CRAZY CROMEANSDer Hair-Artist Robert Cromeans im Interview

C’mon Daddy! Wenn Beauty-Legende und Star-Coiffeur Robert Cromeans die Bühne betritt, fliegen nicht nur die Haare, sondern auch die Emotionen kochen hoch. Wir haben den Global Artistic Director von Paul Mitchell zum Gespräch über sein Image als verrücktes Genie, prominente Haarproblemchen und die neuesten Frisurentrends getroffen.

Sein breiter Metallgürtel schaut aus, wie für das tapfere Schneiderlein gemacht. Dazu ein schwarzer Mantel, wie für einen dunklen Magier bestimmt, verriete ihn nicht das runde Bäuchlein als freundlichen Kobold. Der gefederte Hut könnte wiederum auch dem schlauen gestiefelten Kater gut zu Gesicht stehen.

Wüsste ich nicht, dass ich heute eine von Disney inspirierte Hair-Show mit dem für seine Exzentrik berühmten Robert Cromeans anschaue, würde ich «Crazy Cromeans», wie der erfolgreiche Global Artistic Director von Paul Mitchell, Plattform-Artist und Salonbesitzer auch genannt wird, selbst für eine der märchenhaften Figuren Walt Disneys halten. Und als ich Cromeans hinter den Kulissen der Schweizer Hair Days kennenlerne, merke ich schnell, dass er das wohl als Kompliment verstünde.

Denn Robert Cromeans nimmt die Show ernst. Vielleicht etwas zu ernst, gesteht er mir doch, dass seine Augen nass wurden als der Artistic Director von Paul Mitchell  zum ersten Mal bestaunen durfte, was sein Team für dien heutigen Auftritt geschaffen hat. Das wiederum ist keine Show, vielmehr lebt Cromeans sein Leben wie eine Show. Denn auch seine Geschichte ist filmreif.

Vom Tellerwäscher zum Millionär: Robert Cromeans hat den amerikanischen Traum wahrscheinlich wie kein zweiter verinnerlicht. Als er als junger Mann aus Schottland nach Amerika kam, fuhr er Pizza aus, um auf die Beauty School zu gehen. Doch talentierte Coiffeure gibt es viele, aber nur wenige sind heute in der Industrie so bekannt.

Die berühmtesten Hair-Artists stehen bei seinen berüchtigten Hairshows in der ersten Reihe. Sie alle wollen ihn mindestens einmal gesehen haben. Er geniesse den Respekt von den wichtigsten Köpfen der Beauty-Industrie, weil sie ihn für ein verrücktes Genie hielten, erzählt er mir. Und ich konnte mir davon selbst ein Bild machen. Cromeans bindet Zöpfe an Helium-befüllte Luftballons und schneidet sie ab. Er setzt einem Model seinen Hut auf und zum Vorschein kommt ein cooler Lockenbob. Da wundert es auch nicht, dass Cromeans mit einer grossen Gabel zum Rasieren ansetzt. Cromeans hat eine Wirkung auf die Menschen – und er weiss darum.

Das ist jetzt schon die dritte Person, die dich während unseres Interviews um ein Foto bittet. Jetzt weiss ich, dass die Geschichte von der Haarindustrie-Ikone nicht erfunden war!

Ich bin einfach ein bisschen anders als der Rest. Und ich bin offen. Ich will während meiner Shows immer eine Beziehung zu den Zuschauern schaffen. Wenn ich sehe, dass jemand auf der Bühne 45 Minuten Haare schneidet, ohne ein Wort zu reden, macht mich das wütend. Ich selber spreche auch kein Schweizerdeutsch, aber das ist in jeder Sprache unhöflich.

Nur wenige haben ein vergleichbares Standing wie du? Was ist dein Geheimnis?

Wenn ich mich frage, in was ich wirklich gut bin, dann ist es meine Fähigkeit zu kommunizieren. Normalerweise sind Coiffeure keine Unterhalter. Sie haben Talent, sie sind Künstler, aber sie nehmen nicht das Mikro in die Hand uns sagen «C’mon Daddy!».

