Kommt auf den PunktLinda F. auf der Suche nach dem G.
Gut, besser, G-Punkt. Der G-Punkt verspricht königliche Orgasmen. Zu dumm nur, dass ihn bisher kaum einer gefunden hat. Wir haben uns auf Spurensuche gegeben und sind dabei auf eine ganze Fläche interessante Punkte gestossen.

Nur weniger Zentimeter nach dem Scheideneingang, irgendwo an der vorderen Vaginalwand, entlang der Harnröhre, zwischen Schambein und Gebärmutterhals soll er liegen: Der G-Punkt und die wohl erogenste Zone der Frau. Die leider ein ähnliches Schicksal teilt, wie die das berühmte Bernsteinzimmer: Man(n) findet sie einfach nicht!
G wie Gräfenberg
Dass man überhaupt um das Vorhandensein des G-Punktes der Frau weiss, verdanken wir dem Forscher und Namensgeber, Ernst Gräfenberg. Bereits im Jahre 1950 will der Gynäkologe bei Forschungen auf diese hoch empfindliche, erogene Zone der Frau gestossen sein. Der G-Punkt bildet danach quasi das Pendant zur männlichen Prostata. Als Navigationshilfe für alle, die nicht Arzt sind, verriet der G-Punkt-Entdecker ausserdem, dass sich die G-Fläche mit den Fingern ertasten lasse. Denn der korrekte Begriff ist eigentlich G-Fläche, weil die Stelle mehr als nur ein Punkt ist. Sie liegt im Inneren der Vagina auf der Bauchseite, und fühlt sich anders an als die umliegenden Bereiche. Empfinden wir Lust, schwellt die G-Fläche durchblutungsbedingt auf etwa die Grösse einer Walnuss an und fühle sich auch von der Oberflächenbeschaffenheit ebenso wellenförmig an wie die besagte Nuss, nur eben weicher.
G wie der Gipfel der Genüsse!
Nach den verlockenden Beschreibungen von Gräfenberg zogen immer mehr Forscher, aber vor allem Liebhaber und natürlich auch wir Frauen auf die Suche nach dem G-Punkt. Immerhin versprach die mühsame Suche hoch belohnt zu werden. Und zwar mit dem königlichsten aller Höhepunkte, bei dem die Frau nicht nur einen klitoralen, sondern sogar einen vaginalen, also vorgeblich tiefer liegenden und intensiveren Orgasmus empfinden soll. Der G-Punkt war der neue Stern am Lusthimmel und wartet nur darauf endlich entdeckt zu werden.
G wie Gegener
Doch so richtig klappen will es bis heute nicht mit der G-Punkt-Schatzsuche. Im Gegenteil: Der G-Punkt entpuppte sich nicht als ultimative Spasszone, sondern eher als ein unbekannter Gegner, der den Liebesakt zur orientierungslosen Hetzjagd und den Liebhaber zum vermeintlich Blinden werden lässt. Frauen machten sich daher kurzerhand selbst auf die Suche. Und siehe da: Auch sie sind nicht auf Gold, geschweige denn auf den G-Punkt gestossen. Jedenfalls berichtet das, laut zahlreicher Studien, die Mehrzahl der Frauen.
G wie «gibt es gar nicht»
Natürlich haben sich derweil nicht nur Privathaushalte, sondern vor allem auch die Wissenschaft auf Erkundungstour begeben. Aber auch sie kam zu keinem befriedigenden Ergebnis. Denn wissenschaftlich fundierte Beweise für die Existenz des G-Punktes gibt es tatsächlich bis heute nicht. Basierend auf der Annahme das jede anatomische Einheit des Körpers bereits in den Genen angelegt sein muss, versuchte eine Studie der Londoner King’s College die genetische Basis für den G-Punkt zu finden. Ergebnis: nüt.
Allerdings ist auch das Gegenteil nicht wirklich bewiesen, denn um die Existenz und Nichtexistenz zu beweisen, braucht es Wiederholungsstudien und Neubewertungen. Doch daran haben nicht alle ein Interesse.
G wie Geldschneiderei?
Dass der G-Punkt, trotz seines geringen Vorkommens, eine derartige Aufmerksamkeit erlebt, ist zufolge seiner Kritiker eine rein kommerzielle Masche. Mit dem Versprechen auf einen ultimativen Lustkopf, der bei der Göttergattin wahre Explosionen auslöst, lässt sich eben ein gutes Geschäft machen. Und tatsächlich kann sich der Markt vor Ratgeberbüchern und DVDs, speziellen G-Punkt Sexspielzeugen und anderen Navigationshilfen zur G-Punkt-Stimulation kaum retten. Sogar die «Medizin» bietet seit einigen Jahren so genannte G-Punkt-Aufspritzungen an. Hierbei wird der vermutete Bereich des G-Punkts mit Hyaluronsäure oder Eigenfett unterfüttert, damit grösser und vermeintlich leichter auffindbar gemacht. Die Schweizer Sexualforscherin Andrea Burri, Leiterin der britischen G-Punkt-Studie glaubt dagegen, man hätte den G-Punkt längst finden müssen, wenn er denn so klar existent wäre. Schliesslich diskutiere niemand über die Existenz der Klitoris.
Gibt es bessere und schlechtere Orgasmen?
Der Grund warum wir den G-Punkt nur ungern ungefunden lassen wollen, liegt vermutlich daran, dass man ihn für den Ein- und Ausschaltknopf vaginaler Orgasmen hält. Und den wollen wir unbedingt drücken. Denn tatsächlich bestätigen aktuellere Studien aus der Sexualforschung, dass über 70 Prozent aller Frauen allein durch die direkte Stimulation der Klitoris einen Orgasmus bekommen. Haben all diese Frauen den G-Punkt einfach nicht gefunden? Dabei soll der vaginale Orgasmus natürlich niemand genommen werden, vielmehr sollte all jenen Gelassenheit geschenkt sein, denen es nicht gelingt. Und dies fiele sicherlich leichter, wenn wir aufhören nach etwas zu suchen, das es vielleicht gar nicht gibt?
G wie Gefühl
Geldmache, Gegner, Genusspunkt? Was der G-Punkt wirklich für Sie ist oder was er kann, können Sie nur selbst herausfinden. Denn nur eines steht wohl sicher fest: Der G-Punkt wird grösser gemacht, als er ist. Denn in einem sind sich Wissenschaftler, Sexualtherapeuten und vor allem glückliche Paare einig: Der G-Punkt ist keineswegs das einzige Geheimnis für guten Sex. Lust spielt sich nämlich nicht nur in unseren Geschlechtsorganen ab, sondern auch im Kopf. Herz und Hirn sind die erogensten Zonen unseres Körpers. Warum? Ganz einfach: Weil der Mensch kein Roboter ist, bei dem es genügt einen Knopf zu drücken. Der Mensch ist ein Seelenwesen und will auch dort berührt werden. Wer seinen Partner glücklich machen möchte, setzt der Suche also kein Ende, sondern erkundet seine Liebste in allen Details und dem «G» wie Gemeinsamkeit.
Foto: Photodisc