KOPFKINODie Redaktion liest erotische Literatur

Kleine Bettlektüre gefällig? Die Redaktion hat die Leselust gepackt und sich quer durch die erotische Literatur gelesen. Wer wissen will, welche Lesekost frau nicht von der Bettkante stossen sollte und welchen Büchern man getrost einen kräftigen Schubs geben darf, liest mit!

Die Redaktion liest erotisch: Welche Literatur Lust auf mehr macht.

Warum liegt hier Stroh? Erst neulich unterhielt ich mich mit einer Kollegin über die wohl unfreiwillig witzigste Bettvorlage ever. Wer den Trash-Porno «Achtzehneinhalb 18» nicht kennt, dem sei verraten, nein, Sie haben nichts verpasst und ja, das macht absolut keinen Sinn. Ähnlich trippelt oft auch erotische Literatur auf dem schmalen Grad zwischen Kitschinhalten mit SM-Accessoires und Hardcore, dem etwas Kitsch gut tun würde. Vieles liest sich einfach absolut unglaubwürdig. Trotzdem wird erotischer Stoff seit E.L. James «Shades of Grey» fast so selbstverständlich verschlungen wie Krimis oder Fantasy-Romane. Und noch etwas ist bemerkenswert: Das Gros der erotischen Literatinnen ist weiblich. Wer dabei aber nur an einsame Single-Ladies denkt, die niemanden ausser ihrer Katze zu streicheln haben, irrt.

«Wenn uns der aktuelle Boom in der Erotikszene etwas zeigt, dann, dass sich sehr viele verschiedene Menschen an erotischer Literatur erfreuen. Zu unterstellen, dass Sex immer besser ist als jede andere erotische Erfahrung, ist einfach dumm. Jede Frau wird dir sagen, dass schlechter Sex nie besser ist als ein grossartiges, sinnliches Buch.», erklärte die preisgekrönte Porno-Regisseurin Erika Lust im Gespräch mit Femelle. (Lesen Sie hier das ganze Interview mit Erika Lust.)

Doch welche erotische Literatur ist wirklich fesselnder Lesestoff und was ist nur ausbuchstabierte Qual? Wir verteilen bis zu je dreimal Zuckerbrot (steht für Schmalz) und Peitsche (steht für Schmerz) an die grössten Bestseller, interessante Neuerscheinungen und etablierte Klassiker des Erotika-Genres.

Die Redaktion liest: Bestseller der erotischen Literatur

Silvia Day – Crossfire (bisher in 4 Bänden)

Sylvia Days Crossfire in der Kritik

Erschienen im Heyne-Verlag (2013), 416 Seiten, CHF 14,90

Inhalt: Wir haben ein Déjà-vu. Diese Geschichte kommt uns nämlich ziemlich bekannt vor. Die Uniabsolventin Eva begegnet schwerreichem «Mr. Dunkel und Gefährlich». Sie sagt es, sie redet es sich ein und tut sich schwer (gefühlte 200 Seiten lang) uns davon zu überzeugen, dass sie sich von dem geheimnisvollen Gideon Cross besser fernhalten sollte. Natürlich kommt es anders, denn Gideon Cross kriegt ja immer was er will, und die zwei starten eine Liason der leidenschaftlichen Art. Nicht ohne Stolpersteine, denn nicht nur Gideon hat ein dunkles Geheimnis... Silvia Days «Cross Fire»-Reihe drückt die selben Knöpfe, die auch schon E.L. James bei Shades of Grey zum Erfolg verholfen haben. Tatsächlich ist Silvia Day aber wohl die bessere Autorin und Eva Tramelli eine ausgereiftere Heldin. Wer «Shades of Grey» mochte, könnte «Crossfire» lieben.

Unsere Bewertung: 2x Zuckerbot, 2x Peitsche

  • Skandalpotential: Nüt, nüt mehr.
  • Kopf sagt: Kennen wir schon.
  • Herz sagt: Hach...., immer wieder schön.

Eine Leseprobe des Romans können Sie sich hier herunterladen.

Samantha Young - London Road – Geheimes Verlangen (mehrere Bände)

Samatha Young London Road in der Kritik

Erschienen im Ullstein-Verlag (2013), 512 Seiten

Inhalt: Porno mit Handlung. Oder Handlung mit Porno? Jo kommt von ganz unten und will da raus. Ihre Mutter säuft. Ihr Bruder ist noch ein Kind. Und sie ist schön. Deshalb sucht sie in einem Mann vor allem den Versorger, nicht den Liebhaber. Bevorzugt trifft sie sich mit reichen, älteren Männern, deren Geschenke sie in Geld umsetzt. Und dann kommt Cam und schaut Jo ganz tief in den Augen und wir denken fest an den einen Song: «Would you let me see beneath your beautifiul...» Schmacht! Und ach so, Sex gibt es auch. Nett, nichts für hart besaitete Gemüter.

