«Wenn man mich einzig auf mein Liebesleben reduziert, könnte keiner glauben, dass ich im Pornogeschäft bin»

Erotische Literatur ist Fiktion wie Pornos ein Fake sind. Warum ist das eine gute Sache?

Das Wunderbare am Stimulieren des Gehirns oder des Körpers mittels Fantasie ist, dass sie dir das Tor zu deiner Sexualität öffnen können. Wie jede andere Form der Unterhaltung dient Erotik dem Vergnügen. Für viele bedeutet das einfach ein Schwelgen in der Fantasie so lange sie andauert, ohne dass dies ihr Leben beeinflusst oder ihre Persönlichkeit verändert. Ich selbst lese gerne über Dominanz im Schlafzimmer, das bedeutet aber nicht, dass ich es wirklich tun will! Andere mögen Western Filme, fürchten sich aber in der Realität vor Pistolen und Pferden. Manche mögen Lieder über das Fremdgehen, obwohl sie es noch nie selbst getan haben, oder Lesben-Pornos, obwohl sie selbst nicht lesbisch sind. Unsere Fantasie vermag uns zu inspirieren, aber sie definiert nicht, wer wir sind.

Wann wird der fiktionale Charakter von Pornografischem problematisch?

Guter Porno inspiriert dich guten Sex mit jemand anderem zu haben, wohingegen schlechter Porno nur zum Masturbieren anregt. Selbstbefriedigung ist natürlich fantastisch, wir sollten es alle tun, aber Sex ist eine menschliche Erfahrung die wundervoll ist, wenn man sie teilt. Wenn die Fantasie so übermächtig wird, dass sie Beziehungen und gemeinsame Erfahrungen mit anderen unmöglich macht, wird sie zum Problem.

Mit Preisen überhäuft, bist du das beste Beispiel, dass guter Porno möglich ist. Warum bist du jetzt unter die erotischen Literatinnen gegangen?

Sag das nicht zu laut, aber wenn ich mich nicht dafür entschieden hätte Filme zu machen, wären ich in die internationalen Politik gegangen, das habe ich auch an der Universität studiert, oder ich wäre gerne Autorin geworden. Der Gedanke hat mich immer begleitet, wie es sein würde einen Roman zu schreiben. Ein Traum wurde wahr, als mich mein Verleger anrief und fragte, ob ich Interesse und Ideen für ein Buch hätte. Natürlich hatte ich das! Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits einige praktische Ratgeber im erotischen Bereich verfasst. Es tat gut etwas Aufklärerisches zu machen, aber nichts ist so wundervoll wie die Fiktion.

Was ist gute erotische Literatur für dich? Kannst du unseren Usern etwas empfehlen?

Meine liebsten erotischen Romane sind Klassiker wie «Das Delta der Venus» von Anaïs Nin und «Wendekreis des Krebses» von Henry Miller. Egal wie dreckig der Akt ist, den sie beschreiben, ihre Sprache macht es wunderschön! Diese zwei Bücher definieren Erotik für mich. Sie zeigen, dass nicht alles explizit sein muss, und sogar etwas so Gewöhnliches wie eine Blume oder das Öffnen von Knöpfen unglaublich sinnlich sein kann. Wenn es um zeitgenössische Literatur geht, schaue ich mich manchmal auf Erotik-Blogs um. Die beste moderne Kurzgeschichtensammlung ist aber von Violet Blue. Sie stellt jedes Jahr ein Buch mit den besten neuen Autoren und Geschichten zusammen.

Als ich deinen neuen Roman «Nächte in Barcelona» las, war ich ehrlich gesagt überrascht. Es steht erotischer Roman auf dem Buchdeckel, aber ich vermute, es geht hier gar nicht um Sex.

Natürlich nicht. Letztlich handelt das Buch von Nora, die wie jede andere junge Frau mehr als einfach nur Sex am Laufen hat. Das ist das, was mich an vielen beliebten romantischen und erotischen Büchern gestört hat. Oft werden die Frauen nur durch ihr Sexleben und ihre Beziehungen definiert. Wenn man mich einzig auf mein Liebesleben reduziert, könnte keiner glauben, dass ich im Pornogeschäft bin. Nora passiert Sex, weil sie am Leben teilnimmt. Sie lässt sich nicht von den Forderungen oder Erwartungen anderer Männer bestimmen.

Ich möchte unseren Usern nicht zu viel verraten, aber es scheint ein irrer Zufall, dass Nora, die Heldin deiner Geschichte, wie du Schwedin ist, nach Barcelona zieht und davon träumt eine grosse Filmregisseurin zu werden. Wie viel Erika steckt in deinem Buch?

Es ist gewiss mehr als Zufall. «Schreibe über das, was du kennst». Ist das nicht der erste Rat, den man Schülern für das Schreiben mitgibt? Was es bedeutet, eine junge Ausländerin im Süden zu sein, zur Filmschule zu gehen, eine unabhängige und liberale Persönlichkeit zu haben, das sind meine eigenen Erfahrungen, die dem Buch die Basis gegeben haben. Aber hier hören die Ähnlichkeiten auch schon auf. Ich fürchte, die Wahrheit ist viel langweiliger als die Fiktion.

Noras Geschichte erinnert mich sehr an den Kampf, den jede Frau ausfechtet, wenn sie erfährt das Liebe und Sex nicht dasselbe sind und wenn das Herz nicht will, was der Kopf sagt. Wie gehst du mit diesem Gegensatz in deiner Arbeit um?

Davon handelt ein grosser Teil des Buches. Nora steht an einem Scheideweg, als ihr zwei Liebhaber ganz unterschiedliche Dinge anbieten. Ich habe ihr aber eine Haltung gegeben, die vielen von uns voraus ist. Nämlich, dass sie ihre Zukunft selbst in der Hand hat. Ja, jeder Mann verkörpert Gelegenheiten und Leidenschaften, die Nora zu ganz unterschiedlichen Orten führen. Aber sie verliert dabei nie sich selbst, womit wir Frauen oft zu kämpfen haben. Sie weiss, dass sie an einem Scheideweg steht, aber sie hat auch die Wahl und den Mut ihren eigenen Weg zu gehen, wenn sie weder rechts noch links abbiegen will.

Zum Buch: Erika Lust «Nächte in Barcelona»

Liebeskummer lohnt sich eben doch. Siehe «Die Exfreundinnen».

Nora ist 24 Jahre und ein Dickkopf, aber vor allem zeichnet sie der Wunsch aus, das Leben in allen seinen Facetten zu geniessen. Als sie nach Barcelona zieht, um eine Karriere im Filmbusiness zu starten, trifft sie auf zwei Männer, die ihr ganz verschiedene Dinge versprechen. Liebe, Leidenschaft oder Sicherheit? Erfolg oder der eigene Weg? Doch egal, wohin Nora ihre lustvolle Reise führt, sie bleibt ganz sicher unvergessen. Das Buch ist in am 14. April beim Heyne-Verlag erschienen.

von Nathalie Riffard, 17.04.2014, Titelbild: via Wikimedia by Fabrizia (CC-BY-SA-3.0)

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