremes und möglichst kein Make up für mehrere Wochen. Weniger ist bei der Pflege mehr: Nach dem Abklingen einer peroralen Dermatitis empfiehlt die Dermatologin fett- und zusatzstoffarme Hautpflegeprodukte.
Ein Rat, den Dr. Ludolph-Hauser auch vielen Patientinnen gibt, die nicht unter überpflegter Haut leiden. «Wenn ich meine Patienten berate, sind sie häufig überrascht, dass ich dünnflüssige und wenig fetthaltige Produkte empfehle. Sie glauben ihre Haut braucht etwas. Das braucht sie eben nicht immer. Vor allem eine ausgewogene Haut - und das gibt es durchaus auch - braucht nicht viel Pflege.»
Watteweiche Hautschmeichler
Erst Phyto Blanc Buff and Wash, darüber den DayWear Multi-Protection Antioxidant Sheer Tint Release Moisturizer SPF 15 und als Extra das 5+ Hydra-Volume Hyper-Hydrating Rejuvenating Serum – und das ist erst der Anfang einer regallangen Reihe an Tigelchen. An einem Tag lassen Schweizer Frauen bis zu 14 Pflegeprodukte auf ihre Haut einwirken. Aus welchen Inhaltsstoffen die Kosmetik besteht, wissen dabei die wenigsten - denn kaum jemand vesteht, was die chemischen Begriffe bedeuten, wie und ob sie überhaupt wirken.
Was Konsumenten dagegen sehr wohl aufnehmen, ist, was die Pflegeprodukte versprechen. Und sie versprechen viel: Ein phytoaromatisches Reingungspeeling durch das «die Haut von Tag zu Tag schöner wirkt». «Das Wichtigste was sie heute tragen werden» ist eine leicht getönte Freuchtigkeitscreme, die Ihrer Haut einen «gesunden, ebenmässigen, Glow verleiht». Oder ein Anti-Aging-Spezial-Serum mit «fünf Mal mehr fragmentierter Hyaluronsäure» und «Fill-in-3D-Komplex», das den «makellosen Teint als universellen Trend» erkannt hat. Und die Hersteller versprechen es, weil es erlaubt ist.
Im Unterschied zu medizinischen Produkten, unterliegen kosmetische Pflegeprodukte keiner Wirksamkeitskontrolle. Auf der Verpackung lässt man ohnehin selten fachlich qualifizierte Prüfer zu Wort kommen. Wenn 84 Prozent der Testpersonen von einem Produkt überzeugt sind, wird das subjektive Empfinden zur Prüfungsinstanz erklärt. Bei Produkten, wie dem 5+ Hydra-Volume Hyper-Hydrating Rejuvenating Serum, tönt das aufgeplusterte Versprechen zwar schon im Namen an, es ist aber ein künstlerischer Markenname und deshalb erlaubt.
Es riecht gut, es fühlt sich gut an und man sieht schnell was. Das entspricht unserer emotionalen Erwartung an Kosmetik.
Das ärgert die Hautärztin Dr. Ludolph-Hauser: «Nach dem Gesetz sind diese Werbeversprechen nicht unehrlich, dennoch ist es Betrug.Mit Suggestiveffekten wird ein Bild geschaffen, das es in der Wirklichkeit nicht gibt.» Die Suggestion, das heisst, die gezielte Beeinflussung unserer Vorstellung oder Empfindung, wirkt auf vielen Ebenen. Mit Photoshop bearbeitete Gesichter der Werbebotschafterinnen erzählen die Mär von ewig jugendlicher, glatter und reiner Haut. Grosse Namen und goldene Tigelchen spiegeln den Luxus, Duftstoffe locken unsere Nasen, seidige Texturen streicheln die Haut.
Die meisten Konsumenten hätten keine Vorstellung, was ein gutes Hautpflegeprodukt ausmache, glaubt Dr. Ludolph-Hauser. Deshalb orientieren sie sich an der unmittelbaren Wirkung: «Es riecht gut, es fühlt sich gut an und man sieht schnell was. Das entspricht unserer emotionalen Erwartung an Kosmetik.» Dagegen fragt die Hautmedizinerin Ludolph-Hauser zuerst: Was steckt im Tigel drin?
Dasselbe in Grün
Aber nicht nur die üblichen Verdächtigen der Beautyindustrie, auch dieNaturkosmetikhält oft nicht, was ihr Name verspricht. «Naturkosmetik ist für mich ein besonders bitteres Thema», sagt Ludolph-Hauser.«Hier wird mit dem Bedürfnis der Menschen nach Natur und Natürlichem ein Riesengeschäft gemacht.»
Das grösste Problem sieht Ludolph-Hauser darin, dass Naturkosmetik kein geschützter Begriff sei. Vielfach enthalte Naturkosmetik nur einen kleinen Anteil an Naturstoffen, würde aber ebenso wie die herkömmliche Kosmetik mit synthetischen Zusatzstoffenangereichert.
