Scared Was, wenn Sex Angst auslöst?
Die meisten von uns verbinden Sex mit Spass, Intimität oder grossen Emotionen. Dass Geschlechtsverkehr auch Angst auslösen kann, ist für viele nur schwer vorstellbar. Thematisiert wird die Angst vor Sex kaum. Höchste Zeit, diesem Tabuthema eine Plattform zu bieten. Was du über Coitophobie wissen solltest und wie die Phobie überwunden werden kann.

Angst vor Sex: Das Wichtigste in Kürze
- Die krankhafte Angst vor Sex wird auch Coito- oder Koitophobie genannt. Zur Definition
- Die Angst vor dem Geschlechtsverkehr ist nicht zu verwechseln mit anderen Formen von sexuellen Phobien.
- Ob Versagensängste oder traumatische Erfahrungen – die Gründe für eine Coitophobie können unterschiedlich sein.
- Angstzustände aufgrund von Coitophobie können bereits durch Küsse oder intime Berührungen ausgelöst werden. Diese Angst manifestiert sich unter anderem in depressiven Verstimmungen oder Panikattacken.
- Eine Coitophobie kann mit der richtigen Therapie überwunden werden. Mehr zur Therapie
Die wohl bekanntesten Phobien sind die Arachnophobie (Angst vor Spinnen) oder Klaustrophobie (Angst vor engen geschlossenen Räumen). Diese Ängste sind für viele nachvollziehbar. Es gibt allerdings auch Phobien, die weniger Beachtung finden und für Aussenstehende weniger nachvollziehbar sind. Dazu zählt die Angst vor Sex – die Coitophobie. Wir erläutern dir, wie diese Angst entsteht und was Betroffene dagegen tun können.
Was bedeutet Coitophobie?
Das Wort Coitophobie setzt sich aus dem lateinischen Wort «coitus» für Sex und dem altgriechischen Wort «phobos» für Angst zusammen. Coitophobie oder Koitophobie bezeichnet also nichts anderes als die krankhafte Angst vor Sex. «Während Coitophobie – also die panische Angst vor Sex – sehr selten ist, kommen Sexualängste recht häufig vor», sagt Dania Schiftan, Sexologin aus Zürich.
Über Dania Schiftan

Als klinische Sexologin und Psychotherapeutin (FSP, Eidg. anerkannt) mit eigener Praxis arbeitet Dania Schiftan seit 2008 als Selbständige in Zürich. Sie ist Autorin von «Coming soon - Orgasmus ist Übungssache», «Keep it coming, Guter Sex ist Übugssache» und Graphic Novel «Lets talk about Sex». Dania Schiftan bietet regelmässig Kurse, Workshops und Weiterbildungen an.
Nicht damit zu verwechseln sind andere Angststörungen, die zwar ebenfalls mit Sexualität in Verbindung stehen, jedoch nicht per se die Angst vor Geschlechtsverkehr beschreiben. Dazu zählen unter anderem folgende Phobien:
- Philemaphobie (Angst vor dem Küssen)
- Osphresiophobie (Angst vor Körpergerüchen)
- Eurotophobie (Angst vor weiblichen Genitalien)
- Phallophobie (Angst vor männlichen Geschlechtsorganen)
- Esodophobie (Angst vor dem ersten Sexualakt)
- Spermatophobie (Angst vor Sperma)
- Gymnophobie (Angst vor Nacktheit)
- Oneirogmophobie (Angst vor feuchten Träumen)
Dania Schiftan meint, dass zum Beispiel aus der Angst vor Oralverkehr eine Coitophobie entstehen kann. Ein weiteres Beispiel: Im Rahmen ihrer Praxis behandelt sie eine Patientin, bei der die Phobie vor Sex so stark war, dass sie nicht mehr ins Schwimmbad gehen konnte, weil dort viel nackte Haut zu sehen war.
Wirkliche Phobien vor Sex sind sehr selten. Sexualängste hingegen kommen öfter vor.
