GlobuliZauberkügelchen oder Hokuspokus?
Globuli haben zwar nur einen Durchmesser von wenigen Millimetern, die Schulmedizin beisst sich jedoch die Zähne daran aus. Auch in der Schweiz finden die kleinen Wunderkügelchen immer mehr Anhänger. Doch helfen sie wirklich? Wir nehmen die winzigen Globuli einmal genauer unter die Lupe.
Es hat etwas Magisches: Waren es früher Medizinmänner, die ihre Mitmenschen beschworen und ihnen Kräuter und Wurzeln gegen Krankheiten verabreichten, sind es heute Homöopathen, die ihre Patienten in den Bann ziehen. Nur heute steckt die grosse Magie in kleinen Zauberperlen: Globuli sind kleine weisse Zuckerkügelchen, die eine konzentrierte Menge homöopathischer Wirkstoffe enthalten.
Die kleine Globuli-Apotheke
Globuli werden vielseitig eingesetzt, wie zum Beispiel bei Erkältungen, Allergien, Akne oder Schlaflosigkeit. Die Namen der einzelnen Globuli klingen dabei wie geheimnisvolle Hexensprüche. Hier ein kleines Abrakadabra, das Ihnen zeigt, welche Globuli für was empfohlen sind:
Arnica: abschwellende Wirkung bei Prellung, Verstauchung, Zerrung, Bluterguss oder zur schnelleren Rückbildung nach der Geburt
Allium cepa: bei brennenden Schnupfen mit tränenden Augen
Bryonia: bei Reizhusten und Schmerzen in der Brust
Camphora: bei Erkältungsfieber
Euphrasia: bei mildem Schnupfen und geschwollenen Augen
Fucus Versicolosus: als Appetitzügler
Ipecacuanha: bei Husten mit Würge- oder Brechreiz
Lachesis: bei Hustenkrämpfen mit Atemnot
Mercurius solubilis: beruhigt Husten mit Schluckbeschwerden
Pulsatilla pratensis: gegen Akne
Rhus toxicodendron: bei Schnupfen mit Gliederschmerzen
Dabei können die kleinen Pillen den natürlichen Heilungsprozess lediglich unterstützen. Ziel der Globuli und der homöopathischen Methode an sich ist es, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Der Zauber hört auf, wenn eine Krankheit trotz Globuli-Einnahme dauerhaft anhält. Dann empfehlen auch Homöopathen dringend, einen Arzt aufzusuchen. Sind Globuli deshalb nur ein faszinierendes Ammenmärchen?
Globuli-Jünger vs. Homöopathie-Kritiker
Die Globuli der Alternativmedizin sind umstritten. Kritiker sehen darin lediglich ein Zuckerkügelchen mit Osterhäschen-Effekt. Sie behaupten: Wer fest dran glaubt, wird schon eine Wirkung finden. Globuli-Fans wehren sich gegen die Behauptung, dass Globuli nur kandierte Placebos seien. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass sich nach der Einnahme Krankheiten besserten. Dass die Wissenschaft bisher keinerlei körperlichen Vorgänge nachweisen konnte, stört sie nicht. «Wer heilt, hat Recht», so der Glaubenssatz der Globuli-Jünger. In der Schweiz nutzen laut dem Tages Anzeiger fast drei Viertel der Menschen homöopathische Medikamente, rund ein Drittel nimmt sie regelmässig. Was sagen die Experten zu den Wunderperlen?
Der prominenteste Kritiker der Homöopathie ist der deutsche Ex-Homöopath und Professor Edzard Ernst. In seiner Studie wertete er 200 Untersuchungen aus und kam zu dem Schluss, dass die Homöopathie keine heilende Wirkung hat. Globuli haben seiner Meinung nach einen hohen Placebo-Effekt und seien daher eine Art Scheinmedikament. Auch der Berner Immunologie-Professor Beda Stadler kritisiert, dass Homöopathen Placebo-Effekt und tatsächliche Heilung verwechseln würden.
Viele kleine Kügelchen und gar nichts drin? Der Homöopathieverband Schweiz nimmt dazu wie folgt Stellung: «Wir leben in einem Informationszeitalter. Wir hantieren mit Computern, Handys und DVDs und haben akzeptiert, dass in diesen Geräten auf kleinstem Raum Informationen gespeichert sind und wieder abgerufen werden können. Auch homöopathische Mittel enthalten Informationen, allerdings sind wir noch nicht in der Lage sie mit Geräten darzustellen.»
Hinzu kommt, dass die Kügelchen «potenziert» werden. In der Homöopathie bedeutet das, dass die Arznei in Wasser verdünnt wird. Und das ist die homöopathische Crux: Je verdünnter die Stoffe sind, umso stärker sollen sie wirken. Das wiederum widerspricht den Gesetzen der klassischen Physik. Wer dennoch nachweisen will, dass minimalste Teilchen Grosses bewirken können, kann in der Quantenphysik bestätigung suchen. So wie auch einige Homöopathen, die versuchen, die Quantentheorie auf den Kosmos der Globuli zu übertragen.
Homöopathische Beratung wirkt tatsächlich Wunder
Und trotz der hiesigen Debatte, schwören viele Schweizer weiterhin auf Globuli. Inzwischen haben sie es auch unter den Schirm der Krankenkassen geschafft. Seit der Volksabstimmung von 2009 gilt der Beschluss, dass bestimmte komplementärmedizinische Leistungen von der Krankenkasse ab 2017 vergütet werden sollen. Einige Krankenkassen haben schon früher reagiert und bieten in Zusatzversicherungsmodellen eine grosse Palette an medizinischen Leistungen aus der Komplementärmedizin an. Darunter fallen in der Regel auch Globuli.
Und der Glaubenskrieg zwischen Homöopathie und Schulmedizin? Globuli-Fans lässt das kalt. Sie hören lieber auf ihr Gefühl. Und dieses Gefühl ist ein gutes, da sich Homöopathen in der Regel die Zeit nehmen und sich mit ihren Patienten intensiv und individuell befassen. So zeigte eine Studie der Rheumatologin Dr. Sarah Brien des Aldermoor Health Centre in Southampton, dass nicht allein die homöopathische Arznei, sondern die dazugehörige Beratung Wunder wirkt. Placebo-Patienten mit einer homöopathischen Beratung zeigten sogar mehr Fortschritte als die, die eine schulmedizinische Beratung durchliefen. So bleiben Schulmediziner zwar wissenschaftlich noch im Recht. Dass immer mehr Patienten jedoch lieber angebliche Scheinmedikamente schlucken, als in ihre Beratung zu gehen, sollte ihnen aber zu denken geben.
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