POWER COUPLESLiebe nach Marktwert

Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Und erfolgreiche Frauen scharen immer häufiger starke Männer hinter sich. Dabei haben wir Frauen längst die Wahl. Wir müssen nicht den Prinzen knutschen, der Kröte kaufen wir von unserem eigenen Geld schöne Kleider. Aber warum tun wir es dann nicht?

Powercouples: Das Geheimnis ihrer Beziehung

Okay, du hattest das Oval Office 10 Jahre und ich hab zu dir gehalten, als du diese saudumme Sache mit der irren Praktikantin angestellt hast. Jetzt bin ich dran, Bill. Zieh dir einen schönen Anzug an und lächele. Schliesslich wirst du 2016 Amerikas First Man.» «Okay Hillary, aber diesmal solltest du wirklich besser auf dich Acht geben. Letztens bist du etwas dick geworden. Du solltest mit mir Joggen kommen.» So stellen wir uns das jedenfalls vor, laufen zuhause bei den Clintons die Küchengespräche ab. Schliesslich gehören Hillary und Bill Clinton zu den emanzipierten Paaren, die einst hinter Büchern in der Universitätsbibliothek knutschend, heute gleichermassen die Welt beherrschen. Und wir bewundern diese Power Couples dafür.

Das Geben und Nehmen der beiden funktioniert vielleicht so gut, weil sie sich so ähnlich sind. Sie haben beide eine gute Ausbildung, sie haben beide grosse Ziele und sie unterstützen einander auf dem Weg nach oben. Smart? Sehr. Aber auch liebevoll? Muss Hillary Clinton die Lewinsky-Affäre nicht nur furchtbar gedemütigt, sondern auch enttäuscht haben? Der realistische Blick auf Liebe, Intimitäten und Monotonie in der Monogamie hilft. Es war nur körperlich, es war nicht von Bedeutung. Man hat grössere und gemeinsame Ziele, eine kleine Affäre kann das nicht kaputt machen. Aber wenn das nicht mehr von Bedeutung ist, was passiert dann mit der Liebe?

Sheryl Sandberg, die Geschäftsführerin von Facebook und Autorin der Karrierefibel «Lean in Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg» hält die ebenbürtige Partnerwahl für einen der wichtigsten Schlüsselpunkte auf dem Weg nach oben. Frauen, die beides wollen, Karriere und Kinder, sollten sich einen Mann aussuchen, «der denkt, Frauen sollten klug, von sich selbst überzeugt und ehrgeizig sein. Jemand der gleichberechtigte Teilhabe schätzt, oder besser, jemand der seinen Anteil zuhause erledigen will. Diese Männer gibt es und vertrauen Sie mir, mit der Zeit ist nichts mehr attraktiv.»

So geht also Emanzipation und Liebe im 21. Jahrhundert. Augen auf bei der Parterwahl! Denn Liebe ist ein Geschäft. Und funktioniert nach den Regeln des Marktes. Sie gibt, er gibt. Da scheint es doch nur vernünftig, dass wir unsere Partner so auswählen, dass keiner beim Tauschgeschäft den Kürzeren zieht.

«Mit der Liebe verhält es sich wie mit dem Markt»

Auf der Single-Partnerbörse shopaman.de wird das besonders anschaulich praktiziert. Liebe wird hier feil geboten wie Schuhe bei Zalando. Die Produkte sind Single-Männer von «Modern bis Vintage» (ü30, ü40, ü 50,...). Die Nachfrage bzw. die «Shopaholics» sind die Ladies. Das klingt so überdreht, da wollten wir mal gucken. Profil angelegt und dann ging es auch schon auf Shoppingtour. Lauter gutaussehende Kerle wollen in unseren Einkaufswagen hüpfen, denn erst dann dann dürfen Sie uns kontaktieren. Es herrscht Damenwahl. Wir dürfen natürlich auswählen, wie die Herren der Schöpfung vorsortiert werden. Wir entscheiden uns für Qualität! Herkunft, Neuheit oder Alter sind uns egal. Da ist zum Beispiel Bernhard (29) aus Salzburg mit Fliegerbrille im Profilbild, dahinter versteckt er seine blauen Augen. Das fanden schon mal ziemlich viele Frauen interessant, denn aus einem Algorithmus aus 128 Besuchen seines Profils, 50 aus Spazierfahrten im Einkaufswagen und 7 Foto-Komplimenten ergibt sich ein höherer Marktwert als 77 Prozent aller anderen Männer, äh verfügbaren Produkte. Unser Blick fällt aber auf Emil (29). Stupsnase, Hipsterbrille, Dreitagebart, Ryan-Gosling-Mund, Tattoos... Kein Wunder, dass 99 Prozent aller übrigen Männer einen niedrigeren Marktwert als Emil haben. Emil ist nämlich nicht nur gefährlich gutaussehend, sondern auch Fotograf, Adrenalin-Junkie und Neffenbespasser. Auf schnelle Sachen ist er auch nicht aus, sondern lieber was Festes. Ein echter Catch! Aber warum, will Emil online geshoppt werden? Könnte er nicht einfach in eine Bar gehen?

