Finger weg Was du über toxische Beziehungen wissen solltest

Das Wort toxisch begegnet uns beinahe täglich: Sei dies in Gesprächen oder auf Social Media. Scheinbar alles, was uns nicht gerade in den Kram passt, ist toxisch. Auch Beziehungen und Personen werden schnell als toxisch abgestempelt. Doch was bedeutet das eigentlich? Wann kann wirklich von toxischen Beziehungen gesprochen werden? Wir verraten dir, was du über das kleine Wort mit scheinbar grosser Bedeutung wissen musst.

Eine Zeichnung zeigt zwei Menschen, die die Arme verschränkt haben und mit den Rücken aneinander stehen.
EToxische Beziehungen können schlimme Auswirkungen auf unser Wohlbefinden haben. © nadia_bormotova / iStock / Getty Images Plus

Giftig – so scheint derzeit alles in unserem Leben zu sein. Auch Beziehungen werden bei nicht korrektem Verhalten sehr schnell als toxisch abgestempelt. Das liegt daran, dass toxisches Verhalten keine klare Definition hat.

Es existiert zwar keine einheitliche Definition für toxische Beziehungen, doch lassen sich diese häufig an manipulativem oder grenzüberschreitendem Verhalten erkennen. Das kann körperlich ebenso wie seelisch passieren. Oft langsam, schleichend und so subtil, dass wir es manchmal kaum merken. Hier kommen häufige Anzeichen und Tipps, die auf eine toxische Beziehung hindeuten können.

Disclaimer: Ups und Downs gibt es in jeder Beziehung. Es ist wichtig, die Beziehung differenziert anzuschauen. Dabei spielt es vor allem eine Rolle, wie lange diese toxische Spirale schon anhält und wie sich deine Partnerin oder dein Partner sonst verhält. Ein Gespräch bei einer Psychologin oder einem Psychologen kann dir helfen.

Was ist eine toxische Beziehung?

Als toxisch werden Beziehungen bezeichnet, die uns über einen längeren Zeitraum einschränken. Dies zeigt sich vor allem dadurch, dass du dich nach einem gemeinsamen Treffen oft schlechter fühlst als zuvor. Du hast das Gefühl, dass dir die Beziehung Energie raubt, statt dass sie dir gut tut.

Bist du oft traurig, verunsichert, fühlst dich missverstanden oder von deinem Partner oder deiner Partnerin gar klein gemacht? Kurz gesagt: Bist du viel mehr unglücklich als glücklich in deiner Beziehung? Dann steckst du möglicherweise in einer toxischen Beziehung.

Über Frank Urbaniok

Frank Urbaniok
© zVg

Prof. Frank Urbaniok lehrt an den Universitäten Konstanz und Zürich und gilt als international führender Experte für forensische Psychiatrie und Psychologie mit dem Schwerpunkt Gewaltdelikte. Er ist derzeit als Buchautor, Psychotherapeut, Gerichtssachverständiger, Supervisor und Berater für Unternehmen und Führungskräfte tätig.

Was ist eine toxische Person?

«Du bist so ein toxischer Mensch.» Aussagen wie diese sind verletzend und sollten nicht leichtfertig getätigt werden. Oftmals ist toxisches Verhalten nämlich nicht personenspezifisch, sondern verbunden mit einer Dynamik zwischen zwei oder mehr Personen. Denn nur, weil jemand etwas gemacht hat, dass dir nicht passt, heisst das noch lange nicht, dass es sich um eine toxische Person handelt. Von Menschen mit toxischem Verhalten kann dann gesprochen werden, wenn sie ihre Mitmenschen über längere Zeit ausnutzen, beleidigen, drohen oder wenn sie sehr selbstsüchtig sind.

Manchmal geht es «toxischen Menschen» darum, Macht auszuüben. Sie streben eine dominante Position an, indem sie Personen und Situationen stark kontrollieren. Nicht selten geschieht es, dass sie ihre Partnerin oder ihren Partner von sich abhängig machen.

Frank Urbaniok, Experte für forensische Psychiatrie und Psychologie sagt aber auch, dass toxisches Verhalten viel weitreichender sein kann und sich auf unterschiedlichste Weisen in einer Beziehung zeigen kann. «Es gibt viele problematische Persönlichkeitsprofile, die zu grenzüberschreitendem, toxischem Verhalten in Beziehungen führen können.»

Folgende Punkte können auf ein toxisches Verhalten hindeuten, die Liste ist aber bei Weitem nicht komplett:

  • Ein Gefühl von Grandiosität der eigenen Person
  • Niedriger und fragiler Selbstwert
  • Angewiesen auf Bewunderung von aussen (zur Stabilisierung und Aufwertung des Selbstwertes)
  • Fehlende Empathie
  • Manipulatives Verhalten
  • Tendenz zur Überhöhung einerseits und Abwertung andererseits
  • Gewaltbereitschaft (sowohl psychisch als auch physisch)
  • Gesteigerte Eifersucht

Hast du Gewalt erlebt?

Menschen, die in ihrer Beziehung Gewalt erleben, geraten oft in eine Spirale und können sich nicht von ihrem Partner oder ihrer Partnerin lösen. Oftmals sind Frauen davon betroffen. Herr Urbaniok rät, dies nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Wenn es immer wieder zu Gewalt kommt, ist folgende Überlegung ein Warnsignal: «Wenn ich eine Anzeige mache, reize ich den Partner resp. die Partnerin und dann wird es noch schlimmer.» Dieser Gedanke ist ein sicheres Anzeichen dafür, sofort Anzeige zu erstatten, um den Teufelskreis zu durchbrechen  und Grenzen aufzugzeigen.

