KIND UND KARRIERE«Uns Frauen fehlen die realen Vorbilder»

INTERVIEW Sabine Wittwer bewundert Superfrauen wie Sheryl Sandberg, aber für eine Vorbildrolle ist die Facebook-Managerin zu weit weg. Stattdessen ist die Co-Redaktionsleiterin des Friday Magazins selbst ein Vorbild geworden – für Frauen die beides wollen: Kind und Karriere.

Kind und Karriere vereinbaren: Frauen fehlen echte Vorbilder. Sabine Wittwer schliesst diese Lücke.

Ich war nie ein ausgesprochener Morgenmensch, das hat sich auch mit der Geburt unseres Sohnes nicht geändert - aber jetzt klingelt der Wecker nun mal um halb sieben. Unser Bub geht an drei Tagen die Woche in die Krippe, den Rest teilen sich mein Mann und ich. Ich kam von Anfang an gut klar damit – und der Kleine auch.

Ich muss lachen, wenn ich heute daran denke, wie beschwingt ich am ersten Tag nach meiner sechsmonatigen Babypause auf den Bus hüpfte, um zur Arbeit zu fahren. Wie ich es genoss, einfach mal wieder in meinem eigenen Tempo unterwegs zu sein.

Ich arbeite heute schon anders als vor der Geburt meines Sohnes. Konzentrierter und wohl auch effizienter.

Vor allem, weil ich nur noch 80 statt 100 Prozent arbeite und in diese vier Tage möglichst viel packen will. Und weil ich das Büro abends rechtzeitig verlassen muss. Früher war ich oft noch lange in der Redaktion oder ging mit dem Team noch etwas trinken. Das kommt heute kaum mehr vor.

Wahrscheinlich denke ich als berufstätige Mutter auch vernetzter, weil ich ständig tausend Dinge gleichzeitig im Kopf haben muss. Wir haben bei Friday eine Co-Leitung und relativ flexible Arbeitszeiten, das erleichtert vieles. Wenn keine Termine anstehen, kann ich auch mal von zuhause aus arbeiten: Texte redigieren, Layouts abnehmen, Emails beantworten. Bleibt Arbeit liegen, etwa wenn der Kleine krank ist, mache ich es am Abend fertig. Oder ich komme am nächsten Tag früher in die Redaktion.

ÜBER SABINE WITTWER

Sabine Wittwer ist Co-Redaktionsleiterin des Magazins 20 Minuten Friday sowie der Online-Ausgabe friday-magazine.ch und Mutter eines bald 2-jährigen Buben. Femelle hat sie erzählt, wie sie das Leben als berufstätige Mutter meistert – und warum sie zuerst gezögert hat, Kind und Karriere gleichzeitig zu wagen.

Es ist mir wichtig, dass bei Friday ein Klima herrscht, wo sich junge Mütter wohl fühlen. Immerhin sind wir mittlerweile fünf Mamas im Team, mit Arbeitspensen zwischen 40 und 80 Prozent. Ich möchte das auch vorleben. Mich selber hat das Thema Job und Familie lange verunsichert. Ich hatte immer meinen Job, meine eigenen Perspektiven, meine finanzielle Unabhängigkeit. Das gehört zu mir, so fühle ich mich wohl, das bin ich. Der Gedanke, mein Arbeitspensum zugunsten der Familienplanung stark zu reduzieren, fühlte sich nicht richtig an. In meinem Umfeld fehlten mir aber die entsprechenden Vorbilder, und ich kann mir vorstellen, dass es vielen Frauen so geht. Wir brauchen mehr reale Identifikationsfiguren.

Mediale Superfrauen wie Sheryl Sandberg und Marissa Mayer kann ich zwar bewundern, aber sie haben mit meinem Leben wenig bis gar nichts zu tun.

Als dann eine Kollegin schwanger wurde und trotzdem 80 Prozent als Ressortleiterin weiterarbeitete, dachte ich: Es geht ja! Fast zur selben Zeit erzählte mir die Marketingchefin eines grossen Kosmetikkonzerns, wie sie Familie und Karriere vereint. Sie war so voller Energie, so positiv und vor allem offensichtlich glücklich – das hat bei mir viel ausgelöst.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mich in einer privilegierten Lage befinde. Mein Mann und ich können beide ähnlich flexibel arbeiten und uns die Zeit mit unserem Kind so gut aufteilen. Ich habe zwar einen intensiven Job, aber ich kann abschalten, wenn ich nach Hause komme. Ich habe keine Nachtschichten oder unregelmässige und wenig flexible Arbeitszeiten wie so viele andere Mütter in so vielen anderen Jobs.

Klar, ist es unsexy seinen Tag so minutiös durchplanen zu müssen.

Und ich hätte gern mehr Zeit. Interessant ist allerdings, dass andere Mütter mit weniger hohen Arbeitspensen oder Vollzeitmütter genau dasselbe sagen. Vermutlich hat jedes Lebensmodell seine Sonnen- und Schattenseiten, und wir alle kommen an manchen Tagen an unsere Grenzen. Als Belastung empfinde ich Job und Familie jedoch nicht. Für mich ist es eine Bereicherung, beides zu haben.

Sabine Eva Wittwer (40) wurde vor knapp zwei Jahren Mutter und hat den Entscheid, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen, nie bereut. Bevor sie in die Redaktion zurückkehrte, war sie ein halbes Jahr im Mutterschaftsurlaub.

Protokoll aufgezeichnet von Miriam Suter, 09.04.2015, Titelfoto: iStock

 
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