Sommelière Lisa Bader im Interview«Nicht offen zu sein ist ein No-Go»
Wir trafen die junge Sommelière Lisa Bader an ihrem Arbeitsort, dem Hotel Dolder Grand, und haben mit ihr über die Wichtigkeit einer schönen Weinetikette gesprochen und erfahren, wie man als Neuling Wein degustiert.
Die aus dem deutschen Baden stammende Lisa Bader entspricht dem klassischen Bild ihres Berufs schon deshalb nicht, weil sie eine Frau ist. Mehrfach ausgezeichnet, gehört die erst 28-Jährige zu den begabtesten Jung-Sommelièren Europas.
Seit 2017 leitet sie die Weinkarte des Hotel Dolder Grand, wo wir die quirlige Deutsche getroffen und von ihr Tipps zur Weindegustation für Anfänger erhalten haben.
Lisa Bader im Interview
Lisa, was unterscheidet einen guten von einem schlechten Wein?
Ein guter Wein zeichnet sich dadurch aus, dass man davon noch ein zweites Glas trinken will. Deshalb darf er nicht zu viel Alkohol enthalten, ansonsten bin ich bereits nach einem Glas satt. Auch eine schöne Säure sollte er haben. Im Endeffekt ist es aber Geschmackssache – es muss einfach Spass machen.
Ich kaufe Wein immer nach dem Etikett. Worauf kann ich im Laden sonst noch achten?
Das Etikett ist auch wichtig! Natürlich ist ein deutlich höherer Preis oftmals mit der Qualität verbunden, ein teurerer Wein ist aber nicht zwingend besser. Einen guten Riesling kann ich schon für 7 Franken kaufen.
Man kann auf das Etikett schauen: Wo kommt der Wein her? Wärme bedeutet etwa mehr Alkohol. Wie wurde er gemacht? Ein Wein aus dem Holzfass schmeckt oft etwas buttriger und mächtiger als ein Wein, der im Edelstahl gemacht wurde.
Welcher Wein geht immer?
Riesling – der ist frisch, lebendig und spritzig. Viele sagen, er sei ihnen zu sauer, aber auch da kommt es wieder darauf an, woher er kommt. Übrigens ist Champagner viel saurer als Riesling. Und den trinkt auch jeder.
Ich bin überzeugt, dass jeder viel riecht.
Wie degustiert man Wein als totaler Laie?
Am besten gelingt es, wenn man möglichst unbefangen an die Sache rangeht und sich Zeit lässt. Ich bin überzeugt, dass jeder viel riecht. Es in Worte zu fassen ist jedoch schwierig.
Wenn man etwas Fruchtiges riecht, sollte man als nächstes versuchen herauszuriechen, welche Frucht es sein könnte. Habe ich beispielsweise einen grünen Apfel gerochen, versuche ich in einem weiteren Schritt herauszufinden, ob man diesen auch im Gaumen schmeckt.
Gibt es einen Unterschied, ob ich roten oder weissen Wein degustiere?
Nein. Das Vorgehen ist dasselbe: Zuerst auf die Farbe schauen, daran riechen und dann probieren.
Wein degustieren Schritt für Schritt
Degustiert wird mit den Augen, der Nase und dem Gaumen:
1 Anschauen: Was für eine Farbe und Konzentration hat der Wein? Ist er eher dunkel oder hell, konzentriert oder eher dünner?
2 Riechen: Erkenne ich bloss Fruchtaromen oder rieche ich vielleicht auch etwas Erdiges, Florales oder Grasiges? Den Geruch so detailliert wie möglich versuchen zu beschreiben.
3 Probieren: Finde ich die Aromen, die ich in der Nase gerochen habe, auch im Gaumen wieder? Beim Probieren merkt man auch, ob der Wein viel Säure hat, weil dann der Speichelfluss angeregt wird und der Mund leicht zu saften anfängt.
4 Urteil: Ein Urteil fällen. Ganz einfach gesagt muss man entscheiden, ob einem der Wein schmeckt oder nicht.
Wie reagiere ich souverän, wenn mir der Wein nicht schmeckt?
