SexscoreWas die Anzahl unserer Liebhaber über uns aussagt
«Sexuell offen» oder «leicht zu haben»: Dazwischen liegt ein schmaler Grad, aber auch ein klaffender Konflikt. Was sagt der Sexscore über die Seele aus? Warum dürfen Männer mehr Sexpartner haben als Frauen? Und wie viele Liebhaber hatten Sie wirklich? Vorsicht, diese Wahrheit geht unter die Gürtellinie.

Seit Sarah von ihrem langjährigen Freund verlassen wurde, erinnern die Gespräche in unserer Mädels-Clique an die Dialoge an «Sex and the City». Es geht nur noch um eines: Sex! Und wie häufig man ihn mit wem hat. Mit 19 Schnitzern im Kerbholz ihres Bettpfostens führt Sarah derzeit die Sexscore-Liste der meisten Liebhabern an. Angeblich jedenfalls. Denn wie ehrlich, selbst unter besten Freundinnen über die wahre Anzahl der bisherigen Sexualpartner gesprochen wird ist fraglich, die Dunkelziffer hoch.
Wechselnde Sexualpartner: Schweizer haben viele
Wer leeren Worten nicht traut, glaubt vielleicht handfesten Zahlen. Laut dem «Durex Global Sex Survey» hat der Mensch – weltweit gesehen – in seinem ganzen Sexleben durchschnittlich neun Liebhaber. Der Sexscore der Schweizerinnen und Schweizer liegt dabei mit rund elf Sexpartnern über dem Durchschnitt. Im Vergleich zur Frequenz der New Yorker Serienheldinnen erscheinen solche Zahlen jedoch verschwindend gering. Die vier Powerfrauen von Sex an the City brachten es laut Clack in insgesamt sechs Staffeln auf 94 Sexpartner und 1 Sexpartnerin; Spitzenreiterin ist dabei Samantha (41), gefolgt von Carrie und Charlotte (beide 18), auf dem letzten Platz liegt Miranda (17).
Sexscore: Männer dürfen mehr
TV-Serien geben Gelegenheit zum Mitzählen. Ob diese Studienergebnisse jedoch der Wirklichkeit entsprechen, muss dahin gestellt bleiben. Ehrliche Angaben könnten in dieser Angelegenheit schliesslich durchaus einem gesellschaftlichen Rufmord gleichkommen. Denn noch immer hängt Frauen, die ihre Bettpartner häufig wechseln, der Ruf als Schlampe nach. Bei Männern liegt die Sache hingegen genau anders herum: Schürzenjäger gelten als besonders bewundernswert. Je mehr Frauen Sie hatten, desto männlicher sind sie. Zwar gerieten diese Klischees und die dazugehörige Doppelmoral in den letzten Jahren ins Wanken, gänzlich verschwunden sind sie aus den gesellschaftlichen Vorurteilsschubladen aber noch lange nicht.
Schlampen-Image: Was ist dran?
Als gute Freundin will ich Sarah warnen, sich ihren Ruf auf diese Weise zu zerstören. Als ich meine vögelfreie Single-Freundin jedoch vorsichtig darauf anspreche, wird sie stocksauer. Ich sei eine altbackene Moralapostel und ob ich meine, sie sei leicht zu haben. Natürlich nicht. Dennoch denke ich, dass das Männer-Morden, das in der Glotze so cool und unabhängig rüber kommt, jenseits von Hollywood einen weniger guten Ruf geniesst. Aber warum eigentlich? Natürlich hat Sarah insofern Recht, als es mich nicht scheren sollte, was andere über sie denken oder sagen. Sexuell offen zu sein, sei etwas anderes, als leicht zu haben zu sein, sagt sie. «Und selbst wenn, wo ist dabei das Problem? Ich schütze mich vor Krankheiten und Schwangerschaften und habe meinen Spass», wettert Sarah. «Und überhaupt», giftet sie hinterher, «was ist in diesem Zusammenhang schon viel? Das ist doch alles relativ.»
