Was ist wirklich drin?Welche Inhaltsstoffe in Kosmetik schaden

Nadine Schäppis Badezimmer kommt schon seit Jahren ganz ohne Silikon, Mineralöl und Alkohol aus. Femelle.ch hat Nadine Schäppi in ihrem Beauty Concept Stores Pretty & Pure besucht und gefragt, welche Inhaltsstoffe in Kosmetik schaden und warum sie auf Naturkosmetik schwört.

Verschiedene Kräuter auf einem Tisch.

Frau Schäppi, Sie wollen in Ihrem Beauty Concept Store Frauen den Zusammenhang zwischen innerer und äusserer Schönheit näher bringen. Was bedeutet das für Sie?

Die konventionelle Kosmetikindustrie ist sehr darauf bedacht, Makel zu definieren und zu beheben, die unserer Meinung nach gar keine sind. Der Mensch ist eben nicht perfekt! Statt Frauen unter superdeckendem Camouflage-Makeup zu verstecken, das keine Pore mehr durchscheinen lässt, finden wir, dass die Haut noch zu sehen sein soll. Man kann sie ja auch so pflegen, dass es gar nicht nötig ist viel abzudecken. Eine Porzellanteint und ein cellulitefreier Po wie bei einer Barbiepuppe ist nicht erstrebenswert, denn dann werden wir nie fertig und sind immer unzufrieden. Und Unzufriedenheit macht nicht schöner. Deshalb wollen wir Frauen dazu ermuntern, die eigenen Vorzüge zu betonen und zu schätzen, statt sich nur darauf zu konzentrieren, was an ihnen nicht so perfekt ist oder nicht dem Schönheitsideal entspricht.

Weil zufriedene Frauen die schöneren Frauen sind?

Menschen, die glücklich und zufrieden sind, strahlen eine Schönheit aus, die man mit reinen Äusserlichkeiten nicht vergleichen und schon gar nicht erreichen kann. Da macht es auch keinen Unterschied, wie alt eine Frau ist, ob die Nase ein bisschen gross oder die Lippen ein bisschen schmal sind. Deshalb möchten wir mit unseren Beauty-Behandlungen auch Entspanntheit und Ausgeglichenheit fördern.

Über Nadine Schäppi
Inhaberin Beauty Concept Store
Pretty & Pure

Neben ihrer konventionellen Kosmetikausbildung, bildete sich Nadine Schäppi zur ganzheitlichen Naturkosmetikerin weiter. Gemeinsam mit Green Makeup Artist Sarah Semrau führt sie das «Organic Beauty Department Pretty & Pure» in Zürich. Schäppi und Semrau setzen nicht nur auf rein natürliche Kosmetikprodukte, sondern möchten Ihren Kundinnen auch vermitteln, das innere und äussere Schönheit zusammengehören. Die Beauty-Behandlungen von Pretty & Pure sollen deshalb nicht nur schöner machen, sondern auch Ruhe, Entspannung und Ausgeglichenheit fördern.

Pretty & Pure
Weinbergstrasse 25, 8001 Zürich
Di-Fr 11.00-18.30 Uhr
Sa 11.00-16.00 Uhr
prettyandpure.ch

Sind Sie auch deshalb Naturkosmetikerin geworden?

Ich habe schon als Jugendliche von meiner Mutter immer nur Bio-Kosmetik bekommen  - und hatte immer gute Haut, keine Akne oder Pickelchen bis ich mit 22 anfing konventionelle Produkte zu benutzen. Plötzlich hatte ich richtig unreine Haut und nichts half, ausser wieder rein natürliche Pflegeprodukte zu benutzen. Damit habe ich die Haut relativ schnell wieder gesund gepflegt. Gleichzeitig habe ich begonnen mehr über Inhaltsstoffe in Kosmetik zu recherchieren und mich mit Naturkosmetik zu beschäftigen.  

Wie hat sich Ihr Körper verändert, nachdem Sie auf rein organische Kosmetik umgestiegen sind?