Einfach ungeniert sagen. Der Wein macht viel vom Gesamterlebnis aus und da wäre es schade, wenn man einen Wein trinken müsste, der einem nicht schmeckt.
Was hat es mit dem Schwenken auf sich?
Durch das Schwenken des Glases werden die Aromen des Weins mit Luft in Verbindung gebracht und entfaltet. Das ist auch der Grund, weshalb ich in einem grösseren Glas oftmals mehr rieche, weil die Oberfläche und damit der Kontakt zur Luft viel grösser ist.
Welche Rolle spielt das Glas beim Geschmackserlebnis?
Rotwein wird meist im Holz ausgebaut. Holz ist ein Naturprodukt, deshalb findet im Fass bereits viel Luftaustausch statt. Ein solcher Wein benötigt ein grösseres Glas, um seine Aromen vollständig entfalten zu können.
Weisswein hingegen wird oft in luftdichtem Edelstahl ausgebaut. Ins Glas eingeschenkt springt er relativ schnell in die Nase, weil er auf einmal viel Luft bekommt. Deshalb sind Weissweingläser kleiner, da sich der Wein sonst verlieren würde.
Was sollte man beim Wein degustieren nicht machen?
Nicht offen zu sein ist ein No-Go, etwa wenn man bereits im Vorhinein sagt, dass einem etwas nicht schmeckt. Schliesslich hat sich jeder Winzer etwas dabei gedacht.
Ich will meinen Kolleginnen imponieren. Wie beschreibe ich einen Wein?
Am besten möglichst detailliert. Man sollte darauf achten, was man genau riecht und dann mit möglichst viel Leidenschaft erzählen. Wenn man beispielsweise beim Apfelgeschmack daran denkt, dass man irgendwo mal einen unglaublich tollen Apfel gegessen hat, fängt man viel leichter zu schwärmen an.
Teuer heisst nicht gleich gut.
Ich muss einen Wein mitbringen, wie viel gebe ich aus?
Schwierig zu sagen, denn teuer heisst nicht gleich gut. Damit der Wein durch die amtliche Prüfung kommt, müssen Kriterien eingehalten werden, die mit dem Preis nichts zu tun haben. Ich würde mich daher eher an der Qualitätsstufe – also der Herkunft, der Methode des Anbaus und der Art der Weinbereitung – festhalten.
Meine Kollegin mag keinen Rotwein. Hatte sie einfach noch nie einen feinen Wein oder kennt sie sich zu wenig aus?
Ich würde ihr raten, einfach weiter auszuprobieren. Es gibt schliesslich so viele verschiedene Arten von Rotwein.
Das Tannin im Rotwein trocknet den Mund etwas aus und schmeckt leicht rau im Gaumen – ein Gefühl, welches man von anderen Lebensmitteln nicht kennt und das einem möglicherweise deshalb anfangs nicht schmeckt. Darum trinkt man in jungen Jahren tendenziell lieber Weisswein, weil dieser kein Tannin enthält.
Es gibt auch Leute die keinen Rotwein mögen – das hat mit Auskennen nicht viel zu tun.
Ich würde ihr deshalb einen Rotwein empfehlen, der sehr fruchtbetont und hochprozentiger ist, die sind schmelziger im Gaumen.
Es gibt aber auch Leute, die gar keinen Rotwein mögen. Das ist auch völlig in Ordnung und hat mit Auskennen nicht wirklich viel zu tun.
Über Lisa Bader
Lisa Bader, 28, ist in Baden (D) aufgewachsen. Sie hat ursprünglich Event Management studiert und fand über ein Servicepraktikum zu ihrer grossen Leidenschaft, dem Wein.
Heute ist sie Chef-Sommelière des Hotel Dolder in Zürich und für über 650 Weine verantwortlich.
Lisa Bader war dieses Jahr nominiert für den Gaggenau Sommelier-Award 2018 und hat es unter die fünf Finalisten geschafft.
Titelbild: LightFieldStudios/iStock