Mompreneur Nathalie Sassine-Hauptmann«Wenn dieses Baby geklappt hat, mache ich mein nächstes Baby»

INTERVIEW ...und das war im Fall ein Unternehmen. Weil Nathalie Sassine-Hauptmann nach der Babypause keinen Job fand, der zu ihrem Familienleben passte, machte sie sich ihren eigenen. Stellvertretend für viele Mompreneurs in der Schweiz, erzählte sie uns, wie sie es geschafft hat ein erfolgreiches Online-Reisebüro zu gründen und wie aus Arbeit eine Leidenschaft wurde.

Mompreneurs machen den Job zur Leidenschaft.

Liebe Nathalie, warum hast du dich selbständig gemacht, nach dem du Mutter geworden bist?

Ich fand keinen Job, nicht zu meinen Konditionen. Wie die meisten Mompreneurs, konnte ich keinen Job annehmen, bei dem ich jeden Abend länger bleiben muss. Jemand muss die Kinder von der Krippe abholen. Oder das Kind wird krank und der Chef macht so ein Gesicht!

Das Muttersein hat dich sicherlich auch verändert.

Die Prioritäten verschieben sich, ganz klar. Ich konnte stundenlang nur mein Baby beobachten und das hat mir gereicht. Und dann irgendwann doch nicht mehr.

Du hättest auch einen anderen Beruf wählen können, aber sich selbständig zu machen, heisst: Ich bin der Boss. Warum war dir das wichtig?

Bei mir war es das Alter. Ich habe gemerkt, dass ich plötzlich Mühe damit hatte, mir etwas von anderen sagen zu lassen. Mit den Kindern bist du der Chef. Du bist für diese Wesen verantwortlich - und realisierst auch, ich kann mehr, als ich mir vorher zugetraut habe. Und wenn dieses Baby geklappt hat, mache ich mein nächstes Baby, - das war dann ein neues Unternehmen. Und dazu kommt, dass man als Mompreneur ganz oft einen Partner hat, der für den Unterhalt sorgt. Denn als Mompreneur verdienst du anfangs wenig bis gar nichts. Das kannst du als Alleinlebende nicht einfach machen, du musst ja deine Miete bezahlen.

Muttersein ist ein Handicap in der Berufswelt

Über Nathalie Sassine-Hauptmann

Die Schweizer Mompreneurin Nathalie Sassine-Hautmann im Interview mit femelle.ch

Nathalie Sassine-Hauptmann und ich, wir kennen uns schon. Die freie Journalistin und Autorin war eine meiner ersten Interviewpartnerinnen und macht damals als «Rabenmutter» von sich Reden. Ihr gleichnamiges Buch und Blog erzählte vom Leben mit kleinen Kinder als berufstätige Mutter. Diesmal sprechen wir über ihre neuen Babys. Nathalie-Sassine-Hauptmann, die ursprünglich aus der Reisebranche kommt, hat sich mit einem eigenen Online-Reisebüro webook.ch selbstständig gemacht und gleichzeitig den ersten Blog für Schweizer Mompreneurs gegründet.

mompreneurs-schweiz.ch

Ist ein Mompreneurship ein Luxus, denn man sich nur mit einem Ernährer und ausreichend Startkapital leisten kann?

Total! Aber ich kenne auch alleinerziehende Mompreneurs, die es geschafft haben. Und es kommt natürlich auch darauf an, was du machst. Ich brauchte für webook.ch nicht viel Startkapital. Ich brauchte einen Laptop, eine Homepage, die Systeme, Visitenkarten und Briefpapier, das war alles.

Verrätst du, wie viel man am Anfang investieren muss?

Wenn du nichts herstellst, sondern von zuhause eine Dienstleistung anbietest, kommst du mit etwa 2000 Franken hin. Aber es kommt auch darauf an, wie gross du deine Homepage haben möchtest. Ich wollte von Beginn an eine professionelle Website, nichts Selbstgebasteltes. Hätte mir mein Mann beim Design nicht helfen können, wären das 20 000 Franken gewesen.

Am kostspieligsten ist wahrscheinlich die Zeit, in der du noch nichts verdienst.

