Mode Suisse x femelleMode als Ausdruck, Statement, Experiment und Irritation
Die Mode Suisse ist während ihrer 18. Edition bei femelle zu Gast und gewährt Einblicke in ihr Adressbüchlein: Jede Woche werfen wir bei angesagten Schweizer Designerinnen und Designern einen Blick über die Schultern. Diese Woche bei Karin Wüthrich und Matthias Fürst von AWS (after work studio).

Bei AWS (after work studio) dreht sich alles um den Strick: Seiner Beschaffenheit, seinem Volumen und seinen Proportionen gehen Karin Wütherich und Matthias Fürst seit vier Jahren in ihren Designs nach und wurden letztes Jahr mit dem Design Preis Schweiz ausgezeichnet.
«After work studio gibt Ihnen ein Gefühl de Coup de Coeur. Ihre Kollektion verströmt eine grossartige Forschungsarbeit über Schnitte, Materialien, Farben und Imprimé», sagt Catherine Gonin, Mode Suisse Jurymitglied, internationale Modeexpertin und Verkaufsleiterin bei Jakob Schlaepfer. «Es macht Lust, in ihre Kleider zu schlüpfen und ihre Phantasie zu entdecken».
Die phantasievollen Entwürfe ihrer vergangenen Kollektionen haben Wüthrich und Fürst für die neue Linie aws twentyfourseven in vereinfachter Form umgedacht, wobei die Strick-Permanents – sozusagen als AWS Basic Linie – halbjährlich erweitert werden. Den regulären Brand führen die beiden Designenden natürlich weiterhin fort und werden mit ihm im Februar bei der 19. Edition der Mode Suisse dabei sein.

Runway-Looks der AWS Kollektion, Mode Suisse Edition 17
Ihr habt an der Mode Suisse im März, nur wenige Tage vor dem Lockdown, eine Kollektion vorgestellt, die die steigenden Arbeitsstunden im Home-Office reflektierte; was muss die Mischung aus Homewear und Arbeitskleidung für euch können?
Karin: Als wir die Idee zur Kollektion hatten, dachten wir nicht daran, dass viele von uns schon sehr bald über Zoom oder Teams Meetings abhalten und quasi zu einem anderen Umgang mit Bekleidung gezwungen werden. Da man Zuhause im Privaten ist, aber durch die Video Meetings der Business-Aspekt in den eigenen vier Wänden Einzug hält, muss der Mix eben cozy und irgendwie auch «business casual» sein. Die Kleidung sollte abgesehen davon auch den Powernap auf dem Sofa knitterfrei überleben. Wir hatten für die Kollektion Blazer und Jacken aus Strick integriert, um eben genau diese Kriterien zu erfüllen.

Home-Office tauglich: Die neue Kollektion twentyfourseven
Wie habt ihr als Designer und Designerin zusammengefunden?
Karin: Wir haben einander vor 14 Jahren während der Berufsmaturität kennengelernt und merkten schon damals, dass wir nicht nur in gestalterischen Dingen gut zusammen harmonieren, sondern auch menschlich. Letzteres sogar so gut, dass wir ein Paar wurden. Aber eben eines, das auch sehr gut und gerne zusammenarbeitet. Während meines Modedesignstudiums war Matthias, der vom Grafikdesign kommt, ein sehr wichtiges Gegenüber und so ergab es sich, dass für uns als Team Mode immer zentraler wurde und wir nach unserem gemeinsamen Masterstudium beschlossen haben, das Label After Work Studio zu starten.
Was bedeutet Mode für euch?
Matthias: Kleidung ist 24 Stunden und sieben Tage die Woche ein essentieller Bestandteil unseres Lebens und oft ist Kleidung eben auch Mode. Für uns bedeutet Mode Ausdruck, Statement, Experiment, Provokation und Irritation, aber auch, sich einfach schön und wohl zu fühlen. Mode ist für uns Identität, denn man ist, was man trägt und wie man es trägt.

24 Stunden auf der Haut: die neue Linie von AWS heisst passenderweise twentyfourseven
Was sind – neben den erschwerten Bedingungen durch Corona – aktuell die grössten Herausforderungen in der Modeindustrie?
Matthias: Die Modeindustrie hat sich in den letzten 15 Jahren in einen solch enormen Produktions- und Neuheiteswahn hineingesteigert, dass es immer noch schwierig scheint, dieses horrende Tempo zu brechen. Die Entwertung des Produkts Bekleidung wurde aber nicht nur durch Fast Fashion herbeigeführt, sondern eben auch durch die irrsinnigen Mengen an verschiedenen Kollektionen, die in kürzesten Abständen auf den Markt geschleudert werden. Gerade für kleinere Labels bietet sich hier aber die Chance für eine Revolution, die Mode wieder mit Wert zu versehen versteht: Indem Nachhaltigkeit, aber auch gute und faire Produktionsbedingungen zur Selbstverständlichkeit werden und Zyklen gebrochen oder anders interpretiert werden. Mit unserer neuen Linie aws twentyfourseven versuchen wir beispielsweise letztere Themen noch konsequenter umzusetzen.
Inwiefern bietet die Schweiz als Modestandort einen Vorteil oder aber auch einen Nachteil?
Karin: Pragmatisch gesagt, bietet die Schweiz Stabilität und Sicherheit. Das mag im Modekontext unsexy klingen und es fördert nicht unbedingt eine Risiko- und Experimentierfreude, aber für uns sind diese Werte dennoch sehr bedeutend. Zudem blick die Schweiz auf eine lange Tradition als textiler Produktionsstandort zurück, auch wenn heute leider nur noch wenige Firmen bestehen. Mit einer, der Textil AG Huttwil, arbeiten wir seit über zwei Jahren eng zusammen. Sie ist eine der letzten Schweizer Strickmanufakturen und wir sehen dank der Zusammenarbeit einen grossen Vorteil in den verschiedenen textilen Verarbeitungsmöglichkeiten, der Zuverlässigkeit und der Nähe. Ein Minuspunkt ist vielleicht, dass man in der Schweiz noch immer nicht ganz mittendrin ist in der Modewelt. Durch die sozialen Medien und die Digitalisierung ist man zwar vernetzter und wird auch konstant mit Aktualität konfrontiert, aber man bewegt sich doch immer ein wenig abseits.
AWS ist vom 11.12.2020 bis 11.4.2021 in der Ausstellung Wild Thing – Modeszene Schweiz im Museum für Gestaltung Zürich vertreten, an der auch die Mode Suisse in freundlicher Partnerschaft teilnehmen wird. Die 18. Edition der Mode Suisse startete am 7. September 2020 in Zürich und endet am 21. November 2020 in Genf. Mehr Informationen auf modesuisse.com.
Titelbild: zvg Mode Suisse GmbH