Früher wurde mein feines Haar immer sehr schnell fettig. Gleichzeitig neigte ich zu Schuppen und leichtem Jucken der Kopfhaut. Jetzt benutze nur noch Shampoos ohne Parabene, Silikone und Sulfate und meiner Kopfhaut geht es viel besser, denn diese Schaum- und Konservierungsstoffe sind sehr aggressiv.

Ich hatte früher auch Probleme mit den Lymphknoten. Sie waren oft ein wenig geschwollen und haben unter den Achseln Schmerzen verursacht. Seitdem ich keine konventionellen Deos mit Aluminium mehr benutze, habe ich diese Beschwerden nicht mehr.

Was ist schlecht an Deos mit Aluminium?

Man weiss heute, dass Aluminium die Blut-Hirnschranke passieren kann und vom Lymphsystem im ganzen Körper verteilt wird. Zudem haben Studien Zusammenhänge zwischen Alzheimer und Aluminiumpartikeln im Hirn festgestellt. Ein Zusammenhang besteht auch zwischen Brustkrebs und Aluminiumablagerungen in den Lyphknoten und im Brustgewebe.

Und das kommt wirklich von Deos?

Es gibt auch noch andere Quellen wie zum Beispiel Konservendosen oder Kaffeekapseln. Aber wenn ich weiss, dass Aluminiumverbindungen im Deo sind, kann ich es ja weglassen. Ich möchte das Risiko einfach nicht eingehen. Wir sind auch so schon genug toxischen Quellen ausgesetzt, von denen wir nichts wissen und die wir nicht beeinflussen können.

Silikone – diese Inhaltsstoffe in Kosmetik kennen die meisten und viele haben auch schon gehört, dass sie schlecht sein sollen. Warum?

Bei Silikonen handelt sich um synthetische Öle, die aus Mineralöl gemacht werden. Sie sind häufig in Haarpflegeprodukten enthalten, sehr oft zum Beispiel in Conditioner. Da sie nicht wasserlöslich sind, werden sie nicht mit der Haarwäsche ausgewaschen und setzen sich am Haar und auf der Kopfhaut ab. Das kann die Hautfunktionen einschränken, denn die Haut kann Silikone nicht verarbeiten. Silikone in Makeup-Produkten verstopfen die Poren. Ausserdem sind Silikone nicht biologisch abbaubar. Sie müssen in der Kläranlage rausgefiltert werden. Man kann aber nicht sicher sagen, ob und wie viel noch als Rückstände in unserem Trinkwasser landen.

Und warum sind Parabene in Kosmetik schädlich?

Parabene werden als synthetische Konservierungsmittel eingesetzt, sind ihrer Wirkung sehr aggressiv, hormonell wirksam und werden häufig mit Kontaktallergien in Verbindung gebracht. Sie konservieren nicht nur das Kosmetikprodukt, sondern gewisse Bestandteile unseres gesunden Hautmilieus werden mitkonserviert. Dadurch gerät der natürliche Hautschutzmantel aus dem Gleichgewicht. Man vermutet auch, dass Parabene die Haut durchlässiger machen. Dadurch wird sie weniger widerstandskräftig gegenüber Umwelteinflüssen, Schmutzpartikeln und Sonneneinstrahlung.

Für unsere Seen und Flüsse und die darin lebenden Tiere und Mikroorganismen sind Parabene auch nicht von Vorteil. Die durchschnittliche Frau benutzt am Tag zwischen 5 und 20 Kosmetikprodukten. Die meisten davon enthalten Parabene und diese landen letztlich in unserer Umwelt, wenn wir zum Beispiel an den Strand oder in die Badi gehen.

Das tönt dramatisch. Aber kann man so einfach auf reine Naturkosmetik umsteigen? Schliesslich steht auf Kosmetikprodukten oft Bio drauf, obwohl Chemie drin ist.

