Alltagsheldinnen3 Schweizer Frauen, die uns inspirieren
Zum Weltfrauentag erscheint das neue Buch von Susanna Schwager «Das halbe Leben – Junge Frauen erzählen». Darin porträtiert sie acht junge Schweizer Frauen. Geschickt gelingt Schwager in den Texten die Balance zwischen eigener Interpretation und individueller Tonalität. Die Geschichten von Rapperin Steff la Cheffe, Radiomoderatorin Mona Vetsch und Marina haben uns besonders inspiriert.

Ob Musikerin, Radiomoderatorin beim SRF oder junge Mutter – alle haben sie etwas gemeinsam: Sie sind Frauen, die in ihrem Leben so einiges gemeistert haben. Rapperin Steff la Cheffe konnte sich trotz schwieriger Kindheit in der Musikbranche beweisen, Mona Vetsch bringt ihren Beruf und die Erziehung ihrer Kinder unter einen Hut und Marina wurde unerwartet früh Mutter. Schwager beschreibt die Geschichten dieser Schweizer Frauen so real, dass man schon fast das Gefühl hat, man sitze ihnen gegenüber.
Ab einem gewissen Alter realisierst du als Frau, dass die Zeit läuft.
Mona Vetsch, 43
Mona Vetsch ist dreifache Mutter und Moderatorin.
Mona Vetsch ist Journalistin und moderiert beim Radio SRF 3 die Morgenshow. Und das, obwohl sie eigentlich alles andere als ein Morgenmensch ist. Die grösste Herausforderung für sie als Mutter von drei Söhnen liegt darin, im Job und zu Hause alles irgendwie meistern zu können.
Wieso definieren sich Frauen immer noch über Männer? Und wieso wachsen wir mit dem Gedanken auf, es gäbe keine Unterschiede zwischen Mann und Frau? Solche und weitere Fragen stellt sich die Moderatorin – nicht bloss, weil sie kurz vor ihrem 40. Geburtstag steht.
«Wir müssen uns aber ziemlich beeilen, im Sommer überschreite ich die Frauengrenze von jung zu erledigt. (...) Leider definieren sich viele Frauen über Männer. Ab einem gewissen Alter realisierst du als Frau, dass die Zeit läuft, unweigerlich. Dann kannst du die Ungerechtigkeit der Natur beklagen, oder du kannst dich dreinschicken, oder du kannst auch etwas Konstruktives daraus machen. Aber ändern kannst es nicht. Ich glaube, viele Frauen mit guter Ausbildung und tollen Jobs merken erst spät, dass es einen Unterschied in den Gestaltungsmöglichkeiten gibt zwischen Männern und Frauen. Wir denken sehr lange, dass da doch gar kein Unterschied wäre. Wir wachsen so auf, doch ab einem gewissen Alter nimmt die Enge im Hals zu. Weil du weißt, es kommt ein Wechsel. Und nach diesem Wechsel ist nicht mehr alles gleich wie vorher und nicht mehr alles möglich. Für eine Frau ist nicht das ganze Leben lang alles machbar. Die Zeit ändert sich und nimmt Möglichkeiten mit. Männer können das weit entspannter angehen. Sie wissen, dass sie es auch mit fünfzig oder noch später überlegen können. Wenn sie es überhaupt überlegen.»
Hier in der Schweiz sind die Rollen noch immer versteinert.
Steff la Cheffe, 32
Rapperin Steff la Cheffe kennt man auch im Ausland.
Steff la Cheffe musste ohne Vater aufwachsen - sie hatte keine Bilderbuchkindheit. Inzwischen ist sie die berühmteste Schweizer Rapperin, auch im Ausland kennt man sie. Als Frau schaffte sie es in der männerdominierten Rapperwelt ganz nach oben. Solch offene Rollenverteilung beeindruckt sie an der thailändischen Kultur. Die Menschen seien dort dahingehend viel offener. Im Moment reist sie viel um die Welt und sammelt ständig neue Eindrücke. Als Mutter könne sie sich gut vorstellen, doch momentan seien ihre Songs noch ihre Kinder.
«Ich habe die Dramen mitbekommen und viel mit meiner Mutter gesprochen. Sie hat nichts unter den Teppich gekehrt, vielleicht war es manchmal zu viel für ein Kind, aber ich weiss, ich hab extrem viel gelernt, es war eine harte Schule, aber eine gute. (...) Meine Mutter hat die Hoffnung und den Mut nie verloren. Ich habe grossen Respekt vor ihr. (...) Kürzlich war ich in Thailand, wo alles so entspannt ist. Ich kann sein, wie ich will, auch als Frau. Ich hatte das Gefühl, dass oft Frauen die Hosen anhaben, aufs Geschäft aufpassen. Viele Männer kümmern sich um die Kinder. Dass es dort kein Geheimnis ist, dass viele Männer Ladyboys sind und sich als Frauen inszenieren, finde ich cool. Bei uns ist es ja mittlerweile so, wenn eine Frau die Hosen anhat und Männerjobs macht, ist das legitim. Aber umgekehrt nicht: wenn ein Mann seine weibliche Seite lebt oder in Frauenberufe will. Hier sind die Rollen noch immer versteinert.»
Stillen ist etwas, was nur ich mit ihm habe.
Marina, 25
Marina war mit ihren 21 Jahren schon glückliche Mutter.
Marina ist fussballbegeistert und spielte auch schon in der Schweizer Frauen-Nationalmannschaft. Jetzt ist sie Mutter von einem knapp 5 Jahre alten Sohn. Eigentlich wollte Marina studieren, doch es kam alles anders. Als sie an ihrem Arbeitsplatz erzählte, sie sei schwanger, musste sie das Arbeitsverhältnis nach dem Mutterschaftsurlaubs auflösen. Obwohl sie ihr Kind nicht geplant hatte, habe ihr Sohn ihr Leben positiv auf den Kopf gestellt. Durch die Schwangerschaft lernte sie ihren Körper besser kennen. Sie hätte zum Beispiel nie gedacht, dass man das Stillen lernen müsse.
«Stillen kann auch richtig mühsam sein. Ich hätte nie gedacht, dass man es fast ein bisschen lernen muss. (...) Inzwischen kennen wir uns aber besser. Und Stillen ist nicht nur ein schönes Gefühl, es ist auch – etwas, das nur ich mit ihm habe. Nur ich kann ihm das geben. Schon speziell. (...) Mit diesem Kindchen zu leben, ist aber hundertmal anstrengender als jedes Fussballtrainingscamp. Er entscheidet total über mich. Dieses Würmli bestimmt, wann ich wach bin und wann ich schlafe und wie lange. Was ich wann mache und wie viel Zeit ich mir nehmen kann für anderes. Sogar fürs WC. Und du tust es genau so, wie er es braucht. Überlegst es gar nicht. Bist total fremdbestimmt und hundemüde und hast für nichts anderes Zeit und kommst an alle deine Grenzen. Und dann schau ich ihn an. Und es ist total okay.»

BUCHTIPP
Susanna Schwager ist Schweizer Schriftstellerin, lebt in Zürich und wurde schon mehrfach ausgezeichnet. Nach ihren Bestsellern Das volle Leben – Frauen über achtzig erzählen, Das volle Leben – Männer über achtzig erzählen und Das halbe Leben – Junge Männer erzählen folgt nun der letzte Band Das halbe Leben – Junge Frauen erzählen.
Bilder: zVg Verlag Wörterseh