SPECIAL MOMENTSZu Besuch im Liebesladen

Interview Wir haben den Zürcher Erotik Shop Special Moments besucht. Dort hat uns die Besitzerin Alexandra Haas verraten, dass das Lieblingsspielzeug der Eidgenossen einen Motor hat und wo wir im Schlafzimmer noch Nachhilfe brauchen.

Ladeneingang mit Schild.

Eine Kundin betritt den Laden. Ungeniert fragt sich nach einem Adapter für das Aufladekabel ihres neuen Vibrators aus den USA. Als würde sie ein paar Bürli beim Bäcker bestellen. Es gibt nur einen Raum, viel Licht und helle Wände. Sex Toys überall, aber stilvoll präsentiert. Bei Special Moments in Zürich gibt es keine «Schmuddelecken», keine Geheimnisse. Keine Peinlichkeiten. Kein beklemmendes Gefühl. Es ist also irgendwie ganz anders, als man es sich in einem Sexshop vorstellt.

Hier verkauft Alexandra Haas seit fast zehn Jahren Spielsachen für Erwachsene und berät ihre Kunden Tag ein Tag aus bei intimen Fragen. Auch wir wollten im Interview einiges wissen und vielleicht mit ein paar Vorurteilen aufräumen.

Vor knapp zehn Jahren hast Du den Erotikshop «Special Moments» in Zürich eröffnet. Stimmt es, dass Du eigentlich nur einen Liebesratgeber schreiben wolltest?

Ja, das ist richtig. Sex war immer schon ein wichtiges Thema in meinem Leben, weshalb ich alles zum Thema aufgesogen habe wie ein Schwamm. Meine Freunde, gerade die, die schon länger in einer Beziehung waren, haben mich deshalb oft um Rat gefragt, wenn es im Schlafzimmer nicht mehr richtig prickelte. Irgendwann dachte ich dann, dass es einfacher wäre, ein Buch zu schreiben.

Als ich allerdings vor über zehn Jahren anfing zu recherchieren, merkte ich schnell, dass das Angebot an erotischen Spielsachen eher dürftig, die Sexshops nicht wirklich ansprechend und die Beratung mangelhaft war. Da wurde mir klar, dass es erst mal einen schönen Erotik Shop braucht, bevor ich mein Buch fertig schreiben kann. Zwei Jahre später habe ich Special Moments in Zürich eröffnet und dann mein Buch «Die Speisekarte der Lustspiele» fertig geschrieben.

Nun sitzt Du an der Quelle und wirst tagtäglich mit intimen Fragen konfrontiert. Was hältst Du von dem Vorurteil, dass Schweizer verklemmt sind?

Ich würde das nicht unterschreiben, man kann ja nicht alle in einen Topf werfen. Ich weiss nur, dass es mich überrascht hat, dass Sextoys immer noch so ein Tabu waren, als ich den Laden aufgemacht habe. Das Thema ist für viele bis heute Neuland oder sogar ein No-Go. Dabei ist doch zum Beispiel ein Vibrator wirklich nur ein weiteres Gerät im Haushalt. Ist doch eigentlich no Big Deal.

Die Serie Sex and the City wurde in der breiten Öffentlichkeit als Befreiungsschlag für die lang tabuisierte weibliche Sexualität gefeiert... Hat sich die Offenheit der Schweizer Frau seitdem nicht verbessert?

Leider ist es bis heute so, dass sich die durchschnittliche Frau nicht einfach denkt: «Heute tu ich mir mal wieder was Gutes und kauf mir was zum Spielen für mich selbst.»

Vielleicht denken viele, dass uns die Natur ja alles für unser Sexleben gegeben hat... Wozu also Hilfsmittel?

Grundsätzlich braucht man natürlich keine Toys. Es gibt jedoch bestimmte Stellen an unserem Körper, an die wir nicht so einfach hinkommen. Zum Beispiel wenn eine Frau ihren G-Punkt massieren möchte. Das geht zwar auch ohne Spielsachen, ist aber anstrengend und unbequem. Ausserdem sind Sextoys eine tolle Sache, um in einer Partnerschaft wieder Schwung und Spannung ins Schlafzimmer zu bringen.

Es gibt übrigens einen sehr amüsanten Hollywoodfilm zur Geschichte des weiblichen Orgasmus und der Entwicklung des ersten Vibrators: Hysteria. Den kann ich sehr empfehlen! Am besten schaut man ihn mit Freundinnen, weil man immer an den gleichen Stellen lachen muss.

Sind Deine Kunden vorwiegend weiblich?

