Vegan leben«Veganismus ist keine Diät»

INTERVIEW Was essen Veganer eigentlich zum Frühstück - so ganz ohne Milch, Butter und Eier? Das und viel mehr wollten wir von Sandra Weber, Gründerin des veganen Frühstückcafés «Vlowers», wissen. Ausserdem hatte sie jede Menge hilfreiche Insidertipps für den Einstieg in ein gesundes, veganes Leben im Gepäck.

Vegane Ernährung im Check

Guten Morgen, Sandra. Verrätst Du uns, was Du heute gefrühstückt hast?

Lustig, genau mit dieser Frage habe ich gerechnet. Heute Morgen hatte ich einen Porridge aus Quinoa.

Süss oder salzig?

Süss. Ich habe Früchte dazu gegeben und ihn ausserdem mit Agavendicksaft gesüsst. Der Porridge ist fruchtig, sättigt sehr lang und gibt dir am Morgen schon ganz viel Power.

Sandra's veganes Rezept für Birchermüesli (für ca. 6 Portionen)

  • 250 g feine Haferflöckli
  • 1 dl Hafermilch (oder Soja-, Reismilch)
  • 500 g Vanille-Sojajoghurt
  • 2 Bananen
  • 2 Äpfel
  • 2 Birnen
  • 2 EL Agavendicksaft
  • 3 EL Kokosflocken

Haferflöckli in Schüssel geben. Mit Hafermilch übergiessen, sodass die Flocken bedeckt sind und die Flüssigkeit aufsaugen können. Früchte in mundgerechte Stücke schneiden. Zusammen mit dem Vanillejoghurt in die Schüssel geben. Nach Geschmack mit Agavendicksaft süssen, Kokosflocken untermischen. Zum Servieren evtl. als Dekoration nochmals einen Löffel Kokosflocken über das Birchermüesli geben und nicht mehr umrühren.

Einkaufstipp: Vanille-Sojajoghurt gibt?s im Bioladen oder Reformhaus. Agavendicksaft, Kokosflocken, Hafer-, Soja- oder Reismilch sind in gut sortierten Supermärkten erhältlich.

Und wie sieht Deine Ernährung im Laufe des Tages aus?

Viel frische Früchte und Gemüse. Tendenziell koche ich relativ viel daheim, z.B. Gerichte mit Linsen oder Kichererbsen. Es gibt jedoch auch immer mehr Restaurants, die leckere vegane Gerichte anbieten, vor allem vegetarische Restaurants vergrössern ihr Angebot ständig. Für unterwegs kann man sich mittlerweile in vielen Bioläden auch vegane Sandwiches holen.

Sandra's vegane Hotspots in Zürich

  • «Vlowers», Frühstückscafé, jeden Samstag von 10-13 Uhr, vlowers.ch
  • «Eva's Apples», Lebensmittel-Shop, evas-apples.ch
  • «Vegelateria», Restaurant und vegane Glacés, vegelateria.ch
  • «Les Gourmandises de Miyuko», Café mit veganen Torten miyuko.ch
  • «Pretty and Pure», Organic Make Up Shop, prettyandpure.ch

Wie ist das Angebot an rein veganen Läden in der Schweiz?

Es gibt nur einen rein veganen Laden in Zürich: Eva's Apples, und einen in Schaffhausen, den littl' shop of ethics, that's it. Da ich in Zürich lebe, kaufe ich regelmässig bei Eva ein. Dort bekommst du auch Spezialprodukte - für zwischendurch zum Beispiel mal einen veganen Rollschinken oder Käse. Manchmal ist es auch einfach ein Gag, zu kucken «Na, was gibt's denn jetzt wieder Neues?» Zum Beispiel jetzt zu Ostern. Wenn man seine Kinder vegan ernährt, will man ihnen ja auch etwas bieten können. Aber grundsätzlich muss man wissen, dass alles, was in der Natur wächst, vegan ist. Alle Früchte, Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse... Und das gibt es in jedem Laden.