Es sind die bunten Seiten und die neuen Dinge, denen die Leute ihre Aufmerksamkeit schenken. Ich habe die Möglichkeit Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen und ich nutze sie. Dabei bin ich eigentlich kein guter Coiffeur.

Bist du nicht?

Ich habe wahrscheinlich einfach eine andere Sicht auf unseren Beruf. Gute Technik reicht nicht, du brauchst Leidenschaft im Herzen. Die meisten Coiffeure haben einfach zu wenig Selbstbewusstsein. Ich schau mir einfach an, was die anderen machen, denn dann weiss, was ich zu tun habe. Nämlich etwas, was die Leute nicht erwarten.

Die Menschen kennen dich vor allem als Hair-Show-Legende, du bist aber auch Besitzer sechs erfolgreicher Coiffeur Salons in den USA und gibt’s Business-Seminare. Was macht einen guten Coiffeursalon aus?

Was die Kunden von einem Salon erwarten ist total unterschiedlich. In unserem Flagship-Salon schneide ich die Haare für 150, manchmal 300, mit Farbe 600 Dollar. Wenn du soviel Geld in die Hand nimmst, welche Erwartung hast du dann? Deshalb ist unser Flagship-Salon wie ein Erlebniscenter aufgebaut. Es gibt bewegliche Videowände, abgedunkelte Shampooräume, softe Musik, Kopfmassagen - das ist Service, das ist Luxus! Wir nennen es «Sex in the Sink», denn daran erinnern sich die Kunden.

Die Leute wollen nämlich immer etwas Neues erleben. Wenn du anders bist, läuft dein Geschäft besser. Ich glaube das Geheimnis eines erfolgreichen Salons ist es, den Kunden besser zu verstehen, als andere. Man muss wirklich immer zuerst in Betracht ziehen, was den Kunden wichtig ist und nicht den Coiffeuren. Machen wir unsere Arbeit besser als jeder andere Salon? Wahrscheinlich nicht. Aber anders? Ja!

Leute zahlen auch viel Geld weil du berühmt bist. Welchen Celebrity-Köpfen hast du schon die Haare geschnitten?

Bevor ich dir Namen gebe, schildere ich dir die Realität. Wenn du dir die bekannten Celebrities auf den roten Teppichen anschaust, haben sie alle eines gemeinsam: Sie erscheinen alle schön und bewundernswert. Das ist nicht die Realität eines Coiffeur-Salons. Deshalb ist es mein Job, dir erst das Gefühl zu geben, dass du schön bist.

Das ist natürlich nicht immer leicht, unsere Kunden sehen alle diese berühmten Leute mit ihren perfekten Kleidern, ihrem perfekten Make up und perfekten Haaren und sie wollen das gleiche! Celebrities und ihre Styles sind heute der Massstab an dem du als Coiffeur gemessen wirst.

Und an welchen begehrenswerten Celebrity-Styles bist du Schuld?

Ich bin kein gottgegebener Promi-Stylist. Denn die Haare für einen Celebrity zu machen ist in der Regel ein anderes Geschäft, als mit einem unbekannten Kunden. Du redest nicht mit Meg Ryan persönlich, wie du ihre Haare machen sollst, du redest mit ihrem Verleger.

Aber wir arbeiten immer wieder mit verschiedenen prominenten Leuten. Letztens Beispiel mit Snoop Doggy Dog, auch mit Sean Paul. Aerosmith habe ich die Haare zum Beispiel mit einem Tacker gefärbt. Aber man macht sich oft ganz falsche Vorstellungen. Am Ende des Tages, wenn die Promimaske abfällt, dann kämpfen die Celebs mit den selben Unsicherheiten und Problemen wie wir auch. Ben Affleck hat zum Beispiel ganz ausgeflicktes Haar.

Wenn jemand in deinen Salon kommt und sich eine Promi-Frisur wünscht, die ihm überhaupt nicht steht, was machen du dann?