Unsere Bewertung: 3x Zuckerbrot, 1x Peitsche

  • Skandalpotential: Liga Golddiggers and Sugardaddys
  • Kopf sagt: Das ist für’s Herz.
  • Herz sagt: Ich weiss gar nicht, wo mir der Kopf steht...

Eine Leseprobe des Romans können Sie sich hier herunterladen.

Kathryn Taylor – Colours of Love – Entfesselt (mehrere Bände)

Kathryn taylor Colours of Love in der Kritik

erschienen im Luebbe Verlag (2012), 319 Seiten

Inhalt: Noch ein Buch, das gekonnt auf der Shades of Grey Welle mitschwimmt. Hier haben wir ehrlich gesagt nur rein gelesen, weil «Coulours of Love» ungefähr doppelt so viele Rezensionen auf Amazon gesammelt hat, wie die übrigen verdächtigen erotischen Bestseller. Wir waren neugierig. Und? Nuja. Unschuldiges Mädchen trifft auf Christian Grey Double und die Frage, wie hoch darf der Preis für Liebe sein? Gut und flüssig geschrieben, könnte man in einem Zug durchlesen. Aber warum wollen wir denn schon wieder von so einem unverschämt reichen, sexy, gutaussehenden, peitscheschwingenden, verhinderten Märchenprinzen lesen. Warum müssen es denn immer die unerreichbaren Macho-Männer sein? Antworten sehnlichst erbeten an redaktion@femelle.ch.

Unsere Bewertung: 3x Zuckerbrot, 2x Peitsche

  • Skandalpotential: Nur für Neulinge der erotischen Literatur
  • Kopf sagt: Nicht schon wieder
  • Herz sagt: Die pure Freude mitzuerleben, wie der Macho von einem kleinen Mädchen aus dem Turm gerettet wird.

Leseprobe: Einen Blick ins Buch können Sie hier werfen.

Die Kurzkritiken zu den erotischen Debütromanen von Porno-Regisseurin Erika Lust und Ex-Hardcore-Pornodarstellerin Sasha Grey lesen Sie auf der nächsten Seite.

Erika Lust - Nächte in Barcelona

Familienleben Logo

erschienen im Heyne-Verlag, 336 Seiten, CHF 14,90

Inhalt: Zugegeben, hier sind wir etwas befangen, weil uns Erika Lust dieses wunderbare Interview gegeben hat. Und weil sie beschlossen hat, Pornografie nicht allein den Männern zu überlassen. Und weil sie einfach bezaubernd ist. Ihr erster erotischer Roman «Nächte in Barcelona» hielt dann auch eine willkommene Überraschung parat, es geht nämlich gar nicht um Sex. Der jungen Filmemacherin Nora passiert Sex, weil sie am Leben teilnimmt. Weil sie etwas wagt und ihren Träumen folgt. Das ist Balsam auf unserer geschundenen Seele. Denn während in vielen erotischen Büchern, die Handlung und die Heldin um den Akt und den Wahnsinnstypen herum gesponnen werden, käme hier die Geschichte wahrscheinlich gänzlich ohne Sexszenen und definitiv ohne Macho aus.

Unsere Bewertung: 3x Zuckerbrot, 1x Peitsche

  • Skandalpotential: Huch, diese Frau ist nicht unschuldig, huch, diese Frau folgt ihren eigenen Regeln, huch: Willkommen im 21. Jahrhundert der erotischen Literatur!
  • Kopf sagt: Dieser Titel ist aber jetzt echt doof (Die spanische Original-Ausgabe trägt den Titel: «La Cancíon de Nora», dt: Noras Lied).
  • Herz sagt: Jemanden wie Nora hätte man gern zur Freundin.

Eine Leseprobe des Romans können Sie sich hier herunterladen.

Sasha Grey - Juliette Society

Kurzkritik Sasha Grey Debütroman Juliette Society

erschienen im Heyne-Verlag (2013), 317 Seiten

Inhalt: Wie oft kann man eben mal so beiläufig das Wort Ficken benutzen, bis der Leser merkt, hier geht’s eben um genau das? Die Kollegin gab nach zwei Kapiteln auf. Ich hielt so lange durch bis die filmstudierende Protagonistin es heiss findet, dass ihr Hochschullehrer nur erregt werden kann, wenn (und jetzt wird’s kompliziert!) er vom Schrank aus beobachten darf, wie sie a) die Kleider seiner Mutter trägt, b) sie die Kleider genau nach seiner festgelegten Choreografie ablegt und c) sie dann seinen Penis durch den Schrank schauend...ach, das wollen Sie gar nicht wissen. Die vor sich hinplätschernde Story über eine gefährliche Geheimgesellschaft und eine junge Studentin, die ihre Sexfantasien wahr werden lassen möchte, wird mehr oder weniger hübsch eingebettet in Filmverweise. So wie hier: Der Hochschullehrer erinnert sie an den Killer in Psycho und den findet sie scharf. Das ist gewollt und leider kann Sasha Grey ihren eigenen Ansprüchen nicht annähernd genügen: «Die erste Lektion, die wir im Filmstudium gelernt haben, ist Folgende: Die Handlung dient immer den Figuren. (...) Wenn es nicht befolgt wird, bricht das gesamte Gefüge in sich zusammen.»