Wir wollten Emil fragen, aber unsere Kreditkarte war am Limit. Nachrichten schreiben, geht auf Shopaman nämlich nur, wenn man seine Credits auflädt. Schon wieder müssen wir hoffnungslosen Romantikerinnen erfahren: Liebe ist ein Deal. Es geht um Zahlen (unter den 1 Prozent mit dem höchsten Marktwert), Daten (Fotograf, Sportler, 29 Jahre, Nichtraucher) und um Fakten (er mag Kinder und er will sich binden). Aber wo bleibt da die Romantik des Zufalls? Wie sollen wir später erzählen, wie wir uns gefunden haben? Nee, der süsse Typ mit dem ich mich beim Migros im selben Moment über die Pastinaken gebeugt habe, war nur ein arbeitsloser Künstler. Dein Papa hatte einfach mehr Häkchen auf meiner Wunschliste.

«Mit der Liebe verhält es sich wie mit dem Markt. Frauen und Männer begehren immer das am meisten, was knapp ist» erklärt die israelische Soziologin Eva Illouz. Was uns zufällt, wollen wir nicht. Nur das, was sich uns entzieht, finden wir spannend. Das Internet hat uns bei der Partnersuche mehr Möglichkeiten verschafft, aber gleichzeitig auch die Qual der Wahl vergrössert. Menschen binden sich vor allem deshalb immer später, aber auch häufiger, weil wir passend zu unserem eigenen Marktwert nachdem bestmöglichen Angebot suchen.

Aber um Geld ging es doch irgendwie schon immer. Und um Macht, Status und Abgrenzung. Ob zu Zeiten unserer Mütter, Grossmütter oder noch viele früher, zu Zeiten der Steinzeitmenschen. Kluge Neandertalerinnen suchten sich einen starken Jäger, das Burgfräulein einen reichen Prinzen, später war der Vorstandschef mit Sportwagen das Objekt der Begierde. Dieses so genannte «Aschenputtel-Prinzip» war lange Zeit Gang und Gebe und oft die einzige Möglichkeit für Frauen aus niedrigeren sozialen Schichten aufzusteigen. Stewardessen heirateten sich ins Cockpit ein, Krankenschwestern in die Chefarztetage und Sekretärinnen in den Vorstand. «Frau von» war ein begehrenswerter Titel.

Foto: Netflix

Und das ist heute nicht viel anders geworden. Es geht noch immer um Macht, Status und Anerkennung, mit einem entscheidenden Unterschied: Die Vertragspartner begegnen sich auf Augenhöhe. Ob Bill und Hillary Clinton, Jay Z und Beyoncé, oder Herr und Frau Schweizer: In modernen Beziehungen gibt es in finanziellen, bildungstechnischen oder sozialen Fragen immer weniger Ungleichgewichte. Reich heiratet reich. Erfolgreich liebt erfolgreich. Unabhängig trifft unabhängig. Niemand braucht sich mehr hoch-heiraten. Stattdessen reichen Frauen ihren Männern das Wasser. Und fusionieren gemeinsam zu einem erfolgreichen Wirtschafts-, Haushalts- und Liebes-Team und werden damit noch stärker, mächtiger und angesehener, Power Couples eben. Und das aus gutem Grund.