Ganz am Anfang hatte ich mir überlegt, ob ich einen Erotikshop nur für Frauen aufmachen soll. Aber dann hab ich mir gedacht, ich will doch einfach, dass die Leute ihre Sexualität mehr geniessen können. Wieso sollten dann 50 Prozent ausgeschlossen werden? Aufgrund der hellen Einrichtung und der offen einsehbaren Fensterfront ist Special Moments natürlich anders, als die meisten Sexshops. Manchmal kommt es deshalb auch vor, dass Männer erst fragen, ob sie reinkommen dürfen.

Kaufen Männer und Frauen unterschiedliche Dinge?

Klar gibt’s Unterschiede. Der durchschnittliche Mann ist ja eher praktisch veranlagt und hat vielleicht keine Lust, stundenlang zu überlegen sondern kauft dann einfach mehrere unterschiedliche Sachen zum Ausprobieren. Frauen hingegen wollen meistens eine längere Beratung, fragen nach anderen Farben und Formen, um sich am Ende für das Richtige zu entscheiden.

Das ist jetzt voll Klischee, aber eine Frau hat mich noch nie nach dem technischen Aufbau eines Vibrators gefragt – Männer schon.

Der Verkaufsschlager hat also einen Motor?

Definitiv. Vibratoren verkaufen wir am meisten. Gerade Neukunden sind oft überrascht, wie viele unterschiedliche Modelle es gibt. Für Frauen zum Beispiel ist meistens die Grösse das wichtigste Thema, weil viele denken, es gäbe nur Riesenteile.

Dabei gibt es sowohl unterschiedliche Grössen, als auch verschiedene Vibrationen und Frequenzen sowie eine Auswahl an Materialien wie Holz, Glas und Silikon. Auch die Funktionen variieren: Es gibt G-Punkt-Stimulatoren, solche die innen und aussen stimulieren oder Partnervibratoren. Für mich ist dann noch wichtig, dass er einfach zu bedienen, ungiftig und am Besten auch noch schön ist.

Wie bringst Du verunsicherte Neukunden dazu, sich zu öffnen?

Das ist normalerweise gar nicht nötig. Wir begrüssen alle unsere Kunden und erkundigen uns, ob sie vielleicht eine Frage haben. Wenn nicht, dann dürfen sie gerne allein stöbern. Ich glaube jeder, der schon mal im Sexshop war, stand schon mal vor etwas, dass er nicht einordnen konnte.

Klar stehen wir für alle Fragen gerne zur Verfügung. Damit man aber nicht fragen muss, haben wir zu all unseren Toys Schilder mit Erklärungen aufgestellt.

Du bietest auch Sextoy-Parties an. Wie muss man sich so ein Event vorstellen?

Die sind immer super witzig! Wenn wir gebucht werden, zum Beispiel für einen Junggesellinnenabschied, packt eine von uns ihr Köfferchen mit Toys aus verschiedenen Bereichen wie Vibratoren, Filme und kleine Peitschen und macht sich auf den Weg in ein privates Wohnzimmer. Die Gastgeberin sorgt für das leibliche Wohl ihrer Gäste, wir präsentieren die Spielsachen und beantworten Fragen. Am Ende kann bei uns bestellt werden – muss aber nicht, da kein Kaufzwang herrscht – und wir schicken die Toys dann direkt nach Hause. Und ich kann sagen: Jede Party ist anders! Wir werden sogar für Firmenanlässe gebucht. So verklemmt können wir Schweizer also gar nicht sein.

A propos Peitschen! Probieren Deine Kunden seit Fifty Shades of Grey mehr Sachen in Richtung «Bondage» und «SM» aus?

Die Bücher und die grosse Welle in den Medien hat auf jeden Fall die Neugier geweckt. Wegen dem öffentlichen Interesse verändert man sich aber als Mensch nicht. Wenn man es vorher doof fand, findet man es nicht plötzlich lässig. Seit Fifty Shades of Grey wird aber generell mehr über Sex gesprochen, nicht nur über SM – und das ist sehr positiv. Mit dem Partner über seine Fantasien und Vorlieben zu reden fällt heute nämlich immer noch vielen Menschen sehr schwer.

Special Moments in ZürichAlexandra Haas hat Englische und Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft in Zürich studiert. 2005 machte sie ihre Leidenschaft zum Beruf und eröffnete den Erotik Shop Special Moments in Zürich. Dort veranstaltet sie mithilfe ihres Netzwerks Workshops und beantwortet Fragen rund um’s Thema Sex. 2009 erschien ausserdem ihr Buch Speisekarte der Lustspiele.

Interview: Julia Panknin, 7. Mai 2014

Mehr dazu