AGENTIN MADWarum wir unseren Ex stalken

Die Akte Ex ist längst kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Im Gegenteil: Facebook und Co. machen es denkbar einfach dem Verflossenen hinterher zu spionieren. Was man dabei herausfindet? Meist mehr über die eigenen Schattenseiten, als über den Ex-Lover.

Weit aufgerissenes Auge.

Meine beste Freundin Marie ist nun seit einem Jahr von ihrem Freund getrennt und lebt als glücklicher Single. Doch trotzdem kann sie es einfach nicht lassen: Sie stalkt, schnüffelt und spioniert hinter ihrem Ex her und ist wie besessen davon, herauszufinden, was er gerade macht. Und vor allem mit wem! Ihren Ex stalken ist bei Marie regelrecht zur Sucht geworden. Und damit ist sie nicht allein.

Sind wir nicht alle ein bisschen NSA?

Zugegeben: Ich selbst bin auch nicht ganz unschuldig. Als sich meine erste grosse Liebe von mir getrennt hat, war ich nicht nur am Boden zerstört, ich war vor allem eines: neugierig. Ich wollte alles wissen. Allem voran natürlich wie gross sein Liebeskummer ist. Und ob er überhaupt welchen hat? Oder schon eine neue Frau an seiner Seite? Wann er sich mit Freunden trifft und mit welchen. Ich wollte einfach alles wissen. Und ehrlich gesagt: Wollte ich hin und wieder dabei erwischt werden. Natürlich nicht beim Spionieren selbst. Es sollte alles so zufällig wie möglich aussehen. Wie eine Fügung des Schicksals sollte es sein, wenn wir uns rein zufällig in der Stadt oder seiner Lieblingsbar über den Weg laufen und ich dabei rein zufällig besser und verführerischer aussehe denn je. Soll er ruhig sehen, wie blendend es mir geht und dass ich super ohne ihn zurechtkomme. Doch irgendwann habe ich mich neu verliebt und hatte auf die Schnüffelei keine Lust mehr.

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Ex stalken: Wenn die Neugier nicht aufhört

Bei Marie ist das anders. Ihren Ex zu stalken ist keine Phase mehr. Es ist ein Dauerzustand. Zuerst fand ich das Verhalten meiner Freundin noch recht normal: In alter Freundinnen-Marnier verbrachten wir lange Nächte in der Lieblingsbar ihres Verflossenen, um zu sehen, ob er da ist. Wir riefen mit anonymer Telefonnummer auf seinem Festnetz an, nur um zu hören, ob er zu hause ist. Anfangs war das alles lustig. Und vielleicht auch der normale Bewältigungsprozess einer Trennung. Jedenfalls dachte ich das zunächst. Als jedoch Monate vergingen, ohne dass Maries Schnüffellein weniger wurden, begann ich mir Sorgen zu machen. Marie konnte das Stalken einfach nicht lassen. Im Gegenteil: Ihr Spionage-Drang weitete sich sogar aus. Sie wusste inzwischen nicht nur, was ihr ehemaliger Freund so macht, sondern auch haargenau, welche Frauen er datet, wie diese heissen, wo sie arbeiten und sogar was ihre Hobbys sind. Denn Marie schnüffelte inzwischen auch seinen Frauen hinterher. Facebook macht schliesslich so einiges möglich.

Facebook verführt uns zum Spionieren

Soziale Netzwerke wie Facebook erleichtern den Drang die eigene Neugier zu stillen. Sie machen aber auch etwas anderes deutlich schwerer – nämlich die Trennung zu verarbeiten. Inzwischen gibt es mehrere Studien, die belegen, dass es den Liebeskummer verlängert, wenn man seinen Ex auf Facebook stalkt. Man muss dafür nicht mal alte Bilder ansehen, denn laut der Studie genügt es schon in seiner Freundesliste zu schnüffeln und zu sehen, mit wem der Verflossene Kontakt hält. Wer seinen Ex stalken will, ärgert und nervt diesen zwar, verletzt sich selbst am Ende aber am meisten. Trotzdem kann es fast ein Drittel der Facebook-User nicht lassen, den Ex-Partner digital auszuspionieren. Mehr noch: Vielen Menschen geht es ähnlich wie Marie. Sie sind regelrecht besessen davon.

Was ich weiss, macht mich heiss!

Bei Marie ist die Spionage-Sucht schon fast zu einem Selbstläufer geworden. Inzwischen kann sie kaum noch sagen, warum sie ihrem Ex nachschnüffelt. Anfangs wollte sie sehen, wie es ihm geht. Dann wollte sie sehen, welche Frauen er trifft. Sie hat sich gefragt, was die wohl haben, was sie nicht hat. Doch all das ist Marie inzwischen gar nicht mehr so wichtig. Sie ist auch gar nicht mehr eifersüchtig. Sie selbst vergleicht ihren Drang zum Stalken vielmehr mit der Neugier nach Klatsch und Tratsch. «So wie andere People-Magazine lesen und damit in den Privatleben von Promis rumschnüffeln, spioniere ich halt meinem Ex hinterher. Irgendwie macht es Spass mir darüber das Maul zu zerreissen. Es gibt doch sonst nichts, was ich mich aufwühlt. Vielleicht geht es einfach darum, die Langeweile und Leere zu vertreiben», erklärt sie ihr Verhalten.

Neue Verführer statt alte Verflossene

Als beste Freundin habe ich Marie auf ihr Spionage-Gehabe angesprochen und erklärt, dass ich mir Sorgen mache. Zwar sehe ich, dass Marie nicht mehr unter der Trennung leidet und ihren Ex auch nicht zurück haben will, trotzdem glaube ich, dass das Spionieren ein Ende haben muss. Es gebietet nicht nur die Höflichkeit, dass man einen anderen Menschen nicht ausspioniert – man tut auch sich selbst keinen Gefallen. Die Energie und Zeit, die es Marie kostet, ihren Ex stalken zu können, fehlt ihr an anderer Stelle. Ihr Ex ist nicht umsonst ihr Ex. Er ist Teil ihrer Vergangenheit. Eine Akte, die sie schliessen sollte. Selbst, wenn sie ihn irgendwie für immer im Herzen behalten wird, muss dort auch Platz für einen neuen Traumprinzen geschaffen werden. Denn den gibt es! Allerdings nicht auf der Facebookseite ihres Ex-Freundes, sondern irgendwo sonst da draussen. Also weg von den Rechnern und Schluss mit den Verflossenen. Und auf zu neuen, spannenden Menschen!

Foto: iStock

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