Sie machen eine Streetwear-SzeneChitose Abe – mit Cleverness in den Fashion-Olymp

Wenn es eine Designerin schafft Feminismus mit Fashion zu kombinieren, durch ihre eigene natürliche Weiblichkeit einen Trend zu setzen und dank dem konsequenten Brechen von Grenzen und Designvorgaben einen eigenen Look zu kreieren, dann handelt es sich dabei höchstwahrscheinlich um die japanische Modemacherin Chitose Abe mit ihrem Label Sacai.

Chitose Abe Sacai

In Japan ist die Nachricht von eigenständigen Frauen und Female Empowerment anscheinend noch nicht gänzlich angekommen. So wird von Frauen erwartet, dass sie bis zum 30. Lebensjahr Kinder gebären, eine Familie gründen und ihr Leben nur noch den Kindern widmen. Diejenigen, die kinderlos bleiben, werden als «Makeinu» bezeichnet, was so viel wie «Verliererhunde» bedeutet. Chitose Abe hat sich diesem Schicksal nicht gebeugt und quasi aus einer Schwangerschaft heraus, das wohl einflussreichste, japanische Label gegründet.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Zur Lehre bei Legenden

Chitose Sakai wurde am 9. November 1965 in der kleinen, japanischen Stadt Gifu, nördlich von Nagoya geboren. Ihre Mutter arbeitete als Schneiderin und machte sie so schon sehr früh mit verschiedenen Textilien und Stoffen für Kleidung bekannt. Chitose brachte ihre Mutter sogar dazu, ihre Kleidung so anzupassen, dass sie sich durch ihren Style in der Schule abhob. Den Wunsch selber Mode zu machen, wurde durch einen Werbeclip für das ebenfalls japanische Label Issey Miyake geweckt. Nach ihrem Abschluss am College in Nagoya arbeitete sie für das Bekleidungsunternehmen World Co. Ltd., die für verschiedenste Designer produzierten. Nach einem Jahr fand sie jedoch den Weg zu einer renommierten, und von einer Frau geführten, Modemarke: Rei Kawakubos Label Comme des Garçons.

Natürlich war das Arbeitsumfeld in Kawakubos aufblühendem Modeimperium ganz anders, als in Abes vorherigem Arbeitsplatz. Diffusionslinien wie Comme des Garçons Play, die Eröffnung des eigenen Ladens Dover Street Market sowie ausgefallene und unerwartete Designs in der Hauptlinie sorgten für einer der grössten Erfolgsgeschichten in der Modewelt – von der auch Chitose lernte. Rei Kawakubos ermutigte sie zudem ihren eigenen Visionen zu folgen und gab ihr die Freiheit sich weiterzuentwickeln. So landete sie nach acht Jahren bei Comme des Garçons als Mustermacherin bei Junya Watanabe, der CDG verlass, um sein eigenes Label nach vorne zu bringen. Hier blieb sie bis 1997 im Designteam und ging dann für zwei Jahre in den Mutterschutz, nachdem sie mit ihrem Arbeitskollegen und Mann Junichi Abe, der später übrigens das Label Kolor gründete, die kleine Tohko Abe bekam.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Wenn Mutterschaft Mode schafft

Auch wenn ihre neue Aufgabe als Mutter sie mit Freude erfüllte, so war es für die sonst so kreative und beschäftigte Chitose eine Odysee zu Hause rumzusitzen, ohne sich modisch ausleben zu können. Als ihr Mann sie dazu ermutigte ihr eigenes Label ins Leben zu rufen, war ihr grösster Anspruch, der auch noch 20 Jahre nach der Gründung Gewicht hat, Kleidung zu entwerfen, die getragen werden kann. Was zunächst simpel klingt, stellte Chitose frisch nach ihrer Schwangerschaft vor eine zunächst unlösbare Aufgabe: Sie brauchte Kleidung, die sich flexibel ihrem Körper anpasst, elegant ist und gleichzeitig ihren mutigen Designs entspricht. Chitose nahm die Herausforderung an und gründete 1999 ihr eigenes Label Sacai.

Aus der Not macht die frischgebackene Mutter eine Tugend und begann verschiedene Teile zu Hybriden zu formen. Von zu Hause aus kanalisierte sie ihr Leben und ihre Eindrücke von Tokio in ihre erste Damenmodekollektion und kombinierte unorthodoxe Stoffe mit klobigen Strickteilen. Während heute sowohl Hybrid-gestrickte Teile als auch Patchwork-Bekleidung in der Mode angekommen sind, waren die ersten Strickwaren von Chitose dazumal wegweisend und absolute Zukunftsmusik. So arbeitete sie die ersten drei Jahre komplett alleine, bis sie den Textilentwickler Chico Hashimoto einstellte, der bis heute im Unternehmen ist.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Von Paris raus in die Welt

Obwohl Chitose von den Besten lernte, dauerte es lange, bis die Marke aus Japan einem weltweiten Publikum vorgestellt wurde. 2011 sollte sie schliesslich ihre erste Fashionshow in Paris haben. Der eigene Flagship Store in Tokio folgte noch im selben Jahr. Vier Jahre später bekam die Designerin die Chance mit dem Sportswear-Riesen Nike zusammenzuarbeiten. Die erste gemeinsame Kollektion blieb jedoch ein teurer Geheimtipp, den ein paar eingeweihte Fashionkenner auf dem Schirm hatten, sonst aber weitestgehend unter dem Radar lief. Es folgten Kollaborationen mit The North Face, Hender Scheme und Fragment Design, das Label des wohl bekanntesten Nike Designers Hiroshi Fujiwara. Über die Jahre schaffte es Chitose so, ihre Designhandschrift zu etablieren und sorgte weltweit für Schlagzeilen in allen gefragten Modemagazinen.

Die Welt schien also für den futuristischen Ansatz ihrer Marke bereit zu sein, als sie 2018 in Paris ihre neueste Kollaboration mit Nike vorstellte. Der LD Waffle Racer war weltweit binnen weniger Sekunden ausverkauft und erreicht auf dem Zweitmarkt astronomische Preise. Ihre eigene Marke wird inzwischen in über 150 verschiedenen Läden angeboten. Somit stellt sie den Erfolg ihres Mannes mit seiner Brand Kolor weit in den Schatten. Auch nach 20 Jahren bleibt Chitose unabhängig und nimmt vom Design bis hin zum Vertrieb alles selber in die Hand und zeigt: Für ein erfolgreiches Modeimperium, braucht es weder einen Mann an der Spitze, noch ein Konzern im Rücken, denn selbst ist die Frau.

Titelbild: GettyImages

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