Cervo Mountain ResortHoteltest: Sind Luxus und Nachhaltigkeit widersprüchlich?
Der Begriff Nachhaltigkeit findet sich heutzutage in nahezu jeder Pressemitteilung. Chefredakteurin Luise Pomykaj hat getestet, ob und wie das neu eröffnete CERVO Mountain Resort diesen Begriff umsetzt.

Anfang Dezember durfte ich das Walliser Fünfsterne-Hotel Cervo Mountain Resort in Zermatt besuchen – pünktlich zur Wiedereröffnung nach dem Um- und Neubau während des Covid-Sommers. Ziel dieses Umbaus war es, den alpinen Lebensstil neumodern zu interpretieren und in Sachen Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit noch eine Schippe drauf zu setzen. Ob dies gelungen ist? Hier kommt mein Erfahrungsbericht.
Das Cervo thront oberhalb des Zermatter Dorfkerns – eine tolle Aussicht auf die Bergwelt, ist damit schon mal gegeben. 54 Zimmer und Suiten, verteilt auf neun Lodges, sollen für jeden Anspruch das Passende bieten. Mein Bedürfnis an diesem Dezemberwoche war es, neben des ausführlichen Hoteltests für euch Leser, vor allem abzuschalten vorm bevorstehenden Weihnachtstrubel. Und das am liebsten – apropos Trubel – etwas abseits vom grossen Geschehen. Covid hat uns in Sachen Menschenansammlungen eben vorsichtig gemacht.
Die private Bar im Wohnzimmer steht allzeit bereit
Dieses Bedürfnis wurde beim Betreten der Zimmer (ja, Mehrzahl) der «Alpinist» Suite sofort erfüllt: Ich werde von grosszügigen Räumen mit warmer Holzverkleidung, schlichten Farben und natürlichen Materialien empfangen und spiele direkt mit dem Gedanken, diese stilvollen Räume das gesamte Wochenende gar nicht mehr zu verlassen. Die private Bar im Wohnzimmer hätte dies sogar möglich gemacht: Kafi, Snacks und sogar Drinks zum Selbermixen, stehen hier allzeit bereit. Eine elegante Küchenzeile gibt es auch und der Blick aus den Fenstern richtet sich direkt aufs Matterhorn. Was will man also mehr?

Lässt keine Wünsche offen: Die Wohnzimmer-Bar im «Alpinist». Foto: zvg
Aber ich war ja schliesslich zum Entdecken hier – ganz im Sinne des Claims des Mountain Resorts: «Beyond Exploring». Nach kurzem Erkunden des Hotelzimmers, sollte es also unten im hoteleigenen Restaurant Bazaar weitergehen.
Unter die Lupe genommen: die nachhaltige Philosophie des Cervos
Zunächst glich ich jedoch das, was ich auf der Anreise in der Pressemitteilung gelesen hatte, mit den Details im Hotelzimmer Alpinist ab: «den alpinen Lebensstil neumodern interpretieren und das im Sinne der Nachhaltigkeit». Neumodern ist auf jeden Fall schon mal der in der Wand eingelassene Kaminofen, durch dessen Glas man in das Schlafzimmer mit gemütlichem Bett aus dem Hause Hästens blicken kann. Das Trendbewusstsein zeigt sich auch in den coolen Subway Tiles im Badezimmer neben der stylishen und vor allem organischen Soeder Seife im ikonischen Apothekerglas.

