FRAUEN WIE KNABENWie High Fashion unsere Körper entweiblicht

Designer-Mode will Frauen zur Emanzipation verhelfen, indem sie den Fokus weg von weiblichen Körpermerkmalen lenkt. Die typischen Entwürfe zeigen coole Silhouetten für androgyne Körper ohne Po und ohne Brüste. Aber bedeutet Emanzipation wirklich, natürlich-weibliche Rundungen zu ignorieren? Ein Kommentar.

Bedeutet Emanzipation wirklich, natürlich-weibliche Rundungen zu ignorieren?

Sie wird auf Schritt und Tritt verfolgt und findet sich täglich in der amerikanischen Klatschpresse wieder. Unvorteilhafte Fotos, bösartige Überschriften und Unterstellungen zieren die Titelblätter. Der Tenor ist überall der gleiche: Sie ist fett und wird immer dicker. Kim Kardashian, ihres Zeichens amerikanisches IT-Girl und Model, ist im 6. Monat schwanger und erwartet gemeinsam mit Freund und Rapper Kayne West ihr erstes Kind.

Wechseln wir den Schauplatz. Germanys Next Topmodel. Heidi Klum ist von einem ihrer Schützlinge schwer enttäuscht. Model-Nachwuchs Christine ist sich dessen bewusst und blickt beschämt zu Boden. Bei Castings wird sie aufgrund ihrer Masse nicht gebucht – sie ist zu dick und ihre Hüften sind zu breit.

Wir leben in einer Gesellschaftt, in der man schwangeren Frauen nicht mehr ansehen darf, dass sie schwanger sind und junge Mädchen, deren BMI vermutlich bedenklich niedrig ist, vor laufender Kamera bloss gestellt werden. Das sind die Ideale, mit denen junge Frauen heute gross werden. Sie streben nach dem perfekten Körper und wissen, wie er auszusehen hat: androgyn. Kleine Brüste, schmale Hüften und ein kindliches Erscheinungsbild sind das Mass aller Dinge.

Auch ein im Tages Anzeiger erschienener Artikel von Bettina Weber beschäftigt sich mit der Frage, warum grosse Brüste und Weiblichkeit in der Modebranche und unter Designern nicht gerne gesehen sind.

Designer-Mode mag keine Brüste

Bettina Weber illustriert die Logik, grosse Brüste gleich Boulevardpresse, kleine Brüste gleich Vogue am Beispiel von Victoria Beckham. Einst Spicegirl und Fussballer-Frau, zierten früher unübersehbare Silikonhöcker das Dekolletee der Modedesignerin. Vor einigen Jahren liess sie die Implantate aber wieder entfernen. Mit den kleinen Brüsten kam der Erfolg im Modebusiness. Weber hat dafür folgende Erklärung: Die Branche mag keine Brüste. Und zwar aus folgendem Grund: «Die Mode aber liebt diese knabenhaften Körper, weil sie Jugendlichkeit symbolisieren. Umgekehrt gesagt: Brüste und Hüften machen alt, denn sie stehen nicht nur für Weiblichkeit, sondern eben auch für Fruchtbarkeit und damit für Mütterlichkeit. Weil sie aber die Frau nicht darauf reduzieren will, mag die Mode Brüste nicht ».

Nun ist es lobenswert, dass man Frauen nicht allein auf ihre Brüste reduzieren will, aber sie gehören nun einmal zu unserer Weiblichkeit und zu unserem Körper. Wenn die Modebranche das ignoriert, macht sie nicht Mode für Frauen, sondern für hagere Körper, in denen Frauen stecken. 70A ist dann nichts anderes als ein weiteres Schönheitsideal neben 90-60-90, das die meisten Frauen nicht erreichen können.

Und wer sagt, dass Frauen reduziert werden, wenn sie ihre Weiblichkeit leben? Das beinhaltet nichts Obszönes, nichts Vulgäres. Es bedeutet nur, dass wir zu unseren Körpern stehen und nicht verstecken, was uns als Frau auch definiert. Dass wir Mode tragen, die uns schmeichelt und uns strahlen lässt. Dass wir gerne Frau sind und uns mit unseren Rundungen identifizieren.

Frauen befreien sich nicht, indem sie ihre Weiblichkeit aufgeben

Bettina Weber glaubt, dass die Modeindustrie Frauen von Rollenbildern befreien will, in die man sie gezwängt hat und wirft uns im selben Atemzug schon in das nächste: in das Rollen- und Körperbild eines 13jährigen Knaben. Frauen sollen nicht als Sexualobjekt gesehen werden – aber auch nicht mehr als Frauen. Woher kommt der Gedanke, Emanzipation an körperlichen Rundungen festmachen zu müssen? Wir befreien uns aus klassischen Rollenbildern indem wir uns keine Restriktionen auferlegen lassen und unseren eigenen Weg gehen. Aber nicht, indem wir unsere Weiblichkeit aufgeben und verleugnen, was und wer wir sind.

Und auch, dass die oft gescholtene Modebranche fortschrittlicher sei als etwa die Musik- oder die Filmindustrie», wie Weber behauptet, bleibt fraglich, wenn die meisten Kleidungsstücke nur an schmalen Frauen gut aussehen.

Mode ist und war schon immer Wegbereiter für das Lebensgefühl ganzer Generationen. Chanel-Kostüm, Minirock und Jeans waren nicht nur ein modisches, sondern auch ein gesellschaftliches Statement. Wenn die heutige Mode aber alles Weibliche verbannt, weil sie der Meinung ist, sich dadurch zu emanzipieren, läuft sie Gefahr, eine Generation von Frauen zu erschaffen, die sich verliert.

Fortschrittlich wäre es hingegen, die verschiedenen Formen des weiblichen Körpers zu akzeptieren und für jede dieser Formen Mode zu entwerfen, die Frauen selbstbewusst und stolz tragen können. Egal welchen Brust- und Hüftumfang Sie haben.

Foto: Louis Vuitton

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