Das Rosenöl einer bekannten Naturkosmetikmarke enthält beispielsweise nur einen verschwindend geringen Anteil an reinem Rosenöl. Hauptbestandteile sind Mandel- und Jojobaöl. Zusätzlich ist das Produkt mit künstliche Koservierungsstoffe und Parfum versetzt. Bedenklich ist diese Zusammensetzung für die Haut oft nicht - Mandel- und Jojobaöl sind sogar hilfreiche Fettspender. Doch wenn ein Kunde ein naturkosmetisches Produkt kauft, erwartet er andere Inhaltsstoffe.
Es sei auch falsch anzunehmen, dass Pflanzenstoffe auf der Haut immer besser seien als synthetische Stoffe, erklärt die Dermatologin. Pflanzenstoffe gehörten sogar zu den Stoffen, die am häufigsten eine Kontaktallergie auslösen. Besonders oft sind dies: Teebaumöl, Arnika, Kamille und Pfefferminzöl.
Wie Sie hautverträgliche Pflegeprodukte erkennen
Die Vermeidung von Hautirritationen, Kontaktallergien und Nicht-Komedogenität sind wichtige Eigenschaften, um die Hautverträglichkeit eines Produkts zu bestimmen. Manche Hinweise auf Produktverpackungen sind dabei gute Wegweiser, manche sind irreführend.
dermatologisch getestet/klinisch getestet: Es gibt keine gesetzlich festgeschriebene Methode, die auf dermatologische oder klinische Tests angewandt werden muss. Auch das Ergebnis dieser Tests bleibt bei dieser Aussage offen.
dermatologisch bestätigt/empfohlen: Wenn auch das Ergebnis des dermatologischen Tests angegeben wird, z.B. «Hautverträglichkeit klinisch bestätigt», kann der Verbraucher daraus schliessen, dass die Hautverträglichkeit höher als bei vergleichbaren Standard-Produkten ist.
hypoallergen: Als hypoallergen wird ein Produkt bezeichnet, das spezifisch zur Minimierung von allergischen Reaktionen formuliert wurde.
nicht-komedogen: Eine Zusammensetzung, die die Poren der Haut nicht verstopft, wird als nicht-komodogen bezeichnet. Allerdings gibt es kein einheitliches Prüfverfahren. Achten Sie deshalb zusätzlich auf die Inhaltsstoffe. Als besonders komedogen gelten: Wollwachs (Lanolin), Algen-Extrakt, Erdöl, Emulgatoren, Isooctadecansäure, Kochsalzlösung, Leinsamenöl, Lipide, Olivenöl, PEG, Rotalge, Silikon, Tenside, Verdickungsmittel und Weizenkeimöl.
Ein gutes Produkt hat gute Wirkstoffe
Auch der Preis ist kein Gradmesser für ein gutes Produkt. «Eine Creme für 200 Franken ist definitiv nicht sinnvoll», sagt Ludoph-Hauser. «Denn egal, wo und wieviel sie von den bekannten, wirksamen Substanzen rein stecken, diesen Preis kosten sie nicht.»
Wer Pflegeprodukte kaufen will, die nicht nur verträglich, sondern auch wirksam sei, sollte auf medizinnahe Kosmetik zurückgreifen, empfiehlt Dagmar Ludolph-Hauser. «Ein Grossteil der Kosmetik aus der Apotheke ist im Prinzip vernünftig, das muss man ganz klar sagen.» Medizinnahe Kosmetik enthalte in der Regel keine Duft- und Konservierungsstoffe, dafür oft sogenannte «Cosmeceuticals». Cosmeceuticals sind medizinähnliche Wirkstoffe, die aber aufgrund ihrer geringeren Konzentration nicht verschreibungspflichtig sind. In der Regel sind sie aufAnti-Aging spezialisiert, wirken aber auch gegen Akne und Hautkrebs. Zu den Wirkstoffen, die nachweislich helfen, zählt Retinol und Hyaluronsäure.
Warum verkauft sich die wirkungsvolle medizinnahe Kosmetik trotzdem schlechter als gewöhnliche Kosmetik aus der Drogerie oder Naturkosmetik? Es sei der fehlende Wellness-Effekt, glaubt Ludolph-Hauser: «Medizinnahe Kosmetik tut der Haut in der Regel am besten, aber sie ist häufig nicht so angenehm. Sie riecht nicht gut, die Konsistenz ist selten seidig.»
Sechs Monate Geduld
Meistens greifen Frauen verstärkt in den Cremetopf, wenn sie die ersten, kleinen Fältchen im Spiegelbild grüssen. Das passiert ab dem 25. Lebensjahr. Die Haut wird dünner und verliert Jahr für Jahr ein Stück von seiner Erneuerungskraft. Altern ist ein Prozess, eine natürliche und gute Anti-Aging-Pflege sollte es deshalb auch sein, findet die Hautärztin.