Man muss Fragen stellen. Coiffeure fragen zu wenig, und hören auch viel wenig zu. Sie reden am meisten selbst und lügen dabei ständig, nicht wahr? Wenn eine Kundin eine Foto mit der Wunschfrisur mitbringt, frage ich sie, was ihr an diesem Haarschnitt wirklich gefällt und was sie darin sieht. Vielleicht ist es nur der Scheitel oder die Farbe. Man muss Kundenwünsche viel mehr hinterfragen und interpretieren, um das Wesentliche herauszufiltern.

Beispielsweise hatte ich letztens eine Japanerin im Laden, die auf einen Haarschnitt in Platin-Blond zeigte. Weisst du wie kompliziert es ist japanisches Haar platin zu färben? Ich habe ihr am Ende nur die Haare geglättet und den Schnitt gemacht und sie war super-happy, denn es war der Haarschnitt, nicht die Farbe, in den sie sich verliebt hatte. Also wenn jemand mit einem Wunsch in den Laden kommt, sag nicht, das steht dir nicht, sondern versuche den Wunsch so zu interpretieren, dass er auch zum Typ passt!

Und was ist mit Trends?

Es geht nicht um Trends, es geht um den Träger. Denn Geschmack ist immer stylish. Man muss einfach herausfinden, was dem Kunden wirklich wichtig ist. Als guter Coiffeur genügt es nicht alle Trendtechniken zu beherrschen. Man ist ja keine Maschine die Haare schneidet. Als guter Coiffeur baue ich aber zu jedem Kunden ein persönliches Vertrauensverhältnis auf.

Heute hab ich im Publikum bestimmt 200 Leute mit genau demselben Haarschnitt gesehen und denke mir, das ginge eigentlich besser. Wahrscheinlich denke nicht wie ein typischer Coiffeur. Ich schaue mir ein Gesicht an und suche die individuelle Schönheit. Denn alles was ich tue hat mit Schönheit zu tun, wenn es nicht schön ist, will ich es nicht machen.

Was ist schön für dich?

Ich finde viele Trends auch cool, aber man sollte sie nicht jedem überstülpen. Zum Beispiel auch Rihannas berühmter Undercut braucht immer wieder Interpretation. Der Schnitt kann so cool und kurz sein ohne zu rasieren. Ich meine Rasieren sieht toll aus, aber wie kommst du da wieder raus?  Wir schlagen das unseren Kundinnen heute gar nicht mehr vor. Es macht keinen Spass mehr Köpfe zu rasieren, wir haben das alles schon gemacht.

Aber ganz ohne Trends kommt wohl kein Salon aus. Welche Frisuren und Farben funktionieren im Moment für dich?

Es wird schwieriger und schwieriger. Die Welt bewegt sich zu schnell. Es gibt riesige Trendschocks wie zum Beispiel Rihannas Frisur. Und plötzlich wollen alle Mädels einen Undercut. Morgen ist es dann wieder etwas anderes. Es passiert soviel und gleichzeitig, Heute auf dem roten Teppich, morgen schon in allen Medien. Aber die Masse von immer wieder neuen Trends balanciert sich irgendwas aus. Plötzlich ist alles Trend. Heute orientieren sich die Frisurentrends deshalb wieder viel stärker am Träger und an der individuellen Persönlichkeit.

Was ist bei euch im Salon am meisten gefragt?

Ich glaube lange, sexy Haare werden immer das Ding sein. Das ist wie High Heels. Flache Schuhe sind bequemer zum Laufen, aber sie machen dich nicht zur «sexy Mama». Mit den Haaren ist das genauso.

Wenn es also noch Möglichkeiten neue Trends zu setzen gibt, dann bei den Haarfarben. Ich liebe platinblondes Haar! Früher haben sich Frauen nur die Haare färben lassen, wenn sie grau wurden, heute hat fast jede Farbe im Haar, das ist natürlich viel spannender für uns Coiffeure. Wobei ich glaube, dass die verrückten Haarfarben vielmehr etwas für die Coiffeure selbst sind, denn sie lieben die verrückten Styles.

Interview: Nathalie Türk, Bilder: Paul Mitchell

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