Kinder vegan zu ernähren ist immer wieder ein Streitpunkt zwischen pro- und contra-vegan. Wie stehst Du dazu?

Ich denke, es ist die Frage, wie Du es machst. Egal ob vegan oder nicht-vegan, du kannst deine Kinder entweder gesund oder ungesund ernähren. Wenn du sie zum Beispiel nicht vegan, aber vorwiegend mit Fast Food fütterst, dann ist das auch nicht gesund. Dann bekommen sie Mangelerscheinungen, weil ihnen gewisse Nährstoffe fehlen.

Und wie ernährt man sich vegan möglichst gesund?

Eben vielfältig und abwechslungsreich. Viele Früchte, viel Gemüse, viele Hülsenfrüchte und viele gute Getreide. Dafür wenig Zucker, wenig Weissmehl ? also das, was auch in einer nicht-veganen Ernährung als gesund gilt. Das Einzige, worauf man wirklich achten muss, ist das Vitamin B12. Das ist der einzige Stoff, den Du nicht aus rein pflanzlichen Lebensmitteln aufnehmen kannst. Man braucht zwar sehr wenig davon, aber man braucht es zwingend und zwar schon als Kind.

Wie nimmt man als Veganer Vitamin B12 zu sich?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel verwendet Starbucks eine Sojamilch, die mit Vitamin B12 angereichert ist. Es gibt auch eine angereicherte Zahnpasta von Santé, was super ist, da man B12 über die Mundschleimhaut sehr gut aufnimmt. Die beste Versorgung erhält man im Normalfall jedoch durch spezielle B12-Präparate, die man regelmässig einnimmt. Das Ganze ist nicht dramatischer, als ein Präparat gegen Magnesiummangel. Es ist also nichts, was einem Angst machen sollte, aber man sollte es ernst nehmen, wenn man Veganer werden will.

Wie war das bei dir? Hattest du einen AHA-Moment, von dem an Du entschieden hast: «Jetzt werd ich Veganerin!» ?

Das war eher ein Zeitraum von zwei bis drei Wochen. Vegetarierin bin ich schon seitdem ich 13 bin, aber erst vor zwei Jahren habe ich mich auf der Homepage der Gesellschaft für Vegetarismus offiziell als Mitglied eingetragen und angefangen mich detaillierter zum Thema Tierhaltung zu informieren. Was ich dort gesehen hab, war schrecklicher als alles, was ich mir in meinen schlimmsten Alpträumen ausgemalt hatte. Umso mehr ich wusste, desto klarer wurde meine Entscheidung. Und irgendwann war es dann sonnenklar.

Es kostet Zeit, sich gesund und vegan zu ernähren.

Ja, das stimmt. Gerade am Anfang muss man einen grossen Aufwand leisten, um heraus zu finden, woher man die Nährstoffe und Produkte bekommt und wie man sie zubereitet. Das ist aber auch super spannend. Es ist ja nichts Negatives daran, wenn man weiss, in welchen Nahrungsmitteln welche Nährstoffe stecken. Auch Geschmacksrichtungen und das Kochen generell neu zu entdecken, ist toll. Es ist wirklich eine interessante Reise, mit der ich nicht gerechnet hätte. Zudem sind Veganer extrem gut vernetzt. Wissen wird ausgetauscht und man kann jederzeit Fragen stellen. So bist du immer super informiert und weisst, dass du nicht allein bist.

Wie hat Dein Umfeld reagiert?

Es gab niemanden, der total negativ reagiert hat. Mein Freund hat sogar nachgezogen und darüber bin ich sehr froh. Es verändern sich ja nicht nur die Essensgewohnheiten, es ist auch die Einstellung zu vielen Dingen. Ich bin heute zum Beispiel offener für soziale Themen im Allgemeinen. Und wenn Dein Partner sich gar nicht mitentwickelt, dann stell ich mir das noch schwierig vor. Aber das ist ja nicht nur so, wenn man sich für ein veganes Leben entscheidet, das gilt für alle grösseren Veränderungen.