Naturkosmetik, organische Kosmetik oder Biokosmetik - leider ist keiner dieser Begriffe geschützt. Nach aussen vermitteln viele Firmen das Bild, dass sie natürliche Kosmetik herstellen, aber in der Liste der Inhaltsstoffe steht nur Kauderwelsch das kein Mensch versteht, der sich nicht jahrelang damit beschäftigt hat oder Chemiker ist. Eine gute Hilfe im Angebotsdschungel sind deshalb Zertifizierungen. In der Schweiz sind die bekannten Bio-Zertifikate das NaTrue-Label, das BDIH-Siegel und Ecocert.

Der Begriff «natürlich» kommt oft im Doppelpack mit «nachhaltig». Sind natürliche Produkte denn auch immer nachhaltig?

Wenn der Hersteller ein ganzheitliches Konzept verfolgt auf jeden Fall. Die Ganzheitlichkeit umfasst ein Paket von Fragen an das Produkt: Wie wirkt es? Unterstützt es die Köperfunktionen oder beeinträchtigt es sie? Wie wurde es produziert? Für das Produkt darf niemand ausgebeutet werden, es darf kein Tierleid verursachen und die Umwelt darf keinen Schaden nehmen. Denn bei jedem nicht nachhaltigen Produkt zahlt man die Schäden mit,  die die konventionelle Kosmetikindustrie mit sich bringt.

Können denn Kosmetik-Hersteller immer genau nachverfolgen, woher ein Inhaltsstoff kommt und wie er produziert wurde?

Bei jedem einzelnen Inhaltsstoff zu wissen, wie er erzeugt wurde und dabei den Überblick zu behalten, ist für Hersteller manchmal schwer. Es gibt noch einiges, das nicht optimal funktioniert. Palmöl zum Beispiel werden sehr oft in konventionellen Produkten eingesetzt, leider aber auch manchmal in Bio-Produkten. Zwar ist Palmöl ein natürlicher Rohstoff, gleichzeitig werden dafür aber Regenwälder abgeholzt und tausende von Affenfamilien getötet. Es gibt immer mehr Naturkosmetikhersteller, die sehr strikt sind.  Manchmal aber müssen Hersteller von Naturkosmetik auch Kompromisse machen, da natürliche Rohstoffe, die auf allen Ebenen nachhaltig und fair sind, schwierig zu finden sind. Wobei das Endprodukt auch dann noch einiges nachhaltiger und ganzheitlicher ist als ein konventionelles.

Naturkosmetik herzustellen ist schon allein deshalb sehr aufwendig. Sind die Produkte deshalb teurer als konventionelle Produkte?

Nein, es gibt eine Bandbreite von günstig bis teuer - wie auch bei der konventionellen Kosmetik. Bei Biokosmetik ist es aber sicher oft so, dass die Rohstoffe teurer sind. Bei konventionellen Günstig-Marken dagegen kosten die Inhaltsstoffe fast nichts. Trotzdem gibt es auch günstige Biokosmetik-Marken mit einem guten Preis/Leistungs-Verhältnis. Die haben dann vielleicht eine nicht ganz so hohe Wirkstoffkonzentration und sind vielleicht nicht ganz so hochwertig und ansprechend verpackt.

In Ihrem Shop dagegen sind die meisten Produkte recht hübsch verpackt.

Ja, wir haben sehr hochwertige Produkte, weil wir auch viele Kosmetiklinien führen, die von Hand gemacht sind. Und zwar von den Menschen, die die Sachen selbst entwickelt haben. Das ist dann automatisch teurer. Ausserdem haben wir gerne Kosmetik, die einen höhen Wirkstoffanteil hat und von der man ziemlich bald ein bisschen mehr merkt. Trotzdem - es gibt teurere konventionelle Kosmetikprodukte als Bio-Produkte. Das teuerste bei uns kostet 190 Franken und hält viele Monate bis es aufgebraucht ist. Wenn man sich da ein paar andere konventionelle Marken ansieht, geht es noch sehr steil aufwärts.

Bekommt man auch in der Drogerie oder Apotheke gute Naturkosmetik?

