OpportunismusArschkriechen für den Erfolg
Connecten, Honig ums Maul schmieren und dabei nie die Karriereleiter aus den Augen verlieren - dies zeichnet einen verbissenen Opportunisten aus. Ich erläutere in diesem Artikel, warum mir diese Mentalität fern bleiben soll und ob Opportunismus zwischenmenschliches Versagen ist oder ob in jedem von uns ein kleiner Situationist steckt.
Was haben wir uns nicht alles vorgenommen für das Jahr 2020 - the Roaring Twenties. So viel wollten wir erreichen, allerlei erleben und unternehmen. Viele von meinen Freunden und Bekannten haben das Jahr 2020 auch als fruchtbares Karrierejahr betrachtet. So wie ich auch.
Ich will aber gar nicht über das ach so verflossene 2020 schreiben (denn hey, auch wenn die Corona-Krise noch lange nicht vorbei ist, kann man seine Zeit nach wie vor produktiv nutzen!). Nein, viel mehr will ich auf etwas aufmerksam machen, was für unsere Psyche noch schlimmer ist, als der erzwungene Stop auf der Karriereleiter: Verbissenheit.
Der feine Grat zwischen Ehrgeiz und Verbissenheit
Ich würde von mir selbst behaupten, dass ich ein ehrgeiziger junger Mann bin. Gesunder Ehrgeiz ist irgendwie ja auch unverzichtbar für ein, meines Erachtens, erfolgreiches Leben. Manchmal bin ich auch ein bisschen stur, ja fast schon verbissen. Vor allem im letzten Jahr habe ich neue Charakterzüge an mir selber entdeckt, die ich vorher noch nicht kannte. Schliesslich hatte ich bis dahin auch noch nicht wirklich viele Zukunftspläne und machte mir eher wenig Gedanken um meinen beruflichen Werdegang.
Doch das änderte sich: Relativ unerfahren habe ich mich selbst ins kalte Wasser der Geschäftswelt geschmissen – naiv und blauäugig könnte man schon fast sagen. Dabei durfte ich viele wertvolle Erfahrungen sammeln und habe gleichzeitig aber auch Blut geleckt: Mit ganz hohen Tieren zu reden, Geschäftsanlässe mitzuerleben, etwas zu sagen haben - das hatte schon irgendwie was. Ich verstehe gut, dass dies bei vielen Menschen schnell als Nonplusultra angesehen wird. Nebst vielen interessanten Menschen habe ich aber auch eine Menschengruppe kennengelernt, die mich weniger begeistert haben: Opportunisten.
Der Opportunismus kommt schleichend
Ich denke, es ist nichts dabei, wenn man ehrgeizig ist und sich beispielsweise auch mal beim Chef einschleimt. Schliesslich lässt sich dies ja auch schon bei kleinen Kindern beobachten, die zwanghaft versuchen, das Lieblingskind des Lehrers zu werden. Schlussendlich will man ja auch etwas erreichen, auch wenn das nur die positive Aufmerksamkeit des Vorgesetzten ist.
Die Definition eines Opportunisten ist laut Duden aber eine Person, die mit «allzu bereitwilliger Anpassung an die jeweilige Lage aus Nützlichkeitserwägungen» die Karriereleiter ganz hoch klettern will. Karrieristen halt.
Oftmals sind das Personen, die im Job ganz weit kommen wollen. Ihres Erachtens ist das ja auch genau das, was ihnen zusteht. Stets den Fokus auf ein bestimmtes Ziel gerichtet, picken sie sich auf ihrem Weg nach ganz oben Menschen heraus, die ihnen dabei helfen könnten, es in die Chefetage zu schaffen – ganz egal, welche Opfer sie dabei erbringen müssen. Freundschaften werden vernachlässigt, Loyalität rutscht an die zweite, dritte, vierte Stelle.
Der Grat zwischen gesundem Ehrgeiz und der skrupellosen Karrieregeilheit ist ziemlich schmal.
Menschen verbiegen sich, nur um anderen zu gefallen. Nicht aus Gruppenzwang, wie das sonst manchmal der Fall ist, sondern um ihren eigenen Plan voran zu bringen. Oftmals geschieht das nicht mal wirklich bewusst, denn der Grat zwischen gesundem Ehrgeiz und der skrupellosen Karrieregeilheit ist ziemlich schmal. Nicht jeder schafft es, darauf zu balancieren, ohne dabei abzurutschen und sich selbst untreu zu werden.
Auf die Work-Life-Balance kommt es an
Zwischenmenschlich gesehen sind Opportunisten oft ziemliche Amateure und wenn man ihnen mal genau zuhört, wie sie anderen Honig ums Maul schmieren, wird einem schlecht. Doch nicht zu früh freuen: Es ist nicht abwegig, dass man selbst zum einen oder anderen Zeitpunkt in seinem Leben in diese Schiene gerät.
Schliesslich können auch Mütter, Väter, Kinder oder auch der beste Freund opportunistisches Denken entwickeln. Die Mitmenschen bekommen von all dem meist gar nichts mit. Man will ja auch nicht auffliegen, wie man sich klangheimlich die Crème de la Crème des Berufsfeldes zu Nutzen macht.
Deshalb ist es wichtig, dass man sich selber immer fragt, ob die momentanen Absichten immer noch die richtigen sind, denn; überambitioniertes Verhalten macht uns schlussendlich nur selbst krank und nicht selten verheddert man sich in in den Fäden des vermeintlich perfekten Plans. Die Work-Life-Balance ist doch wichtiger, als man manchmal denkt. Auf das richtige Mass von Ehrgeiz kommt es an, wenn es darum geht, wie man im Berufsleben punkten will.
Denn wenn ich etwas garantieren kann, dann ist es, dass Freunde, die man mit opportunistischem Verhalten gewonnen hat, selten richtige Freunde sind. Oft beruhen die Absichten nämlich auch auf Gegenseitigkeit.
Schon früh hat mich meine Mutter vor Menschen gewarnt, die ihr «Fähnchen immer nur nach dem Wind richten» und shit, lag sie da richtig. Es ist wichtig, dass man sich selbst auch immer wieder an der Nase nimmt, und die eigenen Entscheidungen auch mal hinterfragt. Lasst euch von dieser Hustle-Culture nicht allzu sehr unter Druck setzen, auch wenn es schweierig ist.
Dennoch gibt es zahlreiche Beispiele von Leuten, welche die Karriereleiter schon ziemlich weit nach oben geklettert sind und sich trotzdem nie verbogen haben. Es funktioniert. Denn anstatt an andere, muss man manchmal nur ein wenig an sich selbst und sein eigenes Können glauben. Auch ich arbeite noch daran.
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