Leserfragen an Dania Schiftan«Ich ziehe Masturbation dem Sex mit meinem Freund vor»
Was tun, wenn Masturbation mit dem Vibrator spannender ist als Paarsex? Sexologin und Paartherapeutin Dania Schiftan steht Leserinnen von Femelle.ch Red und Antwort rund um Liebe, Sex und Beziehungen und erklärt, wie die Lust auf den Partner zurückkommt.

Liebe Dania Schiftan
Mein Partner und ich (seit 3 Jahren zusammen) haben nicht sehr oft Sex. Manchmal einmal in der Woche, manchmal nur einmal im Monat. Häufig habe ich keine Lust, besonders das Vorspiel mit Anfassen und Küssen geht mir zu lange. Wenn mein Freund nicht zu Hause ist, befriedige ich mich häufig selbst mit dem Vibrator (den gleichen, den wird auch beim Sex benutzen). Meistens aus Langeweile oder weil ich nicht einschlafen kann – manchmal sogar zweimal hintereinander und an mehreren Tagen in der Woche. Mein Partner weiss nichts davon und sucht vielleicht den Grund für meine Unlust woanders.
Ich weiss es ist ziemlich unfair, aber in diesen Momenten überlege ich nicht so weit. Hätte ich mehr Lust auf meinen Freund, wenn ich weniger masturbieren würde? Sollte ich für eine Zeit lang mit der Selbstbefriedigung aufhören?
Anonym, 33
Über Dania Schiftan
Als Dr. in Sexologie (USA) und Psychotherapeutin (FSP, Eidg. anerkannt) mit eigener Praxis in Zürich arbeitet Dania Schiftan seit 2008 als selbständige Sexual- und Psychotherapeutin.
Nebst ihrer Praxistätigkeit bietet Dania Schiftan seit einigen Jahren auch eine Online Therapie an.
Liebe Leserin
Erregung hast du folgendermassen gelernt: Du hältst den Vibrator hin, steigerst die Erregung bis zu einem bestimmten Punkt und schläfst dann entspannt ein. Diese eine Technik, die du dir antrainiert hast, funktioniert super und ist weder moralisch noch sozial verwerflich.
Sexualität mit dem Partner braucht zusätzlich viele andere Fertigkeiten. Wenn eine Frau das nicht gelernt hat, ist die logische Konsequenz, dass sie darauf keine Lust hat. Wieso sollte man schliesslich auf etwas Lust haben, was einem wenig gibt?
Willst du mit deinem Partner mehr erleben, dann musst du deine Technik erweitern. Erweitern darum, weil deine jetzige Technik auch völlig in Ordnung ist und Abstinenz dabei absolut der falsche Weg. Deine neue Technik gewöhnst du dir an, als würdest du ein neues Stück auf einem Instrument lernen: Du wiederholst das, was du bereits gut kannst immer wieder und nimmst laufend neue Elemente dazu. Benutze zum Beispiel mal den Vibrator etwas langsamer oder streichel dich dabei selber am ganzen Körper. Immer wenn du dir denkst «Ach, ist das aber langweilig», musst du unbedingt dranbleiben. Denn genau wie beim Musikinstrument ist das Üben, wenn man ein Stück noch nicht perfekt beherrscht, etwas harzig. Doch nur so kann man sich neue Melodien angewöhnen.
Immer wenn du dir denkst «Ach, ist das aber langweilig», musst du unbedingt dranbleiben.
Eine andere Variante ist natürlich, dass du ihn grob gesagt instruierst. Dein Partner liegt neben dir und hält den Vibrator hin, bis du kommst. Das ist kein Problem, nur vielleicht nicht genau das was du dir vorstellst.
Dass das Streicheln für dich nicht lässig ist, ist nicht weiter verwunderlich. Dieser Fakt hat nichts mit Liebe oder der Beziehungsqualität zu tun.
Dass du den Weg gehst, von dem du am meisten profitierst, ist pragmatisch und völlig verständlich. Ob du Lust verspürst oder dir langweilig ist, ist nebensächlich. Denn Lust haben heisst Vorfreude zu haben. Und Vorfreude hat man nur auf etwas, was toll wird. Wenn Sex mit dem Partner als anstrengend oder öde betrachtet wird, wieso sollte man darauf Lust bekommen?
Dein Freund muss nicht zwingend etwas von deinem Training erfahren. Denn in erster Linie hat es mit ihm nicht viel zu tun. Du kannst ihn selbstverständlich miteinbeziehen, musst es aber nicht. Denn erst geht es darum, dass du mehr aus dem Sex ziehst, egal wie es um das Drumherum steht. Ein Beispiel aus dem Alltag: Viele Frauen gehen gerne in die Badewanne und entspannen oder treffen sich mit einer Freundin zum Kaffee – egal wie gestresst, gelangweilt oder genervt sie sind. Weil es ihnen gut tut, sie es geniessen und etwas daraus ziehen. Beim Drink mit der Kollegin ist es egal, wenn man abends eine Stunde länger sitzen bleibt. Aber abends für Sex eine Stunde länger aufzubleiben, ist für viele Frauen undenkbar, weil der Profit, den man daraus zieht, zu klein ist. Wenn ich also merke, dass ich nicht viel daraus ziehe, dann muss ich das aufbauen. Je intensiver ich etwas geübt habe, desto mehr gibt es mir zurück. Und je besser ich ein Instrument spielen kann, desto freier und besser fühle ich mich dabei.
Du möchtest Dania Schiftan auch eine Frage zu Liebe oder Sexualität stellen?
Dann schicke uns jetzt eine E-Mail an redaktion@femelle.ch oder schreibe uns eine private Nachricht auf Facebook oder Instagram.
Wir wählen einige eurer Fragen aus und lassen Sie von Sexologin und Therapeutin Dania Schiftan beantworten. Wie lang oder kurz du dich fasst, ist dir selber überlassen. Wenn du magst, kannst du uns deinen Vornamen und dein Alter verraten – das ist natürlich freiwillig.
Alle Leserfragen an Dania Schiftan:
Titelbild: Miljko/iStock