Du arbeitest 100 Prozent und mehr, verdienst aber nie so viel, wie wenn du angestellt wärst. Dessen muss man sich bewusst sein. Man sagt, es dauert etwa drei Jahre bis man auf eigenen Beinen steht. Bei mir war es nach einem Jahr gut. Das kommt aber natürlich auf die Branche an.

Definieren Mompreneurs Karriere auch anders? Es kann ja nicht allein um Geld, Erfolg und Macht gehen, denn Führungspositionen könnten Mütter theoretisch auch als Angestellte haben.

Es geht vor allem darum, seine eigene Vision zu verwirklichen, die nicht vom Einverständnis eines Vorgesetzten abhängig ist. Ideen umzusetzen und etwas aufzubauen, das ist das Spannende! Das heisst, es geht schon darum, sein eigener Chef zu sein, aber nicht aus Machtstreben. Das ist generell auch nicht sehr weiblich.

Das ist das doofe, schlechte Gewissen, das du mit dem Baby geliefert kriegst.

Spannend finde ich auch, dass es überhaupt den Begriff «Mompreneur» gibt. Man könnte ja auch sagen, Frauen, die sich selbständig gemacht haben. Schliesslich haben die meisten Frauen Kinder.

Jemand der kleine Kinder hat und sein eigenes Unternehmen startet, hat einfach viel weniger Zeit, um zu arbeiten.

Kokettiert die Mama-Unternehmerin mit einem Handicap?

Muttersein ist ein Handicap in der Berufswelt, das muss man ganz klar sagen. Es gibt ja auch keine Dadpreneurs, weil sie Frauen haben, die ihnen den Rücken stärken. Bei Mompreneurs ist das übrigens auch so, anders geht es gar nicht.

Ist es für dich als Mutter mit einem Online-Reisebüro schwierig, wenn du dir die Ferienorte vor Ort anschauen und dadurch viel Reisen musst?

Nein, das ist nicht schwierig, das ist toll! Es ist natürlich Arbeit, aber es ist wie alles andere eine Frage der Organisation – mit meinem Mann, mit meinen Kindern, mit der Grossmutter. Vor ein paar Monaten habe ich auf meinem Blog mompreneurs-schweiz.ch über Zeitmanagement für berufstätige Mütter geschrieben. Ich bin nämlich eigentlich gar nicht so gut organisiert. Ich habe immer noch die Illusion spontan sein zu können und komm in letzter Zeit ziemlich in Kontakt mit der Realität.

Zum Beispiel?

Mein Sohn hatte Geburtstag und ich hatte eigentlich alles organisiert. Abends beim Dekorieren fragte dann mein Mann: «Wo sind eigentlich die Süssigkeiten?» Die hatte ich vergessen. Mein Mann musste dann abends noch an die Tankstelle fahren und Gummibärchen besorgen. Da fühlte ich mich wie eine Rabenmutter, die ausgerechnet das wichtigste Detail für den Geburtstag ihres Kindes vergessen hat - und nicht etwa etwas für die Kunden. Das geht nicht vergessen. Das ist tricky!

Mit Putzhilfe streitet man viel weniger.

Ist es eine Illusion, dass man als berufstätige Mutter alles immer gleich gut und perfekt machen kann?

Das ist das doofe, schlechte Gewissen, das du mit dem Baby geliefert kriegst. Das Letzte, das nicht gut sein darf, ist die Familie. Deshalb bin ich als Mompreneur erst dann erfolgreich, wenn ich alles unter einen Hut gebracht habe: Business, Kinder, Partnerschaft. Und manchmal klappt das überhaupt nicht.

Ist es so schlimm, wenn im Stress einmal die Gummibärchen vergessen gehen?

Gerade kam in einer Studie heraus, dass Kinder von arbeitenden Müttern sozialer und weniger verhaltensauffällig sind. Balsam auf unsere Seelen! Die Frage bleibt aber trotzdem: Werden es meine Kinder irgendwann mal verstehen und sogar zu schätzen wissen?

Bereust du es manchmal, dass du dich selbstständig gemacht hast?

