Leserfragen an Dania Schiftan«Ich habe keine Lust auf Sex. Sind die Hormone schuld?»
Ist es normal, dass man mit Mitte 30 schon keine Lust auf Sex mehr hat? Sexologin und Paartherapeutin Dania Schiftan steht Leserinnen von Femelle.ch Red und Antwort rund um Liebe, Sex und Beziehungen und weiss Rat.

Liebe Dania Schiftan
Ich bin jetzt 13 Jahre mit meinem Partner zusammen und davon 10 Jahre verheiratet. Wir haben zwei wundervolle Söhne. Ich habe ein Problem welches mich sehr belastet und zwar geht es um das sexuelle Verlangen. Ich habe keine Lust auf Sex und denke mittlerweile, dass die Unlust vielleicht hormonell bedingt sein könnte. Aber davon will meine Frauenärztin nichts wissen.
Wenn wir Sex haben, dann nur während der Eisprungphase. Dann habe ich nämlich ein bisschen Lust – sonst nie. Körperliche Berührungen schrecken mich ab, weil ich genau weiss, auf was es hinausläuft. Ich blocke dann recht schnell ab. Mich deprimiert es einfach weil dieser Zustand nicht immer so sein kann.
Ich frage mich oft, was mit mir los ist. Ich bin erst Mitte Dreissig und nicht 50 oder 60. Mein Partner zeigt sich zum Glück recht verständlich. Kann es sein, dass die Hormone an meiner Unlust schuld sind? Was für Methoden empfiehlst du mir sonst, damit ich wieder Lust auf Sex bekomme?
Anonym, 36
Über Dania Schiftan
Als Dr. in Sexologie (USA) und Psychotherapeutin (FSP, Eidg. anerkannt) mit eigener Praxis in Zürich arbeitet Dania Schiftan seit 2008 als selbständige Sexual- und Psychotherapeutin.
Nebst ihrer Praxistätigkeit bietet Dania Schiftan seit einigen Jahren auch eine Online Therapie an.
Liebe Leserin
Zuallererst stellt sich mir die Frage: Für wen möchtest du mehr Lust haben? Für dich selber, für ein erfülltes Sexleben oder für Ihren Partner? Denn wenn es nur darum geht, Ihren Partner zufrieden zu stellen, werden Sie keine Motivation haben, Zeit in die Lösung Ihres Problems zu investieren. Und ja, das wird erforderlich sein.
Ich glaube nicht, dass die Hormone daran Schuld sind, dass Sie keine Lust auf Sex haben. Und selbst wenn es so wäre, wäre das nicht Match entscheidend. Schliesslich ist jede Frau damit konfrontiert, dass sich der Hormonspiegel im Laufe des Lebens verändert. Sei es durch das Ein- oder Absetzen von hormoneller Verhütung, durch eine Schwangerschaft und Geburt oder das Eintreten der Menopause. Selbst wenn du, wie du schreibst, 50 oder 60 wären, würde das deine Unlust nicht relativieren.
Denn hätten Frauen immer nur dann Lust, wenn ihr Hormonspiegel gerade auf einem optimalen Level ist, wären sie doch sehr eingeschränkt. Es könnten mehrere Kanäle, für Lust – oder eben Unlust – verantwortlich sein: Da wären die Hormone und andere äussere Umstände auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Fakt, dass einem der Sex auch wirklich gefällt, und viel gibt – eine Ressource ist.
Hätten Frauen immer nur dann Lust, wenn ihr Hormonspiegel gerade auf einem optimalen Level ist, wären sie doch sehr eingeschränkt.
Viele Männer lernen Sex zu haben, ganz unabhängig davon, ob sie gestresst, wütend oder traurig sind. Durch den Sex geht es ihnen nachher schliesslich besser. Bei vielen Frauen ist es genau umgekehrt: Sie machen ihr Sexleben abhängig von äusseren Bedingungen und schlafen nur mit ihrem Partner, wenn das Drumherum gerade auch stimmt.
In deinem Fall könnte sich das folgendermassen entwickeln: Ganz banal gesprochen solltest du möglichst viel vom Sex profitieren. Denn je mehr der Sex mit deinem Partner dir zurückgibt, desto mehr Lust wirst du darauf haben.
Wie das funktioniert? Ich würde damit anfangen, das eigene Geschlecht kennen zu lernen und sich ihm zu nähern. So kannst du dich intrinsisch motivieren und auf die Dauer mehr aus dem Sex ziehen – übrigens völlig unabhängig von einem Orgasmus.
Problematisch empfindest du, dass du es momentan nicht zu ertragen scheinst, wenn dein Partner dich anfasst. Auch wenn er verständnisvoll reagiert, musst du genau genommen dafür kämpfen, keinen Sex zu haben. Diese Zwickmühle ist allerdings hausgemacht. Vielleicht würde es dir gefallen, wenn dein Partner dich streichelt und ihr euch küsst. Du möchtest ihn aber nicht vor den Kopf stossen, wenn ihr schon im Gange seid. Darum lässt du es gar nicht erst zu der Situation kommen und merkst nicht, dass du ihn dadurch genauso vor den Kopf stösst.
Handle am besten mit deinem Partner aus, dass ihr es einmal probiert, du aber jederzeit Stop sagen darfst, wenn es dir zu viel wird. Das Ziel ist, dass du Sex irgendwann nicht mehr als ein Abwägen von Aufwand und Ertrag siehst. Doch wie gesagt, dafür musst du einiges an Zeit investieren. Die Unlust kommt in den allermeisten Fällen in einem schleichenden Prozess. Mit dem Wiedererlangen der Lust ist es genauso.
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Titelbild: AJ_Watt/E+