MagersuchtWie Körperkult krank macht

Hungern, Essanfälle, Erbrechen: Das ist der qualvolle Alltag einer Magersüchtigen, der im schlimmsten Fall zum Tod führen kann, wie das traurige Schicksal des Models Isabell Caro erschütternd vor Augen führte.

Frauenkörper im Bikini am See.

Unser Alltag ist gespickt mit Werbefotos von super schlanken Körpern, unsere Magazine gepflastert mit Anleitungen für Diäten. Doch allen voran ist es die Welt der Laufstege, die uns suggeriert: Dürr ist in Style. Utopische Schönheitsideale, Jugendwahn, Schlankheitsfieber – auch wenn wir versuchen, all das zu ignorieren, können wir uns davon nie völlig frei machen. Doch was, wenn die Imageblase der Modewelt uns verblendet? Was, wenn sich das Leben plötzlich nur noch um das Abnehmen dreht, ohne dass wir es erkennen? In den schlimmsten Fällen macht es uns krank. Minimal essen, extrem trainieren, Abführmittel und Diätpillen schlucken – das ist der bedrückende Alltag von Menschen, die an Anorexie leiden, besser bekannt als Magersucht. Diese psychisch bedingte Essstörung beginnt mit einer verzerrten Körperwahrnehmung: Magersüchtige fühlen sich dick, obwohl sie untergewichtig sind. Beim Hungern denken sie, sie haben die Macht über ihren Körper, dabei haben sie die Kontrolle längst verloren. Die Arbeitsgemeinschaft Essstörungen (AES) schätzt, dass in der Schweiz zwischen 10 000 und 50 000 Personen von Essstörungen betroffen sind. Zu 90 Prozent trifft es junge Frauen zwischen 15 und 35 Jahren.

Der Fall Isabell Caro – Krampfdiät zwischen Leben und Tod

Ein tragisches Beispiel in der Geschichte der Anorexie ist das französische Model Isabell Caro, die mit 28 Jahren an den Folgen Ihrer Magersucht starb. Caro machte ihre Krankheit publik, indem sie ihren abgemagerten Körper von dem Modefotografen Oliviero Toscani nackt ablichten liess. Caro wollte die Gesellschaft damit wach rütteln. Doch sie verfehlte ihr Ziel: Die Öffentlichkeit spottete, sie würde ihre Krankheit benutzen, um sich selbst ins Rampenlicht zu stellen. Zudem wurde sie die Heldin der «pro-Ana»-Foren, die Magersucht als hippen Kult feiern. Vergessen die Zeichen, die Caro mit ihrer Kampagne setzen wollte. Ignoriert der medizinische Notzustand, in dem sie dauerhaft lebte. Eine Krampfdiät zwischen Leben und Tod. Wie wurde die junge Caro so krank?

Magersucht: Vom Perfektionismus zur Depression

Ob die Skandal-Kampagne nun Eigeninszenierung war oder nicht: Caros Krankheitsgeschichte zeigt alle hässlichen Facetten der Krankheit auf: Wie bei vielen Anorexie-Erkrankten begann ihre Essstörung bereits in der Pubertät. Caro beschreibt den Werdegang ihrer Krankheit in ihrem Buch «La petite fille qui ne voulait pas grossir» (Das kleine Mädchen, das nicht dick werden wollte). Wie die meisten Magersüchtigen war Caro in ihrer Teenagerzeit schüchtern und stark perfektionistisch veranlagt. Extremer Ehrgeiz und Perfektionismus waren in ihrem Fall ein Zeichen von geringem Selbstwertgefühl. Menschen, die sich selbst nicht so akzeptieren mögen wie sie sind, haben das ständige Gefühl, nie genug zu sein. Magersüchtige meinen vor allem, nicht dünn genug zu sein. Die Folge: Hungern, Essanfälle, Erbrechen – und das meist von anderen unbemerkt. Magersüchtige verstecken ihr gestörtes Essverhalten vor ihren Mitmenschen und erfinden Ausreden. So bleibt die Krankheit lange Zeit unentdeckt. Die Gefahr: Magersüchtige isolieren sich so von ihren Mitmenschen und riskieren damit neben der Mangelernährung auch Depressionen.

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Wie erkennen wir, dass einer unserer Mitmenschen an Magersucht leidet? Erstes, aber lange nicht ausreichendes Indiz für eine Anorexie ist ein Body-Mass-Index von weniger als 17,5. Stars wie Paris Hilton oder Jessica Alba stolzieren gerade so auf der Grenze des Magersuchts-BMI. Topmodel Naomi Campbell ist bereits untergewichtig mit einem BMI von 16. Der Index berechnet sich aus dem Körpergewicht in Kilo dividiert durch das Quadrat der Körpergrösse in Metern.

Noch wichtiger als der BMI, ist aber der Kopf: Isabell Caro soll 30 Kilo bei einer Körpergrösse von 1,65 Metern gewogen haben, als Toscani sie fotografierte. Das entspricht einem Body-Mass-Index von 12,3. Wenn der Patient neben einem geringen BMI ununterbrochen ans Abnehmen denkt, lautet die Diagnose Magersucht. Auch durch eine Blutuntersuchung lässt sich Magersuchtverdacht erhärten: Ist der Patient untergewichtig und weist einen Zink- und Eisenmangel auf, ist das ein weiteres starkes Indiz für die Krankheit.

Körperliche Symptome von Magersucht

  • niedriger Blutdruck
  • Blässe
  • rissige Haut
  • sprödes Haar
  • Karies
  • Zahnfleischerkrankungen bis hin zu Zahnausfall
  • Ausbleiben der Menstruation

Vom Traum Abzunehmen zum Alptraum Essstörung?

Wie bei Caro treffen verschiedene Faktoren zusammen. Caro eiferte nicht nur einem Schönheitsideal nach, sie setzte sich selbst auch unter enormen Leistungsdruck, hatte kaum soziale Kontakte, und ein gebrochenes Verhältnis zu ihrer Familie. Hinzu kamen schwere psychische Belastungen durch einen sexuellen Missbrauch. Bei Magersüchtigen treffen ein oder mehrere dieser Faktoren häufig zu. Das innere Unwohlbefinden löst bei den Betroffenen einen Teufelskreis aus Hungern, Heisshungerattacke, Erbrechen aus und hält ihn in Gang.

Therapie gegen Magersucht

Wie findet der Patient wieder aus diesem Teufelskreis heraus? Wird Magersucht nicht behandelt, kann das schwere bis tödliche Folgen haben. Empfohlen wird eine ambulante Psychotherapie, die Patienten dabei hilft, ihren Körper wieder richtig wahrzunehmen. Die Behandlung kann mehrere Jahre dauern und bezieht oft das engere soziale Umfeld mit ein. Dazu begleitend lohnt sich eine Ernährungstherapie, mithilfe derer die Patienten wieder an eine gesunde Ernährung herangeführt werden. Ist die Krankheit sehr weit fortgeschritten wie im Falle Caro, wirkt nur eine stationäre Therapie, bei der der Patient im Extremfall vorübergehend künstlich ernährt werden müssen.      

Beratung für Magersucht-Betroffene und Angehörige

Foto: iStock

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