Es gibt die Tage, wo ich alles ganz schrecklich finde und nicht weiss, wie ich allem gerecht werden soll. Aber trotzdem würde ich webook.ch nie aufgeben wollen. Andere schaffen es ja auch, also muss es gehen. Und vielleicht muss ich diesen vermeintlichen Perfektionismus ein bisschen ablegen.

Mütter, die sich mit kleinen Kindern selbstständig machen, haben nicht die volle Zeit für das Unternehmen. Aber was heisst das konkret für Mompreneurs?

Man muss sich Hilfe holen, ob das nun der Vater, die Grosseltern, ein Au Pair oder die Krippe sind. Das andere ist wirklich Organisation. Das Problem in der Schweiz ist, Krippenplätze sind einfach unheimlich teuer. Es gab Zeiten, da habe ich nur für die Krippe gearbeitet.

Da investierst du vielleicht in die Zukunft.

Und jetzt investiere ich in eine Putzhilfe. Ich habe keine Zeit und auch keine Lust mit der Zeit, die mir noch bleibt, das Haus zu putzen. Das ist totaler Luxus, aber auch eine Investition in die Partnerschaft. Mit Putzhilfe streitet man viel weniger.

Ich wollte meinen Kindern auch nie das Gefühl vermitteln, sie müssen nur «Mäh» machen und Mama steht da.

Nathalie Sassine-Hauptmann hat den ersten Blog für Schweizer Mompreneurs gegründet.

Oft kann man auch schwer loslassen. Ob es das eigene Kind oder die eigene Firma ist, man selbst macht es immer am besten.

Das muss man erst lernen. Seit rund einem Jahr habe ich die erste Angestellte, und sie machte ihr Ding von Anfang an so gut, dass ich auch loslassen konnte. Und sie hat auch neue Inputs gegeben. Richard Branson hat mal gesagt: Man muss Menschen anstellen, die besser sind als du, die was anderes besser können als du und die auch anders sind als du. Und jetzt habe ich fünf Angestellte, die alle anders ticken als ich und das klappt wunderbar.

Selbstständigkeit ist natürlich auch ein Risiko, wenn man beispielsweise lange krank ist. Aber auch Urlaub ist schwierig. Machst du dir darüber manchmal Gedanken?

Als Mompreneur musst du dich darauf einstellen, dass du im ersten Jahr keine richtigen Ferien hast. Du kannst deinen Kunden ja nicht sagen, wir haben jetzt zwei Wochen geschlossen! Deshalb wollte ich ursprünglich auch eine Angestellte. Und dann wurde auch schnell klar, es werden immer mehr Kunden kommen, ich kann das alleine gar nicht schaffen. Am besten führt man ein Unternehmen darum vielleicht zu zweit. Aber auch dann musst du trotzdem immer deine Mails checken. Solange ich dieses Unternehmen habe, werde ich nie wieder total abschalten können. Das ist man sich aber am Anfang gottseidank nicht bewusst.

Wie regelst du deine Arbeitszeiten?

Die Wochentage sind geregelt. Ich habe drei volle Arbeitstage, an denen meine Kinder von der Tagesschule erst abends nachhause kommen. An den anderen Tagen muss ich etwas flexibler sein, weil die Kinder mittags nachhause kommen.

Wie organisierst du dich mit deinen Kindern, wenn unerwartet besonders viele Anfragen reinkommen.

Ich nehme ich mir Anfang der Woche grundsätzlich gar nicht vor irgendetwas Bestimmtes mit meinen Kindern zu unternehmen. Meine Kinder verstehen, dass ich unter der Woche keine festen Versprechen machen kann. Wenn ich Zeit habe, besuchen wir freitags noch Freunde, aber wenn es nicht geht, dann geht es nicht. Ich wollte meinen Kindern auch nie das Gefühl vermitteln, sie müssen nur «Mäh» machen und Mama steht da. Es ist auch unhöflich, Menschen auf Abruf zu parken.

Flexibilität, Ruhe, Jogginghose. Ist Home Office deine liebste Arbeitsweise?

