Mein Konto vs. Mein KarmaHappy Downsizing
MALAFEMMINA KOLUMNE In einem früheren Leben war ich Werbetexterin, verdiente gut, hatte ein Auto und ein 250 Quadratmeter Apartment an der Goldküste. Seit meiner Midlife Crisis, bin ich arm, fahre E-Bike und esse Gemüse aus meinem Garten.

Ja, es ist wahr, ich bin ein Klischee. Hätte ich keine Scheidung erlebt, wäre ich ein oberflächlicher Mensch geblieben und wäre nicht einer existenziellen Sinnkrise zum Opfer gefallen. Diese war umso härter, weil Pre-Menopause, ausziehende Kinder und explodierende Cellulite sowieso schon an der Ecke lauerten, um mein Gute-Laune-Leben zu killen. Ich fiel also ins Bodenlose wie so viele geschiedene Frauen zwischen und 40 und 50. Und ich probierte verzweifelt wieder Fuss zu fassen. Ich outete mich als Platin-Member im Club der Menopausen-Melancholikerinnen.
Das tönt nicht aus Zufall wie ein Werbetext, ich bin ja eine Texterin im Dienste von Unternehmen und habe diese Sicht total verinnerlicht. Ich begann also Yoga, Selbstentfaltungen auf Bali und diverse Familienstellungen zu konsumieren und dann passierte etwas Interessantes. Je weiter weg ich mich von der glitzernden Glamour-Gedanken-Welt der Werbung bewegte, die für jede Falte ein Gesichtwasser und für jede Krise eine Frühstücksflocke parat hält, desto mehr interessierte mich das Sein und nicht mehr das Haben. In meiner neuen Lebensphase wollte ich unbedingt ein besserer Mensch werden, ohne die alten Fehler, Kompromisse und das werberische Schönschwätzertum. Ein bisschen wie bei den Beatles, als sie die Pilzköpfe wuchern liessen und mit ihrem Guru im Yellow Submarine durch neue Dimensionen schwammen.
The simple life
Vielleicht kennen Sie das auch: Kaum erlebt man einen Augenöffner, muss man gar nicht mehr Ausschau halten nach Bestätigungen, sie flogen mir einfach um die Ohren. Ich las in Hochglanzmagazinen Autoren-Artikel zum Thema Abstieg ins Glück und Portraits über den Heiligen Franziskus von Assisi, der für Manager als Vorbeter eines authentischen Lebensstil den Weg wies. Ich war fasziniert. Und probte 25 Jahre nach meinem ersten Aufbruch in die Werbewelt, den Aufbruch in die Authentizität.
Weg mit dem Auto, mit der grossen Wohnung, mit der Putzfrau, mit den ausgedehnten Shoppingtouren, mit der Schuhsucht, mit den stundenlangen Telefonaten mit Freundinnen. Her mit Spiritualität, Bewusstsein, Ganzheitlichkeit und Karma. Mein Konto freute sich weniger, weil mein ganzes Netzwerk mich als lustige Werberin kannte und meine Nett-Worker zwar mit Kopfnicken meine nachhaltigen Thesen quittierten, aber die Aufträge dann irgendwie doch ausblieben.
Keine Angst: Askese war ja mein neues Motto, also werde ich auch mit Kleinstbudget und Gemüse aus dem Schrebergarten glücklich werden, sagte ich mir. Ich sattelte auf ein E-Bike um und sparte das Geld für die S-Bahn. Die ganze Wirtschaftskrise gibt mir natürlich Aufwind, mein einfacher Lebensstil wirkt vorbildlich. Und er hat mir neue Türen im Denken geöffnet. Ich verkaufe jetzt keine Pralinen, Lebensversicherungen oder Slow Food Kichererbsen, sondern meine Sicht der Welt. Mit Style, versteht sich. Das ist unbezahlbar viel Wert. Für mich und mein Karma. Aber, pssst, sagen Sie bitte meinen Freunden in der Werbung, ich bräuchte dringend ein paar Jobs.
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Malafemmina
Steckbrief Malafemmina
Malafemmina ist eine blutjunge Seele in einem 49 Jahresringe zählenden Körper, die denkt, dass Denken völlig überbewertet ist.
Vita: Werbetexterin/Konzepterin, Kolumnistin, Dozentin, Coach, Mutter, Napoletanische Seconda, Selbständige Unternehmerin, Möchtegern-Autorin, Ex-Raucherin, Geschieden, Schrebergärtnerin
Soulmates: Carrie und Co., Elizabeth Gilbert J.K. Rowling, Miuccia Prada, Jane Campion, Tilda Swinton, Scarlett O’Hara, Vivienne Westwood, Anna Wintour, Diane Keaton, Angelina Jolie, Judy Dench, Stephenie Meier, Milena Moser, Miss Friday,?Sigmund Freud, Friedeman Schulz von Thun, Vasco Rossi
Lieblingsdroge: Humor ist ihr Prozac
Lieblingslinks: Huffingtonpost.com, Fem.com, Michaellutin.com, facebook.com, Ted.com
Foto: Satya (CC BY-NC-ND 2.0) via Flickr