DESIGNER-VAGINASchamlippen aus dem OP
Der Schönheitswahn hat die Intimsphäre erreicht: Schönheitsoperationen an der Vagina liegen im Trend. Medizinische Gründe spielen dabei meist keine Rolle. Woher kommt der plötzliche Beautywahn im Intimbereich?

Schönheitsoperationen an der Vagina sind im Kommen. Entsprechend gross ist der Medienaufruhr. In den USA nimmt die Nachfrage nach den kosmetischen Eingriffen an der Scheide Jahr für Jahr zu. Nun soll der Trend auch auf uns abfärben. Laut des Deutschen Ärzteblattes sind zwar nur 0,08 Prozent aller Schönheits-OPs Genitalkorrekturen, gibt man jedoch den Suchbegriff «Designer Vagina» bei Google ein, erhält man in der Schweiz über 2000 Suchergebnisse. Dabei dominiert die Werbung von Schönheitschirurgen und -kliniken. Das Ergebnis der Schönheitskorrektur an der Vagina, so versprechen sie,sei ein höheres Selbstwertgefühl, mehr Lebensqualität und besserer Sex.
Diese Genitaloperationen gibt es bereits:
- Korrektur der inneren und äusseren Schamlippen
- Korrektur eines hervorstehenden Venushügels
- G-Punkt-Amplifikation: Vergrösserung der G-Punkt-Region
- Verengung der Vagina
- Reduktion der Klitorishaut
- Repositionierung der Klitoris
- Wiederherstellen des Jungfernhäutchens
Die Methoden der kosmetischen Genitalchirurgie sind breit gefächert: Die Eingriffe reichen von Vaginalverjüngung bis zum Aufspritzen des G-Punkts. Auch die Beweggründe der Patientinnen sind verschieden. Manche Patientinnen klagen über hervorstechend grosse Schamlippen und meinen, sie hätten dadurch Probleme zum Orgasmus zu kommen. Von einem Eingriff an der Vagina erhoffen sich diese Patienten eine bessere Stimulierbarkeit. Nachgewiesen wurde das allerdings bisher nicht. Andere Patienten empfinden ihre Vagina als nicht schön genug. Ihrer Meinung nach muss ihre Vulva, der sichtbare Teil der Vagina, korrigiert werden, da sie nicht der Norm entspricht. Medizinisch notwendige Eingriffe sind dagegen eine Seltenheit. In wenigen Fällen sind die Schamlippen zu lang und sorgen für akute Schmerzen.
Seit der Intimrasur gibt es sie: die Model-Vagina
Skalpell an Schamlippen, Spritzen am G-Punkt – die Eingriffe klingen schmerzhaft. Die Vagina ist ein besonders empfindliches Organ. Allein der Kitzler ist mit 8000 Nervenenden versehen. Die Schmerzen beim Heilungsprozess sind entsprechend extrem.
Weshalb ist es dennoch ein Trend, seine Vagina zu designen? Seitdem sich die Intimrasur verbreitet hat, spielt das Aussehen der Vagina eine wichtigere Rolle. Mit verantwortlich sind die Abbildungen in Zeitschriften und Pornovideos, die Frauen mit einer scheinbar idealen Vagina abbilden: eine glattrasierte Vulva, deren äussere Schamlippen die inneren perfekt umschliessen. Die Vorstellung einer Model-Vagina lockt Patientinnen zum OP-Tisch. Mögliche Risiken und Nebenwirkungen nehmen sie in Kauf. Zu schön, die Vorstellung einer Bilderbuch-Vulva. Schönheitschirurgen machen daraus ein grosses Geschäft: Eine Verkleinerung der Schamlippen kostet beispielsweise rund 4000 CHF. Was sagen qualifizierte Ärzte dazu?
Schönheitsideale auf verschiedenen Kontinenten
Wann eine Vagina als schön gilt, ist von Kultur zu Kultur anders. Die südafrikanischen Stämme der Khoisanen bevorzugen beispielsweise stark ausgeprägte Schamlippen, die deutlich sichtbar sind. Bestimmte Südseevölker haben wiederum versucht, die Klitoris künstlich zu verlängern, um einem Schönheitsideal herzustellen.
Quelle: Frauenheilkunde aktuell
Die meisten Vagina-OPs sind Schwachsinn
Qualifizierte Ärzte äussern sich gegen eine Operation im Intimbereich. Grösstenteils handele es sich um «schwachsinnige» Eingriffe, sagte Thomas Muehlenberger, Arzt für Plastische Chirurgie an den DRK Kliniken in Berlin, gegenüber der taz. Muehlenberger zufolge handele es sich lediglich um einen «verlängerten Arm des Fitnesswahns». In einem Bericht von Frau-TV stellten die Psychologin Ada Borkenhagen und der Frauenarzt Heribert Kentenich fest, dass das in den Medien transportierte Bild der Ideal-Vagina das Ästehetikempfinden einer Generation geprägt habe. Die unrealistischen Schönheitsnormen kurbeln Intim-OPs an. Vor allem junge Frauen glaubenim Intimbereich genauso aussehen zu müssen wie die retouchierten Bilder von Vaginas in Erotikmagazinen.
Risiken und Nebenwirkungen werden kaum erläutert
Noch nie mussten Frauen so leiden, die schön sein wollen. Narben, verzogene Harnröhren, starke Schmerzen bis zum Gefühlsverlust im Intimbereich, das ist nur ein Ausschnitt möglicher Risiken. Im British Medical Journal betonten die die Gynäkologin Sarah Creighton und die Psychologin Lih Mei Liao, dass es keine medizinisch definierte Norm für die ideale Vagina gäbe. Sie prangern an, dass Schönheitschirurgen die Komplexe ihrer Patientinnen schamlos ausnutzen und die Risiken einer Genitalkorrektur unzureichend erläutern.
Wann ist eine OP notwendig?
In einzelnen Fällen kann eine Korrektur jedoch ratsam sein. Bestimmte Asymmetrien oder deutliche Übermasse können den Betroffenen im Leben im Wege stehen. Sind die Schamlippen wesentlich zu lang, können schmerzhafte Irritationen bei alltäglichen Bewegungen entstehen. Ernsthaft Betroffene schämen sich häufig, sich diesbezüglich an einen Arzt zu wenden. Fachärzten zufolge sind 4-5 Zentimeter lange Schamlippen völlig normal. Auch bei 6-7 Zentimetern Länge müssen keine Beschwerden auftreten. Im Falle einer schmerzhaften Dammverletzung nach der Schwangerschaft kann eine Intimoperation sinnvoll sein. Betroffene sollten sich in jedem Fall zuerst an den Gynäkologen wenden, um sich beraten zu lassen. Der Chirurg ist oft nicht nur der schlechtere Berater, er ist auch die kostspieligere Version.
Foto: Stockbyte