Ich habe vor webook.ch ja lange als freie Bloggerin und Journalistin gearbeitet, da fand ich Home Office sehr toll, weil du Ruhe zum Schreiben brauchst. Jetzt ist es nur noch sehr praktisch. An den Tagen, wo meine Kinder mittags nachhause kommen, ist es das einzig Wahre. Ein grosses Büro lohnt sich für webook.ch auch nicht, weil meine Angestellten selbst alle Mütter sind und froh sind, wenn sie von zuhause aus arbeiten können. Ich habe aber nach all den Jahren Home Office gemerkt, dass ich mal wieder einen Arbeitsweg brauche, ein Wegstück, wo ich merke, jetzt verlasse ich das Zuhause und gehe arbeiten. Zuhause fehlt manchmal die Distanz. Seit August habe ich deshalb ein Büro, zu dem ich 10 Minuten fahren muss. Perfekt!

Ich schreibe auch gerne in Ruhe, aber mir würde zuhause der Austausch fehlen. Man lacht ja auch viel im Büro.

Das stimmt. Im Home Office muss man sich den Austausch viel gezielter suchen. Da ist nicht schnell mal ein bisschen über den Schreibtisch gequatscht. Deshalb bin ich auch beispielsweise in verschiedenen Verbänden, wo regelmässig Veranstaltungen stattfinden, aber auch auf Facebook findet unter Mompreneurs ein grosser Austausch statt.

das ist nicht Arbeit, das ist eine Leidenschaft.

Das verlangt Networker-Qualitäten.

Das lernst du. Wenn du immer alleine bist, vereinsamst du ja sonst. Ich hab früher auch immer gedacht, Networking, Smalltalk, kann ich nicht. Heute kann ich in einen Raum kommen und jeden ansprechen.

Mompreneurin Nathalie Sassine-Hauptmann über ihr eigenes Online Reisebüro webook.

Webook.ch ist ein Online-Reisebüro. Es gibt also keinen Laden in den du reingehen kannst. Aber ein Team aus sechs Müttern, die sich in der Reisebranche bestens auskennen und für euch individeull die perfekten Ferien buchen. Das spart Zeit. Und Verkaufgebühren gibt es auch keine. Tolle Idee!

webook.ch

Stimmte es, dass Networking das A und O für Selbständige ist?

Ja, das ist sehr wichtig. Meine Kundschaft erreicht uns zu einem Drittel über Google, ein Drittel sind Rabenmutter-Leserinnen und ein Drittel kommt aus Netzwerken und Bekannten.

Wie hast du dir dein Netzwerk aufgebaut?

Durch Rabenmutter habe ich mir mein grösstes Netzwerk aufgebaut – und das ist totaler Zufall, denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Durch Rabenmutter wurde ich ein wenig bekannt und als es plötzlich hiess, die Rabenmutter verkauft jetzt Reisen, wurde ich von den Kunden als Familienfrau wahrgenommen. Unsere Kunden, wissen dadurch, sie versteht unsere Bedürfnisse. Wichtig war aber auch Mund-zu-Mund-Propaganda. Ich wurde ganz viel weiterempfohlen.

Ohne deine Vorgeschichte, müsstest du dich überall neu verkaufen. Das muss man können.

Wenn du etwas verkaufen musst, dass dein eigenes Werk ist und was dir unglaublich viel Spass macht, dann geht das. Ich könnte jetzt auch keine Kühlschränke verkaufen.

Es geht also alles, wenn die Organisation und die Leidenschaft stimmt. Bleibt nur noch eine Frage: Wenn dein Unternehmen ein grosser Erfolg wird und auch die Work-Family-Balance stimmt, wo bleibt dann noch Zeit für dich?

Dein Unternehmen bist ja du! Das kann man nicht wirklich trennen. Das Wochenende nehme ich mir schon für die Kinder, denn alles andere fände ich nicht okay. Aber Zeit für mich und ein Buch, nehme ich mir natürlich auch. Man kann nicht immer arbeiten. Es gab aber auch schon Sonntage, da dachte ich, jetzt würde ich eigentlich gerne arbeiten. Da hatte ich eine Idee und wollte sie einfach sofort umsetzen. Es ist wirklich anders als Unternehmer, als wenn du angestellt bist: das ist nicht Arbeit, das ist eine Leidenschaft.

Artikelbild: picjumbo.com

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