Vergewaltigung in IndienWas hat sich in einem Jahr verändert?
Die Gruppenvergewaltigung einer jungen Inderin schockierte die Welt. Tausende Menschen gingen in Indien auf die Strasse und forderten mehr Sicherheit und Schutz für Frauen. Doch was hat sich ein Jahr nach dem schrecklichen Vorfall tatsächlich in Politik und Öffentlichkeit verändert?

Ein Jahr ist die Vergewaltigung der 23-jährigen Nirbhaya nun her. Die indische Studentin wurde am 16. Dezember 2012 von sechs Männern in einem Bus missbraucht und verstarb 13 Tage später in Folge der schweren Verletzungen. Ihr Schicksal erhitzte die Gemüter und löste heftige politische und gesellschaftliche Diskussionen aus. Massnahmen wurden getroffen, Gesetze verschärft – doch hat sich die Situation der Frauen in Indien tatsächlich verbessert?
Todesstrafe für Vergewaltiger
«Davor waren diese Verbrechen, denen die Frauen tagtäglich ausgesetzt sind, nicht einzeln definiert, sondern unter dem Begriff «Den Anstand einer Frau beleidigen» zusammengefasst», erklärt Saziya Mukadam von der Organisation Human Rights Law Network gegenüber Focus Online. Diese weitläufige Definition habe dem Gericht natürlich viel Spielraum gelassen. Rund zwei Monate nach der Vergewaltigung von Nirbhaya wurden die Strafgesetze für Verbrechen an Frauen aber verschärft: Stalking sowie sexuelle Belästigung sind nun klar strafbar und für eine tödlich endende Vergewaltigung droht die Todesstrafe.
Neben den gesetzlichen Massnahmen hat sich auch das Bewusstsein der Öffentlichkeit verändert, wie Focus Online berichtet. Seit dem Tod der Studentin werden sexuelle Übergriffe und Diskriminierungen öffentlich diskutiert und auch von den Medien behandelt. Doch Saziya Mukadam betont: «Die öffentliche Diskussion heisst nicht, dass Frauen heute sicherer sind. Aber sie ist der erste Schritt in die richtige Richtung.»
Junge Frauen werden selber aktiv
Auch für die indische Doktorandin Aali Kumar mangelt es noch an Sicherheit für die jungen Frauen im Alltag, wie Spiegel Online berichtete. Aus diesem Grund nehmen viele junge Inderinnen ihr Schicksal nun selbst in die Hand. So gibt Aali Kumar Kurse an der Uni zur Gender-Sensibilisierung und diskutiert mit Studenten über Sex und Liebe. Drei weitere Studentinnen entwickelten eine High-Tech-Unterwäsche, die Angreifern Elektroschocks verpassen.
Diese Frauen engagieren sich, weil sich die Politik noch zu wenig für sie interessiere. «Zwei Monate haben alle darüber geredet, danach war wieder alles beim Alten», sagt Aali Kumar. Laut Spiegel Online sei ein Standardsatz vieler Politiker: «Vergewaltigungen sind furchtbar, jedoch ein zivilisatorisches Problem, kein indisches.» Ob die Anstrengungen der Studentinnen etwas bewirken werden ist noch ungewiss, aber für Aali Kumar und ihre Mitstreiterinnen ist es ein Anfang.
Text: Naomi Stocker, 18.12.2013