Qualität oder Quantität: Was zählt im Bett?
Irgendwie hat Sarah Recht. Wo liegt mein Problem? Habe ich schlichtweg veraltete Wertvorstellungen? Oder bin ich vielleicht sogar missgünstig? Schliesslich erlebt Sarah sexuell eine Menge mehr als ich. Und warum wird das Intimste der Welt überhaupt von einem kollektiven Massstab der Gesellschaft bestimmt und bewertet. Aber obwohl Sarahs Argumente durchaus handfest sind, bin ich nicht gänzlich überzeugt. Ein komischer Beigeschmack bleibt.
Denn je lauter Sarah mit ihren sexuellen Errungenschaften prahlt, desto leiser höre ich dahinter einen leisen Wunsch. Einen Wunsch nach Anerkennung. Dabei müsste Bestätigung doch genau das sein, was Sarah bekommt. Die Tatsache, dass viele Männer Interesse an ihr haben, spricht doch für ihre grosse Attraktivität. Jedenfalls, wenn man einen quantitativen Massstab gelten lässt. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Wo bleibt die Qualität? Wo bleibt der Prinz auf dem weissen Pferd, für den man sich aufspart? Sollte es bei Sex nicht um Liebe gehen? Und geht es bei Liebe nicht um Exklusivität? Die Fähigkeit dieses grosse Gefühl zu erfahren und zu teilen, scheint sich abzunutzen, je grösser die Anzahl der Personen ist, mit der man es teilt – so wirkt es jedenfalls auf mich.
Wie viel Ehrlichkeit erträgt die Liebe?
Vielleicht liege ich aber auch falsch und körperliche Liebe hat am Ende gar nichts mit dem Herzen zu tun? Diese Frage wurde in «Sex and the City» ebenfalls oft genug diskutiert. Am Ende bleiben uns aber auch die vier New Yorkerinnen eine befriedigende Antwort schuldig. Wir selbst kommen hingegen oft nicht so leicht davon. Spätestens wenn unser neuer Freund nach der Anzahl seiner Vorgänger fragt, entstehen Erklärungsnöte. Wie viel Ehrlichkeit ist in Sachen Sexscore gut? Welche Anzahl von Sexpartner schickt sich für eine Lady? Und muss man überhaupt antworten?
Auch hierzu liefert weder Sex and the City, noch irgendwer sonst, eine abschliessende Antwort. Auch wir glauben nur so viel zu wissen: Ehrlichkeit währt in der Regel am längsten. Sie kann aber auch wirklich weh tun. Manchmal so weh, dass Sie das Vertrauen erschüttert. Also lieber doch lügen? Der Berner Paartherapeut sagt, ein ehrliches Liebhaber-Geständnis, von dem man weiss, dass es den anderen eifersüchtig oder unsicher macht, grenze an Sadismus. «Ich bin immer ein wenig entsetzt, wenn ich höre, dass die Ehrlichkeit wichtiger als die Liebe sei. Das bewahrheitet sich aber nicht. Die Liebe ist das allerwichtigste in einer Beziehung.» So könne eine Beziehung, die von Liebe und kleinen Lügen geprägt sei trotzdem überlebensfähig sein. Fehle aber die Liebe und die Wahrheit käme hinzu, hat man eigentlich immer ein echtes Problem.
Die richtige Antwort kennt aber wohl keine TV-Serie und auch kein Artikel, sondern nur die Liebe als solche – denn wenn diese rein ist, ist sie unerschütterlich. Vor allem, wenn es unterm Strich nur um eine Zahl geht, ist ein Gefühl immer grösser. Lassen Sie sich ausschliesslich von diesem leiten. Egal, wohin es sie führt: Ob in die verführerischen Arme verschiedener Liebhaber oder allein ins Bett von Mr. Right. Am Ende müssen Sie hinter Ihrer Entscheidung stehen. Ihre besten Freundinnen tun es sowieso. Auch bei Dir, Sarah!
Foto: Hemera