Bewertung: 1x Zuckerbrot, 3x Peitsche

  • Skandalpotential: Hier ist allein die Autorin der Skandal. Sasha Grey ist bekannt als Ex-Hardcore-Pornodarstellerin.
  • Kopf sagt: Die Autorin hat sich bemüht.
  • Herz sagt: Wir glauben keine Zeile.

Leseprobe: Einen Blick ins Buch können Sie hier werfen.

Die Kurzkritiken zu den erotischen Klassikern «Geschichte der O» und «Das Delta der Venus» lesen Sie auf der nächsten Seite.

Pauline Réage – Geschichte der O

Kurzkritik Geschichte der O

Erschienen im Ullstein-Verlag (1954), 312 Seiten

Inhalt: «Die Geschichte der O» ist der Klassiker der Unterwerfungsromane. Nicht selten verweisen erotische Literatinnen auf Réages zugleich befreiende und beklemmende Geschichte einer sadomasochistischen Beziehung. Im Zentrum steht die Pariser Modefotografin O., die sich von ihrem Geliebten (ihr Dom – Rolle des Herrschers) auf ein privates Schloss bringen und dort zu einer Sub (Rolle der Unterwerfenden) und Sex-Sklavin ausbilden lässt. Der Geliebte verschenkt O weiter an seinen Freund Sir Stephen, in den sich O auch verliebt. Doch als Beweis ihrer Liebe fordert Sir Stephen die gänzliche Aufgabe ihres eigenen Willens. O wird eine noch härtere Ausbildung absolvieren...Das ist harter Stoff, wenn man zum ersten Mal einen Blick in die Welt der sadomasochistischen Liebe wirft. Das Buch ist aber ungleich kraftvoller als viele seiner Nachfolger, da es Réage gelingt das Innenleben der O feingliedrig zu beschreiben, ohne sich mit der moralischen Feder zu korrigieren oder vulgär werden zu müssen.

Bewertung: 3x Zuckerbrot, 3x Peitsche

  • Skandalpotential: Erschienen in den 50ern, löste «Die Geschichte der O» eine riesige Debatte aus, ob es die Unterwerfung der Frau propagiere. Es sei bemerkt, dass O zu jeder Zeit der Geschichte ihr Einverständnis zu dem ihr zugefügten Schmerz gibt.
  • Kopf sagt: Endlich eine Herausforderung!
  • Herz sagt: Kann das auch Liebe sein?

Leseprobe: Einen Blick ins Buch können Sie hier werfen.

Anaïs Nin - Das Delta der Venus

Kurzkritk Das Delta der venus Anais Nin

erschienen im Fischer Verlag (1977), CHF 14,90

Inhalt: Dieses Buch fiel uns in die Hände, weil Anaïs Nin einst die Geliebte von Henry Miller («Wendekreis des Krebses» war. Schon einmal habe ich erzählt, warum es eines meiner Lieblingsbücher ist. Und warum die erotische Kurzgeschichten-Sammlung überhaupt erst entstand, ist wiederum der Liebe zur Literatur geschuldet. Henry Miller und Anaïs Nin verdingten sich aus Geldnot nebenbei als erotische Schreiberlinge. Für einen Dollar pro Seite sollten sie möglichst explizit schreiben und die Poesie dabei vergessen. Nin dachte nicht daran, sondern überlistete den Auftraggeber mit doppelbödigen Geschichten, die vulgäre Beschreibungen von Sex als stumpfsinnig entlarvten. Darüber hinaus verzichtet es gänzlich auf bekannte Klischees und beleuchtet Erotik aus einer glaubwürdigen Frauenperspektive. Wohlbemerkt in den 30er Jahren! Unsere Grosseltern hatten also auch schon ihren Spass. Wir lieben es, weil die Sprache so direkt, aber nie obszön wirkt. In Sachen erotischer Literatur lassen wir uns deshalb gerne von Anaïs Nin retten. Um Miller zu zitieren: «ein schamlos schönes Buch».

Bewertung: 3x Zuckerbrot, 3x Peitsche

  • Skandalpotential: In Deutschland war der Prosaband zeitweise verboten.
  • Kopf sagt: So sollte man heute auch über Sex schreiben können.
  • Herz sagt: So feiert man die Liebe.

Leseprobe: Einen Blick ins Buch können Sie hier werfen.

Foto: Eyecandy Images

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