Aber wo ist all die Freiheit hin? Immerhin müssen Frauen heute nicht mehr den dicksten Fisch heiraten, sondern können auch die arme Kröte wählen. Wir können frei entscheiden, doch warum tun wir es dann nicht? Warum wählen wir unsere Liebe noch immer nach dem Marktwert? Weil wir alles wollen. Das Gefühl für einen anderen Menschen einzigartig zu sein, aufregende Momente, die den Alltag durchbrechen, den Seelenverwandten, die Lebensversicherung, den Fallschirmsprung, den windelwechselnden Vater, die Hausapotheke, das gemeinsame Frühstück am Sonntagmorgen, nebeneinander Pinkeln und Zähneputzen. Doch der Widerspruch von Freiheit und Sicherheit, den unser Liebesbedürfnis in sich trägt, ist ein schmaler Grad. Viele stürzen dabei ab. Und besonders häufig Paare bei denen das Ungleichgewicht in Geld-, Karriere- und Bildungsfragen gross ist.

Denn je mehr Paare miteinander teilen - das Haus, die Kinder, den beruflichen Aufstieg -, desto grösser werden die alltäglichen Verpflichtungen. Es bleibt kaum noch Zeit für das Paarsein, aber auch für das sich selbst sein. Aus dem Gleichklang der Herzen, wird der Gleichklang der Tage. Doch nichts scheint uns so giftig für eine Beziehung wie die Langeweile. Wer es sich im wahrsten Sinne des Wortes leisten kann, den Alltag an Babysitter, Haushaltshilfen und Handwerker outzusourcen, hat in einer langen Beziehung grössere Chancen auf ein Rendezvous mit dem Ehepartner. Ein Powercouple zu sein, ist immer noch eine Frage von Bildung und Einkommen.

Ist es wirklich die grosse Liebe oder der gemeinsame Eintrag ins Grundbuch?

Und dabei geht es nicht in erster Linie um den Kontostand, sondern wer wie darüber verfügt. Geld ist eine Machtfrage. Wer das Geld nachhause bringt, glaubt meist, dass er auch darüber entscheidet, wie es ausgegeben wird, verriet Finazcoach Bianca Lechner der FAZ. Frauen sowieso, Männer immer mehr, macht es in modernen Gesellschaften kaum noch etwas aus, weniger zu verdienen als der Partner. Streit entfacht sich vielmehr daran, dass sich Partner mit niedrigerem Einkommen nicht genügend wertgeschätzt fühlen. Wenn der Mehrverdiener nämlich das höhere Gehalt als Blankoscheck versteht, Haushalt und Kindererziehung allein dem Partner überlassen zu können. Diese Beziehungen gehen gut, wenn beide Partner die gegenseitige Anerkennung spüren und Selbstbewusstsein tanken können. Fehlt sie, leidet die Beziehung, aber man versucht durchzuhalten, wegen der Kinder, aber vor allem dem gemeinsamen Haus. Der Soziologe Michael Wagner konnte belegen, dass Paare, die eine gemeinsame Immobilie besitzen, sich seltener scheiden lassen, als wirtschaftlich nicht verstrickte Paare. Sogar seltener als Paare mit gemeinsamen Kindern. Besitz bindet! Oder müsse es vielleicht nicht besser heissen: Besitz fesselt. Hat uns das Beziehungsmodell unserer Grossmütter nicht gelehrt, wie nüchtern, aber fest eine aus wirtschaftlichen Gründen geschlossene Partnerschaft sein kann?

Denn diesen Partnerschaften fehlte oft ein entscheidendes Element, dass uns Power Couples voraus haben. «Heirate niemals einen Mann von dem du nicht getrennt sein wollten würdest», rät die Autorin Nora Ephron des vielleicht romantischsten Liebesfilms Harry und Sally. Das klingt furchtbar, aber wohl der häufigste Grund, warum Liebe scheitert. Verlieben ist ganz leicht. Sie am Leben zu halten ist die Kunst. Und wie sollen wir lieben, wenn wir es nicht freiwillig tun, wenn uns der Häuserkredit, der berufliche Ausstiege für die Kinder oder mangelndes Selbstwertgefühl an einen Menschen fesseln? In der Liebe müssen wir für das gemeinsame Ziel Kompromisse machen, aber manchmal ist der Preis zu hoch. Denn Liebe ist eben doch ein Deal, ein ganz grosser.

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