Bunte FluchtenWarum Malbücher für Erwachsene die Beststellerlisten stürmen

Malbücher für Erwachsene sind der neueste Entspannungs-Trend aus Amerika. Auch hier zu Lande gibt es immer mehr stille Anhänger. Ausmalen als Stresskiller? Nur her mit dem Bundstift, unsere Redakteurin pinselt drauf los!

Malbuecher Erwachsene

Erwachsene die mit bunten Stiften kleine Bienen, Blumenranken oder buddhistische Mandalas ausmalen? Tönt im ersten Moment total absurd. Auch wenn mir, der Trend nicht unbekannt war. Die Beststellerlisten in Amerika und Grossbritannien werden von diesen Malbüchern für Erwachsene angeführt. Trotzdem konnte ich dem ganzen Hype um die Malbücher nicht verstehen. Gibt es nicht erwachsenere Methoden um den Alltags-Stress hinter sich zu lassen? Yoga zum Beispiel. Oder Meditation. Aber das simples Ausmalen der Weg zu Ruhe und Entspannung sein soll, daran zweifelte ich.

Bis zu dem Tag, als ich den berüchtigten Zauberwald, den Star unter den Malbüchern für Erwachsene, auf dem Schreibtisch meines alten Herren fand. Da rutschte mir dann doch glatt ein: «Oh je, machst du den Quatsch jetzt auch?» heraus. »Das entspannt,« antwortet er. Als wäre dem Fakt, dass mein Vater in seiner Freizeit neuerdings Bienchen und herzige Blümchen ausmalt, nichts weiter hinzuzufügen.

Man muss wissen, mein alter Herr ist ein verkannter Experte, wenn es um Stressbewältigung und Entspannungs-Techniken geht. Ich nenn ihn auch gern den Freizeit-Yogi. Er hat schon so ziemlich alles ausprobiert, was unserer stressgeplagten Gesellschaft an Entspannung angeboten wird. Wellness, Yoga, Joggen, Meditation, mentales Training und: Malbücher für Erwachsene.

Zauberwald Malbuch für Erwachsene

       Eine Seite aus Johanna Basfords Zauberwald

Ich frage mich ob wir alle wirklich so verzweifelt sind, dass wir die blödsinnige Aufgabe nicht über den Rand zu malen, als beglückend empfinden? Haben wir das nicht bereits als Kinder zur Genüge praktiziert?

Was der Markt her gibt

Offensichtlich nicht. Denn der Zauberwald ist bereits das zweite Malbuch der schottischen Illustratorin Johanna Basford, deren erstes Buch Mein verzauberter Garten, sich bereits 1,4 Millionen Mal verkauft hat. Der Zauberwald soll das noch übertreffen und im Oktober diesen Jahres, wird das dritte Malbuch erwartet. Die Nachfrage ist gross und geht inzwischen über Bienchen und Mandalas hinaus. Man kann Filmstars und beliebte Fernsehserien, wie Game of Thrones, nach Belieben einfärben. Selbst die Vogue, hat ihre schönsten Covers für ein Ausmalbuch illustrieren lassen. Buchhandel und Verleger freut das natürlich. Laut dem Manager Magazin, werden zur Zeit dreimal mehr Malbücher gekauft. Ich stelle fest, diese Malbücher müssen vielen Menschen, wohl doch einen Haufen Spass machen. Aber Warum und was bringt es?

Google schlägt mir gleich an erster Stelle Malbücher mit den Titeln Meditation und Komm zur Ruhe vor. Runterkommen und entspannen, darum geht’s also. «Funktioniert das denn wirklich?» Frage ich den alten Herrn. «Wenn man sich darauf einlässt schon,» sagt mein Vater in weiser Yogi-Manier und reisst eine Seite aus dem Zauberwald. Ich weiss, jetzt komme ich nicht Drumherum, die ganze Sache wenigstens auszuprobieren.

Anfangs sträube ich mich. Mir fallen mehr blöde Sprüche ein, als das ich Farbe in die Ornamente der Malbuchseite bringe. Der alte Herr meint: «Nicht quatschen, sondern malen.» Das, schlussendlich dann doch noch ganz gut klappt. Die Augen konzentrieren sich nach 10 Minuten nur noch auf Stift und Farbe. An andere Dinge, wie zum Beispiel die Zahnreinigung nächste Woche oder eine Deadline die morgen ansteht, verflüchtigen sich. Als der alte Herr, den Kopf zur Tür reinsteckt um zu fragen ob ich Hunger habe, fällt mir auf das bereits eine halbe Stunde vergangen ist und lege den Stift beiseite. Mein letzter Gedanke bevor ich wieder in der nicht so schön verschnörkelten Wirklichkeit lande: Nehme ich jetzt besser das dunkle Waldgrün oder das helle Grassgrün für die Blätter der Anemone?

Vorurteile hinter sich lassen

Mir wird klar, diese Methode sich zu entspannen, mag zwar kindisch sein, aber sie funktioniert. Mein Natel meldet, dass fünf neue Emails und Social Media Meldungen mich auffordern sie zu lesen. Nein, nach Tastatur, hellem Bildschirm und wilden Buchstaben, die darauf herum tanzen, bis es mich wieder stresst, ist mir jetzt nicht. Ich sortiere die Stifte ein und streiche noch mal über das feste Papier aus Tonkarton und vermisse das sichere Gefühl des Bundstifts in meiner Hand.

Illustration aus: Mein verzauberter Garten
  Illustration aus: Mein verzauberter Garten

Ausmalen verlangt einem sicher keine kreative Höchstleitung ab, aber genau deswegen ist es so entspannend. Keine komplizierten Sachverhalte, keine sportlichen Verrenkungen, und das an «Nichts denken« funktionieret viel besser als beim Meditieren. Aber was mir am Besten an der ganzen Sache gefällt ist, dass ich jederzeit und egal wo, weiter an meiner Anemone malen kann. Als Frau muss ich keine Hemmungen haben. Mein alter Herr übt sein neues  Hobby hingegen im Verborgenen aus. «Was sollen die Leute denken, wenn ich abends im Zug sitze und meine Bundstifte spitze bevor ich mich freudig darüber hermache Blumenranken auszumalen?« Aha. Da sind sie wieder die Vorurteile, die mich und sicher viele andere davon abhalten, einfach drauf los zu malen.

«Male, male, male. Das hör ich heute noch in meinem Ohr. Du hattest schon Spass am Malen bevor du überhaupt richtig sprechen konntest. Warum sollte das heute anders sein?» Sagt der alte Herr und drückt mir den ganzen Zauberwald in die Hand. Drei Tage später, stehe ich im Bastelladen und kaufe mir Bundstifte in den knalligsten Farben. Vaters Yogi-Kollege Obi-Wan Kenobi von Star-Wars würde dazu nur sagen: «Viel zu lernen du noch hast.»

Die 10 schönsten Malbücher für Erwachsene haben wir in einer Bildergalerie zusammengestellt.

Bilder und Illustrationen: Youtube, Kneseberg Verlag/Johanna Basford

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