Der Kaminofen im Alpinist des Cervo Mountain Resorts. Foto: Felix Faupel
Ein altmodischer Lautsprecher neben einem noch altmodischeren Telefon im Wohnzimmer soll dagegen wohl nicht nur den passenden Sound abgeben, sondern auch für die traditionellen Werte des alpinen Lebensstils stehen. So auch der robuste Holztisch des Wohnzimmers, das Karo des Hästens Bettes und die Landjäger Wurst in der Minibar. Der Mix von Alt und Neu, Tradition und Moderne, passt schon mal gut zusammen. Und meine persönliche alpine Krönung: Am Schlafzimmer-Fenster führt die Talabfahrt entlang – die Vorfreude aufs Skifahren steigt damit immens.
Allein nur fürs Skifahren bin ich aber ja nicht hergekommen. Ich möchte herausfinden, ob das mit der Nachhaltigkeit bei einem so luxeriösen Hotel überhaupt funktioniert. Im Hotelzimmer bereits bemerkt, habe ich die LED Lampen und zwei Abfalleimer zum Trennen von Recycling und Restmüll. Auch das Roomservice-Food befindet sich in recycelten Behältern und es gibt ausschliesslich Glaskaraffen oder Thermoflaschen To Go. Aber gibt es mehr?
Ich nehme meinen Besuch in einem der drei hauseigenen Restaurants zum Anlass, es herauszufinden. Am ersten Abend darf ich im «Bazaar» dinieren und stelle auch hier gleich fest, dass das Konzept und die Philosophie greifen: Die Inspirationen fürs Essen kommen im Sinne des «beyond exploring» aus der ganzen Welt.

Moderne Subway Tiles im Badezimmer. Foto: zvg
Das Restaurant Madre Nostra bietet italienische Spezialitäten, das «Ferdinand» ist traditionell schweizerisch und das Bazaar ist beispielsweise von den lebhaften Märkten des Orients inspiriert. Ich bestelle dort verschiedene kleine Gerichte zum Probieren. Mein Favorit ist das Gericht Papdi Chaat von der nordindischen und tibetischen Rubrik des Menüs – Süsskartoffeln mit Yoghurt, Dattel-Chutney und Tamarinde.
Die Gerichte im Bazaar sind 100% vegetarisch und vegan – ein weiterer Punkt in Sachen Nachhaltigkeit: Das kulinarische Angebot des Hotels besteht zu über 50 Prozent aus vegetarischen Gerichten und die Fleisch- und Milchprodukte stammen ausschliesslich aus der Schweiz.

Gerichte aus dem «Bazaar», eines von drei Cervo Restaurants. Foto: zvg
Dies bemerke ich auch am nächsten Morgen beim Brunch, wo ich Lukas Meier, Hotel Manager des Cervos, treffe und ihn etwas ausfrage. Ziel sei es, die gesamte Wertschöpfungskette auf eine nachhaltige und umweltschonende Weise zu gestalten – dies käme schliesslich nicht nur der Natur, sondern auch uns Menschen zugute. Damit es auch in Zukunft heissen kann «beyond exploring». So schliesst sich also wieder der Kreis des Claims. Ich kann einen Haken dahinter setzen.
Lifestylig und schick sind die Aufbereitungen des gesamten Hotels, von der Inneneinrichtung bis zu den Gerichten auf dem Tisch. Aber wo kann ich den Nachhaltigkeitsaspekt ausser beim Interior und beim Essen beobachten, um auch wirklich sagen zu können, dass dies nicht bloss Zweck des Marketings ist? Ich vernehme berechtigten Stolz in Lukas’ Stimme, als er darauf antwortet, dass das Cervo Mountain Resort als erstes Walliser Hotel mit dem Nachhaltigkeitslabel ibex fairstay ausgezeichnet worden sei. Mit Gold – das ist die zweithöchste Stufe, die beim Erfüllen nachhaltiger Betriebsführung laut Kriterienkatalog erreicht werden kann.
«Was man als Gast vielleicht nicht so auf den ersten Blick sieht, sind zum Beispiel die in die Balkone integrierten Solarzellen», so Lukas. Eine ressourcenschonende Heizung ist zudem Teil des neuen Energiekonzepts, welches beim Umbau umgesetzt wurde, um noch stärker auf die nachhaltige Selbstversorgung einzugehen.
Ein Luxushotel als Selbstversorger? Enorm spannend.
Auffälliger sind die lokalen Materialien – später im Mountain Ashram Spa des Hauses wird man mir erzählen, die kunstvoll verkohlten Holzplanken an den Wänden seien aus Deutschland importiert worden und auch für den Rest hätte man auf lokale und vor allem Schweizer Materialien gesetzt. Dabei sind all die Elemente der Inneneinrichtung auf Langlebigkeit ausgerichtet.
Ein Luxushotel als Selbstversorger? Enorm spannend. Ich möchte mehr erfahren. Mit der eigenen Erdwärmepumpe, einem modernen Wärmerückgewinnungssytem und Photovoltaik – also der Umwandlung des Sonnenlichts mittels Solarzellen in elektrische Energie – kann das Cervo bis zu 95 Prozent des Energiebedarfs für Warmwasser und Heizung selbst abdecken. Ein Grossteil des verbrauchten Warmwassers wird zurückgeleitet und erneut für die Energiegewinnung verwendet. Beeindruckend. Und überraschend – weil mich der trendige Look zunächst skeptisch machte. Aber aussen hui ist hier auch innen hui.
Fazit: Das Cervo Mountain Resort setzt Nachhaltigkeit und den Menschen ins Zentrum
Nicht nur kulinarische Welten und das interessante Nachhaltigkeitskonzept gibt es im Cervo zu erkunden. Auch sich selbst soll man mal wieder Aufmerksamkeit schenken – um sich selbst zu entdecken.

