Oben ohneNo Boobs Club – nichts zu verstecken!

Dass sie sich ausgerechnet unter anderen Frauen für ihre Oberweite schämt, hat Redaktorin Joséphine überrascht. Trotzdem hat sie es noch mal versucht – oben ohne in der Frauenbadi.

Oben ohne in der Frauenbadi

Wenn ich Frauen sagen höre, sie hätten kleine Brüste, kann ich nur schmunzeln. Bei mir sieht sogar ein Bügel-BH in A-Körbchengrösse so aus, als wolle ich noch zwei Tacos für den kleinen Hunger später darin verstauen. Das schien mich alles nie zu stören, denn im Grunde mag ich meine kaum vorhandene Oberweite. Ich habe diesem «Zustand« sogar den charmanten Namen No Boobs Club verliehen, warte allerdings noch auf weitere Member. Eine kleine Oberweite zu haben, empfinde ich als praktisch, denn ich kann getrost auf einen BH verzichten. Zudem finde ich, ist sie irgendwie elegant – an dieser Stelle mal ein Shoutout an Jane Birkin, die kleine Boobs salonfähig gemacht hat. Und von männlichen Betrachtern habe ich auch noch nie eine Reklamation gehört, im Gegenteil.

Doch neulich fiel mir auf, dass ich mit meinem Körper scheinbar doch nicht so im Reinen bin. Denn ich schäme mich wegen meiner Miniboobs mehr vor Frauen, als vor Männern. Aufgefallen ist mir dies, als ich mich mit einer Freundin in der Frauenbadi zum Schwimmen verabredete.

Da sassen wir nun mit unserer Mikrooberweite und trugen als Einzige ein Oberteil

Nachdem wir zwei bald zehn Minuten schweigend nebeneinander sassen und die schönen Amazonen um uns herum beobachteten, hörte ich sie sagen: «Krass, ich könnte hier nie oben ohne sitzen». «Ich auch nicht», stimmte ich zu. Nach einer weiteren Schweigeminute fügte sie hinzu: «Dabei haben wir beide doch am wenigsten zu verstecken». Da sassen wir nun mit unserer Mikrooberweite und beide trugen wir als Einzige in der Masse an Frauen ein Oberteil.

Da war die ältere Dame, deren üppige, mittlerweile von der Schwerkraft hängenden Brüste beim Schwimmen auf der Oberfläche des Wassers plötzlich prall wie zwei Bojen aufschwebten. Sie schien mit ihrem Doppel D noch nie ein Problem gehabt zu haben, denn auf ihren Megaboobs war keine Spur eines weissen Badeanzug-Abdruckes zu sehen. In der Sonne lag eine junge, braungebrannte Frau, die stolz ihre Silikonimplantate zur Schau stellte. Offenbar war sie mit ihren kleineren Boobs nicht zufrieden gewesen und hat etwas dagegen unternommen. Und dann war da noch meine mich plötzliche grüssende Bekannte, von der ich erst in dem Moment erfuhr, dass sie ein Nippelpiercing trägt. Das liess mich, neben dem Gedanken ob das nicht höllisch wehtun muss, aber recht kalt. 

Femelle Logo

Illustration: ©Joséphine Marfurt

Viel mehr beschäftigte mich, wieso ich mein Leben lang noch nie oben ohne in der Badi oder am Meer sass. Mir schien plötzlich, als läge das Geheimnis des Glücks im Ausleben dieser kollektiven freien Körperkultur. Etwa wie in einer Sekte: «Komm zu uns, zieh dich aus und mach mit. Das Wohl der Weiblichkeit wird dich überkommen und gemeinsam und durch unsere freigelegten Areolen schöpfen wir Kraft und Zufriedenheit». Obwohl ich nicht auf so Sachen stehe, müsste ich es doch zumindest mal ausprobieren. Der Zufriedenheit zuliebe.

Nun fühlte ich mich nicht nur nackt, sondern unhöflich obszön

An einem heissen Nachmittag ging ich allein in die Frauenbadi, fest entschlossen, dass ich nun auch eine dieser Frauen sein würde, die sich pudelwohl in ihrer frei exponierten Haut fühlen. Nachdem ich mich eingerichtet hatte, bemerkte ich, dass ausgerechnet an diesem Tag keine andere Frau oben ohne war. Verflixt! Aber ich probierte es trotzdem. Der Zufriedenheit zuliebe. Als ich endlich den zweiten Träger von meiner Schulter löste, stieg in dem Moment eine jüdisch orthodoxe Mädchenklasse ins Wasser – allesamt mit Kopftuch, Rollkragen-Shirt und langem Rock bekleidet. Nun fühlte ich mich nicht nur nackt, sondern unhöflich obszön.

Keine volle Sekunde verging, da verspürte ich ohne Oberteil schon ein sehr tiefes Unbehagen. Die ganze Zeit überlegte ich panisch, was ich tun würde, wenn eine Freundin um die Ecke käme und mich erkennen würde. In der steigenden Panik nahm ich mein Buch als eine Art Schild vor mich und «las» immer intensiver. Dabei verdeckte ich mein Gesicht, als ob die Sonne mich ganz stark blendete. Dann, nach sage und schreibe 32 tapferen Sekunden, beschloss ich, dass ich mein Tshirt nun wieder anziehen dürfe. Der Zufriedenheit zuliebe.

Selten war ich so sehr verkrampft

Ich hatte damit gerechnet, man würde mich aus der Frauenbadi rausschmeissen, weil man ohne Top bei mir hätte denken können, ich sei ein Mann. Ist nicht eingetroffen. Ich wurde auch von niemandem angeglotzt, oder wegen meines Mankos ausgelacht. Aber ich hatte oben ohne weder ein befreites, noch ein zufriedenes Gefühl. Selten war ich so sehr verkrampft und hatte so wenig Spass, wie bei diesem Versuch. Und ging es bei den anderen Frauen nicht gerade darum?

Wahrscheinlich hat es mir so wenig Spass gemacht, weil ich A. zu prüde bin – oh ja, das gibt es noch – und B. weil ich in einer Masse von 100 Frauen nicht die Schwarz-auf-Weiss-Bestätigung brauche, dass ich wirklich die kleinsten Boobs habe. Traurig aber wahr. Vor einem Mann stört es mich weniger, weil ich mir denke, dass er sich glücklich schätzen kann sie überhaupt sehen zu dürfen. Aber im direkten Vergleich vor anderen Frauen fühle ich mich tatsächlich, als hätte ich in der Evolution versagt. Und obwohl ich die Tochter eines Hippies bin, werde ich leider niemals eine der Frauen sein, die mit ihren frei baumelnden Boobs über ihr gestriges Risottorezept mit einer Freundin in der Badi reden wird. Meiner Zufriedenheit zuliebe.

Illustration: ©Joséphine Marfurt

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