Wie zeigt sich Sexualangst?
Eine Koitophobie zeigt sich neben der panischen Angst vor sexueller Aktivität oft auch durch weitere Symptome. Dazu zählen beispielsweise Depressionen, Panikattacken, Schweissausbrüche oder psychische Anspannungen, die sich auch ausserhalb von erotischen Settings zeigen können.
Nur schon der Gedanke an Sex kann bei Menschen mit Coitophobie Angstzustände auslösen. Aber auch Handlungen, die zum Geschlechtsverkehr führen können, versetzen Betroffene möglicherweise in einen Angstzustand. Dazu zählen zum Beispiel Küsse oder intime Berührungen.
Wo liegen die Ursachen für Angst vor Sex?
Die Angst vor dem Geschlechtsverkehr kann verschiedene Ursachen haben. «Wenn man noch nie Sex hatte, kann beispielsweise das Unbekannte oder Unberechenbare am Sex Phobien auslösen», sagt Dania Schiftan. Auch traumatische Erfahrungen oder Versagensängste können mögliche Ursachen sein. Folgend findest du die häufigsten Ursachen:
1 Erwartungsdruck: Viele von uns haben ganz bestimmte Vorstellungen davon, wie der perfekte Sex aussieht. Diese Erwartungen können einen extrem unter Druck setzen. Als Folge haben Betroffene Angst davor, den eigenen Erwartungen nicht gerecht zu werden.
2 Versagensängste: Unser Bild von Sex wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Ob in Pornos oder Serien – uns wird ein Bild davon vermittelt, wie Sex zu sein haben muss. Menschen mit Versagensängsten befürchten, diese Anforderungen nicht erfüllen zu können.
3 Traumatische Erfahrungen: Traumatische Erfahrungen wie Missbrauch können Angststörungen auslösen. Diese Angst ist ein Schutzmechanismus unseres Körpers, um zu verhindern, dass sich das Erlebte wiederholt.
4 Schmerzen: Bei Menschen, die schmerzhafte Erfahrungen mit Sex gemacht haben, kann Geschlechtsverkehr oder der Gedanke daran Angst auslösen. So kann beispielsweise Vaginismus dazu führen, dass Betroffene eine Angststörung entwickeln.
5 Angst vor sexuell übertragbaren Krankheiten: Menschen mit sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV werden stigmatisiert. Dieses Stigma kann dazu führen, dass Menschen aus Angst vor einer Ansteckung eine Coitophobie bilden.
6 Angst vor Schwangerschaft: Auch die Möglichkeit einer Schwangerschaft kann eine Phobie auslösen. «Mögliche Schwangerschaften sind häufige Gründe, weshalb Menschen mit Vulva Angst vor Sex haben», berichtet Dania Schiftan.
Was kann man gegen Koitophobie machen?
Die Angst vor Sex kann mit der richtigen Therapie überwunden werden. Dafür muss zuerst die Ursache für die Phobie in einer Gesprächstherapie eruiert werden. Danach könne laut Schiftan schrittweise herausgefunden werden, was geht und was nicht. Dazu können sich Patientinnen und Patienten selber anfassen. «Um die Phobie nachhaltig zu behandeln, ist es wichtig, langsam und Schritt für Schritt vorzugehen», sagt Schiftan.
Auch Sexualängste, die keine Phobie sind, sollten ernstgenommen werden. «Ängste können sich mit der Zeit verstärken oder gar weitere Ängste auslösen, wenn sie nicht therapiert werden», so die Sexologin. Es sei bei Anzeichen einer Angst deshalb wichtig, möglichst früh, Massnahmen zu ergreifen.
Wie bei anderen Phobien wird auch die Angst vor Sex oft dadurch befeuert, dass gewisse Situationen gemieden werden. Bei Coitophobie verzichten Betroffene auf Sex oder sexuelle Handlungen. Durch diesen Schutzmechanismus bleibt die Möglichkeit aus, dass sie neue, positive Erfahrungen machen.