Die Grundregel einer prozessorientieren Anti-Aging-Pflege lautet nach Dr. Ludolph-Hauser: «Verwenden Sie nichts, das verspricht, dass es die Haut ganz schnell ganz schön macht.» Schlechte Produkte erkenne man meistens daran, dass sie in kurzer Zeit eine sichtbare Wirkung zeigen. Durch quellende Substanzen werde die Hautoberfläche aufgepolstert, doch gerade diese Substanzen würden die Haut langfristig eher schädigen als pflegen.
Falten lassen sich nur begrenzt wegcremen.
Um zu testen, ob ein Produkt wirkt, beobachtet die unabhängige Kosmetikforschung Testpersonen idealerweise über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Ähnlich lange müssten auch Käuferinnen warten, um ein nachhaltiges Ergebnis an ihrer Haut zu sehen. Und auch das will die Hautärztin klarstellen: «Falten lassen sich nur begrenzt wegcremen. Und das muss man auch nicht. Denn eine gesunde, schöne Haut muss nicht faltenfrei sein.»
Wer denoch etwas mehr für die Anti-Aging-Pflege tun wolle, sei mit Fruchtsäure- oder Retinolcremes sowie chemischen Peelings gut beraten, sagt Dr. Ludolph-Hauser. Dabei warnt sie allerdings vor Peelings in Eigenregie. Unmittelbar nach einem Fruchtsäurepeeling ist die Haut gerötet, sie kann brennen und ist für einige Tage stark sonnenempfindlich. Einer sanfte Pflege ist das nicht, wie Ludolph-Hauser bestätigt: «Fruchtsäuren wie die Vitamin-A-Säure, sind natürliche Produkte, aber sie schälen die Haut - und das spürt man. Es stinkt, es brennt, aber es macht eine konkurrenzlos schöne Haut.» So sei das bei vielen Pflegeprodukten, die wirkstoffoptimiert sind. «Was wirkt, fühlt sich nicht unbedingt gut an».
Das günstigste und wirksamste Anti-Aging-Mittel ist allerdings Sonnenschutz. Und der tut überhaupt nicht weh.
7 Tipps für die tägliche Hautpflege

Bild: Getty Images
1 Hautpflege ist Hauttypsache
Sehr gute Pflegeprodukte können beim falschen Hauttyp angewandt, trotzdem zu einem schlechten Ergebnis führen. Der Hauttyp sollte immer den Ausgang bei dem Kauf eines Produkts bilden.
2 Häufiges Waschen stresst die Haut
Reinigungsprodukte schwemmen nicht nur Schmutz, sondern auch wichtige, schüzende Eigenfette von der Hautbarriere. Bei normaler und trockener Haut genügt deshalb meist lauwarmes Wasser zur Reingung. Wer Make up trägt und/oder fettige Haut hat, tut seiner Haut mit einem milden Reinigungsgel dagegen etwas Gutes.
3 pH-Wert beachten
Die Haut hat einen leicht sauren ph-Wert um 5,5. Benutzen wir basische Produkte wie eine klassische Seife, wird das Milieu zu sauer und Fette lösen sich leichter aus der Hautbarriere. Pflegeprodukte sollten deshalb ähnlich sauer sein wie die Haut.
4 Vorsicht, Zusatzstoffe!
Duftstoffe, Konserverierungsstoffe und Emulgatoren können die Haut irritieren. Verzichten Sie bestenfalls auf diese Zusatzstoffe. Grundsätzlich ist eine Creme mit wenig Inhaltsstoffen empfehlenswerter, als eine mit vielen.
5 Pflegeprodukte mit UV-Schutz
Wichtig ist hierbei nicht nur UVB-Schutz, der vor Sonnenbrand schützt, sondern auch ein UVA-Filter. UVA-Strahlen sind wir täglich ausgesetzt, deshalb gehört der UVA-Schutz auch zur täglichen Hautpflegeroutine.
6 Vorbeugen
Bereits ab dem 25. Lebensjahren bildet sich die Haut zurück. Deshalb empfiehlt es sich die Pflege in dieses Jahren auf leichtes Anti-Aging umzustellen. Klassisch empfehlen sich für den Anfang Cremes mit Vitamin C und Vitamin E. Inhaltsstoffe mit bewiesener Wirksamkeit sind zudem Hyalauronsäure und Retinol.
7 Feste Pflegeroutine
Wenn sie ein Produkt gefunden haben, das Ihrer Haut gut tut, bleiben Sie dabei. Häufige Produktwechsel schaden dem Gleichgewicht der Haut.
Über Dr. med. Dagmar Ludolph-Hauser
Dr. med. Dagmar Ludolph-Hauser ist Dermatologin in Landshut. In ihrer Praxis vereint sie wissenschaftliche Medizin mit patientenbezogenem, individualisiertem Handeln. Schwerpunkte sind Ästhetische Dermatologie, Hautkrebserkrankungen und Schuppenflechte. Mehr Info...»
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