Für Hilfe steht dir die Opferhilfe Schweiz jederzeit zur Seite.

Wie bemerke ich, dass ich in einer toxischen Beziehung stecke?

In vielen Fällen merkt man erst spät, dass die eigene Beziehung toxisch ist. Folgende 8 Punkte können dir helfen, einzuordnen, wie es um deine Liebe steht.

Du bist für alles allein verantwortlich

Streit und Uneinigkeiten kommen in den besten Beziehungen vor. Bei toxischen Beziehungen wird dabei aber ausschliesslich dem Partner respektive der Partnerin das Gefühl gegeben, die alleinige Schuld zu tragen.

Wenn immer nur du diejenige Person in der Beziehung bist, die für das Beziehungsglück und eben auch -unglück verantwortlich sein soll, kann das auf eine toxische Beziehung hindeuten.

Euere körperlichen Aktivitäten verändert sich

Auch die Intimitäten zwischen euch können sich durch toxisches Verhalten in Beziehungen verändern. Das kann sich ganz unterschiedlich zeigen, weiss Herr Urbaniok: «Es ist möglich, dass die Freude daran zurückgeht oder sie im Gegenteil immer wieder benutzt wird, um die Probleme zuzudecken.»

Deine Vitalquellen werden geraubt

Vitalquellen sind all die Dinge – Hobbys, andere Menschen oder Eigenschaften –, die dich im Leben glücklich machen. Wenn deine Partnerin oder dein Partner dir diese Dinge nach und nach vermiest, sie schlechtredet, missbilligt oder sonst irgendwie versucht, von dir abzuschirmen, kann das als toxisches Verhalten bezeichnet werden.

Du kannst nicht du selbst sein

Du sagst fast nie, was du wirklich fühlst, sondern versuchst, eine Antwort zu geben, die deinen Freund oder deine Freundin bei Laune hält. Du tust das deswegen, weil Du sonst runtergemacht wirst. Du trägst dein Lieblingskleid nicht mehr, weil der Mensch, den du liebst, es zu aufreizend findet. Du fühlst dich in seiner Gegenwart häufig unwohl? Dann kann das ein Anzeichen für eine toxische Beziehung sein.

Ihr streitet häufig und sehr fest

Streit gehört dazu – und zwar auch zu einer guten Beziehung. Denn Auseinandersetzungen können Paare nach einer erfolgreichen Klärung sogar näher zusammenbringen.

Die Streitdynamik kann ein Indiz dafür sein, ob ihr eine toxische Beziehung führt.

In toxischen Beziehungen gibt es zu viel Drama

Auch zu viel Streit ist schlecht. Aus jeder Mücke einen Elefanten machen? Ob ein kleiner Streit, der aufgebauscht wird oder vielleicht dein Zuspätkommen um wenige Minuten, das dir ewig vorgehalten wird: Wenn dein Gegenüber aus allem ein Riesendrama macht, schadet das nachhaltig eurer Beziehung.

Du freust dich nicht mehr

Geteilte Freude ist doppelte Freude – doch nicht in toxischen Beziehungen. In solchen Konstellationen verursacht die Freude des Partners Angst; und zwar vor allem dann, wenn sie ihren Ursprung nicht in der Beziehung hat, sondern aus einem eigenständigen Erlebnis des Partners oder der Partnerin rührt. Erfolge und schöne Erlebnisse werden daher weniger geteilt.

Deine Gesundheit leidet

Bist du über längere Zeit in einer toxischen Beziehung oder toxischem Verhalten ausgesetzt, kann sich dies auch in deiner psychischen und physischen Gesundheit zeigen. «Häufig führt eine toxische Beziehung bei einem der Beteiligten mit der Zeit zu Symptomen wie erhöhter Nervosität, Schlafstörungen, Angst, Konzentrationsstörungen, sozialem Rückzug bis hin zu Depressionen», so Herr Urbaniok.

Kann eine toxische Beziehung gerettet werden?

Ob und wie eine toxische Beziehung gerettet werden kann, hängt immer davon ab, wie gewillt Partnerinnen und Partner sind, diese toxischen Strukturen aufzulösen. Eine weitere wichtige Frage ist, wie sehr beide Personen in der Beziehung ihre Anteile an der schwierigen Dynamik wirklich anerkennen – und wie sehr sie gewillt sind, für ihre Anteile die Verantwortung zu übernehmen.

Wie geht es nach einer toxischen Beziehung weiter?

Wie es nach einer toxischen Beziehung weitergeht, ist sehr individuell. Es kann durchaus sein, dass du den Kontakt nicht von einem Tag auf den anderen ganz abbrechen kannst. Sehr wichtig ist jedoch, dass du die Möglichkeit für weitere Manipulationen und Grenzüberschreitungen verhinderst und dich davor schützt. Auch therapeutische Unterstützung kann in solchen Situationen sehr hilfreich sein.

Wichtig ist ausserdem, sich in einer therapeutischen Begleitung mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Muster es sind, die dich gegebenenfalls immer wieder in solche Beziehungen bringen.

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