Sauna in der etwas abgelegnen «Huntsman» Lodge. Foto: zvg
Dafür bietet sich der Mountain Ashram Spa des Cervos an, in dem neben Aussenpool und Onsen mit Blick aufs Matterhorn, Sauna und Ruhezone mit Kamin, auch verschiedene Treatments oder Yogakurse gebucht werden können. Genau das richtige Angebot neben der Action, die die Berge mit Wandern, Skifahren, Mountainbiking oder Paragliding bieten.
Bei den Kosmetikprodukten im Spa gilt es ebenfalls, kleine und lokale Anbieter zu untersützen – dies sei dem Gastgeber des Cervos, Hotelier Daniel F. Lauber, besonders wichtig. Für ihn steht der Faktor Mensch im Zentrum und damit auch all seine Lieferanten und Mitarbeiter. Ich denke kurz darüber nach, ob ich auch anhand des Services nachhaltige Aspekte bei meinem Besuch wahrgenommen habe und tatsächlich: Das Team war freundlich und ausgeglichen, selbst am etwas stressigen Eröffnungswochenende. Und was mir besonders gefiel: auch mit den Ressourcen im Hotelzimmer wurde sparsam umgegangen – die Hotelschlappen wurden nicht bei jedem Saubermachen neu und in Plastikfolie ersetzt, Seife und Shampoo befinden sich in Glasbehältern und der Spa-Bereich wirkt traditionell reduziert. So scheinen auch alle Mitarbeitenden die Philosophie der Nachhaltigkeit verinnerlicht zu haben. Und: Das Cervo engagiert sich bei der Organisation «Lebensraum Zermatt». Hier werden Aktivitäten, wie der Community Table (Suppentisch) oder den Sustainable Days im Dorft organisiert.
Zum Abschluss frage ich den Hotel Manager, wie es weitergehen soll
Das Cervo zeigt damit, dass Luxus nichts mit Verschwendung zu tun hat sondern mit nachhaltigem Genuss einer hohen Qualität und dem bewussten Erleben und «exploring». Zum Abschluss frage ich Hotel Manager Lukas, wie es weitergehen soll in Sachen Nachhaltigkeit. Die Antwort kommt erneut prompt: Das Hotel möchte anhand der Supply Chain Partner und Lieferanten für ein nachhaltiges Engagement mit ins Boot holen und träumt davon, eines Tages ein Zero Waste Hotel zu sein.
Ich bin gespannt und mehr als zuversichtlich.
Titelbild und Artikelbilder: zvg