Für Fans eines guten Psychothrillers ist Clemens J. Setz 1000-Seiter eine spannende Herausforderung, leicht verdaulich ist die geistreiche Lesekost des Östreichers aber nicht. Denn sein Roman ist im besten Sinne verstörend. Dazu passt der Schauplatz in einer Einrichtung für geistig Behinderte und einer Erzählerin mit ziemlich befremdlichen Fantasien.
Die frisch ausgebildete Sonderpädogin Natalie arbeitet tagsüber mit geistig Behinderten, in ihrer Freizeit entspannt sie sich mit aufgenommene Alltagsgeräusche wie das Kauen ein Apfels oder gefilmten Blowjobs, die sie fremden Männern in Unterführungen anbietet. Eines Tages beobachtet Natalie eine ungewöhnliche Beziehung zwischen einem ihrer Klienten und seinem Besucher. Ungewöhnlich, weil der Patient ein verurteilter Stalker ist, der einen Mann so lange verfolgt haben soll bis sich seine Frau das Leben nahm. Ungewöhnlich, weil der Besucher das Opfer ist und sich beide offenbar gut verstehen. Und ungewöhnlich, weil nicht klar ist, wer hier wen stalkt. Ist Natalie vielleicht verrückter als ihre Patienten?
Clemens J. Setz. Die Stunde zwischen Frau und Gitarre, Suhrkamp, 2015