Die meisten Drogerien und Apotheken haben zumindest ein kleines Sortiment. Weleda und Hauschka sind die zwei bekanntesten Marken, die wirklich Bio sind und die man fast überall bekommt. Viele Drogerien und Apotheken haben aber leider auch Greenwashing-Produkte in ihren Regalen, die eigentlich nichts mit Naturkosmetik zu tun haben. Da denkt man, das kommt aus der Apotheke, hat ein grünes Label drauf – und ist schon überzeugt! Da bin ich anfangs auch drauf reingefallen.

Ist Naturkosmetik gewöhnungsbedürftig?

Jein. Naturkosmetik riecht anders und fühlt sich auch anders an, aber das ist eine sehr subjektive Sache. Es gibt Leute, die froh sind, dass sie anders riecht und eben nicht nach synthetischen Duftstoffen. Produkte, die reich an Wirkstoffen sind, riechen oft stärker. Auch die Textur und das Hautgefühl können sich stark von konventioneller Kosmetik unterscheiden. Viele wollen nicht mehr zurück, wenn sie es mal ausprobiert haben, weil es sich einfach angenehmer anfühlt.

Gibt es auch natürliche Stoffe, die nicht für alle geeignet sind?

Auf jeden Fall! Es ist ein bisschen wie beim Essen. Es gibt Nahrungsmittelallergien, also kann man auch auf Pflanzenextrakte, Wurzelextrakte und so weiter allergisch sein. Wir sind eben alle Individuen! Deshalb kommt es auch vor, dass ein Produkt bei einer Person sehr gut wirkt, und bei einer anderen wiederum gar nicht.

Sollte man bei Naturpflegeprodukten genauso zwischen Produkten für fettige, normale oder trockene Haut unterscheiden?

Es gibt Naturkosmetik-Hersteller, die noch sehr von dieser traditionellen Einschätzung und Behandlung der Haut überzeugt sind. Die bieten dann drei Produkte für jeden Hauttyp an. Wir dagegen finden, dass Hautpflege viel zu komplex ist, um sie in drei Typen einzusortieren. Wir unterscheiden weniger zwischen Hauttypen, sondern viel mehr zwischen Hautzuständen und haben deshalb Pflegelinien, die für alle Hauttypen geeignet sind. Denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass es gewisse Produkte gibt, die bei 99 Prozent der Leute funktionieren – ohne dass sie für einen bestimmten Hauttyp gemacht sind. Vor allem bei den Pflanzenölen ist das so.

Welches zum Beispiel?

Ich habe noch nie gehört, dass jemand mit einem guten Arganöl keine guten Erfahrungen gemacht hätte.

Wie Sie reine Naturkosmetik anhand der Inhaltsstoffe erkennen

Nadine Schäppi empfiehlt 3 Tricks fürs Shoppen. Checken Sie die Gütesiegel. Holen Sie sich die Codecheck-App und lernen Sie die bekanntesten chemischen Codes für Silikone, Parabene und Emulgatoren.

Die bekanntesten Gütesiegel für Naturkosmetik

  • NaTrue
  • BDIH-Siegel
  • Ecocert

In Produkten mit Ecocert-Label dürfen auch bis zu 10 Prozent synthetische Inhaltsstoffe enthalten sein, während Produkte mit den anderen beiden Labels ganz darauf verzichten.

Inhaltsstoffe in Kosmetik identifizieren und bewerten mit Codecheck

Bei Produkten ohne Label können Sie über www.codecheck.info herausfinden, welche Inhaltsstoffe in der Kosmetik enthalten sind: Codecheck verrät für jeden Inhaltsstoff  ob dieser empfehlenswert, nachhaltig oder sogar schädlich ist. Codecheck ist auch als App verfügbar und eignet sich durch das praktische Scannen von Strichcodes auch für den schnellen Vorort-Check im Kosmetikladen.

Inhaltsstoffe in Kosmetik selbst erkennen

Die gängigsten bedenklichen Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten können Sie relativ einfach anhand ihrer Endungen in der Inhaltsstoff-Liste erkennen.

Silikone enden auf: -cone», «-conol», «-xane».
Parabene enden auf «-paraben».
Emulgatoren erkennen Sie an «PEG» in der Bezeichnung oder der Endung auf «-eth».


Titelbild: May Lindstrom Skin

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