Die Mutter meines Freundes hat es zum Beispiel am Anfang gar nicht verstanden. Aber wie auch? Wenn Du es immer anders gekannt hast, dann denkst du dir wahrscheinlich schon: «Was ist denn jetzt plötzlich das Problem?» Sie gibt sich heute aber wirklich Mühe.

Hast Du anfangs darüber nachgedacht, ob vegane Ernährung Deinem Körper vielleicht nicht alles geben kann, was er braucht?

Ich habe das nie in Frage gestellt, vielleicht auch, weil ich vorher schon kein Fleisch und nur wenig Fisch gegessen habe. Daher wusste ich, dass man diese Dinge nicht braucht, um gesund zu sein. Und ich bin kein Mensch, der alles glaubt, was in der Werbung gesagt wird, also von wegen «Man braucht Milch für starke Knochen»...

Und schwache Momente hast du keine?

Nein, weil ich es nicht als Verzicht ansehe. Veganismus ist keine Diät, es ist eine Lebensart zu der ich mich aus voller Überzeugung entschieden habe. Ich kann mir heute nicht mehr vorstellen, anders zu leben. Natürlich gibt es Momente, die ein wenig mühsam sind, gerade wenn du irgendwo eingeladen bist. Wenn ich allerdings an das Leid der Tiere denke, ist es mir jeden Aufwand wert.

Hast Du nach diesen zwei Jahren das Gefühl, dass Du Dich der Einfachheit halber eher mit Veganern umgibst?

Teilweise schon. Wenn Du mit Veganern zusammen bist, musst du einfach nicht ständig über das Thema reden. Aber auch diese Gruppe verändert und vergrössert sich immer wieder, sodass man nicht immer nur mit den gleichen Menschen zusammenhängt. Mir ist es aber auch wichtig, nicht nur mit Veganer zusammen zu sein. Ich möchte den Veganismus auf schöne Art und Weise raus in die Welt tragen und den Menschen die Hemmungen nehmen. Deshalb habe ich auch das vegane Frühstückscafé eröffnet.

Dort kann ich ihnen zeigen «Es geht, es ist fein, es ist machbar...» und sie können entdecken, dass ein veganes Brunchbuffet auf den ersten Blick gar nicht so anders ist und man sich genau so lecker voll essen kann.

Wir befinden uns in der glücklichen Lage, dass wir aus einer grossen Auswahl an Lebensmitteln wählen können. Gleichzeitig erfordert eine vegane Ernährung doch auch sicher einen gewissen finanziellen Background... Empfindest Du es als Luxus, vegan zu leben?

Ich glaube eher, dass Tierprodukte im Überfluss ein Luxus sind. Gerade weil wir so viele Lebensmittel wegschmeissen und so viele Tiere unnötig sterben. Aber natürlich ist es ein Luxus, dass wir auswählen können, was wir essen. Ich denke jedoch, dass uns gerade diese Situation dazu verpflichtet, eine gute Wahl zu treffen. Und preislich... Wenn Du natürlich unbedingt Spezialprodukte möchtest und diese im Bioladen oder in kleinen spezialisierten Läden einkaufst, dann ist das natürlich entsprechend teurer. Aber das ist es auch, wenn ein Nicht-Veganer im Bioladen einkauft.

Vegan gesund leben

Sandra Weber schreibt eine Kolumne zum Thema Veganismus im Magazin «oliv» und betreibt den Blog «Vlowers».

Seit Januar 2014 führt sie jeden Samstag das gleichnamige vegane Frühstückscafe im Kafi des GZ Wipkingen und gibt ab Mai 2014 Frühstückskochkurse in der Migros Klubschule.

Sie ist ausserdem Mitglied der Veganen Gesellschaft Schweiz.

Bild: Unsplash

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