Meins ist Deins!Sollen wir unseren Kindern lehren zu teilen?

Ein Sandkasten, zwei Kinder, eine rote Schaufel. Klar, jetzt müssen sie teilen! Aber wieso eigentlich? Warum immer mehr Eltern ihren Kindern nicht mehr zwingen möchten, zu teilen.

Kind hält jemandem eine Waffel hin.

Du musst mit deiner Schwester teilen!» mahnt die Mama und schon wird die rote Schaufel dem Kind entrissen. Schreien, Tränen, das Kind versteht die Welt nicht mehr. Es braucht doch die Schaufel, um seine Sandburg zu bauen. Ganz dringend sogar. Wie soll das denn ohne Schaufel gehen? Und überhaupt, warum hat die Schwester mehr Recht darauf als er?

Auch die Mama hat ihre liebe Not in der Sandkiste. Wie soll sie den Grossen dazu bringen mit der Kleinen zu teilen? Sie soll doch auch einmal die Spielsachen bekommen. Immer muss sie zurückstecken, weil der Grosse sich durchsetzt. Verzweifelt versucht die Kleine beim grossen Bruder mitzuspielen, doch er lässt sie nicht und irgendwann beginnt sie zu weinen. Da muss die Mama doch eingreifen. Und wenn er nicht von selbst teilen kann, dann muss er das eben lernen. Jetzt ist eben die Schwester dran mit der Schaufel.

Mein Kind teilt entweder freiweillig oder gar nicht

So geht es vielen Eltern. Sie fühlen sich gezwungen, selbst einzugreifen, um für Gerechtigkeit unter den Kindern zu sorgen. Um auszugleichen, wenn der Kleinere gegenüber dem Grösseren auf der Strecke bleibt. Doch wenn es nach der Theorie der amerikanischen Psychologin Laura Markham geht, hat das überhaupt nicht den gewünschten Effekt. Denn «ein Kind zum Teilen zu zwingen erteilt ihm nicht die Lektion, die wir eigentlich vermitteln wollen.» 

  • Vielmehr signalisiere es den Kindern:
  • Wenn ich nur laut genug weine, bekomme ich, was ich will, sogar wenn jemand anders es gerade hat.
  • Es sind die Eltern, die darüber bestimmen, wer was wann bekommt, und es liegt an ihrer willkürlichen Entscheidung, die von ihrer Laune abhängt und davon, wie laut ich bettle.
  • Meine Schwester/ mein Bruder und ich befinden uns im ständigen Wettbewerb miteinander, wenn es darum geht, zu bekommen was wir wollen. Ich mag sie/ihn nicht.
  • Ich glaube, ich bin gierig, aber das muss ich sein, um zu bekommen, was mir zusteht.
  • Ιch spiele besser schnell, denn ich werde das Spielzeug nicht lange haben.

Doch was sollen wir tun, wenn es unser Kind ist, das die rote Schaufel von einem anderen Kind erobern möchte? Kinder sollen lernen, sich untereinander zu einigen, sagt Laura Markham. Die Chance dazu sollten Eltern ihnen lassen, auch wenn es nicht immer möglich sein wird, dass jedes Kind bekommt, was es möchte. Wenn ein Kind leer ausgeht, muss es lernen, mit der Enttäuschung umzugehen. Dabei sollten die Eltern ihrem Kind helfen, rät Markham. Es ist dann auch okay, wenn es weint. Die Mama könne Trost spenden und andere Möglichkeiten aufzeigen, statt für das Kind zu holen, was es möchte. Und wenn zwei Kinder sich über etwas streiten, ist es an den Erwachsenen zu schlichten statt zu richten. Das ist manchmal schwierig, aber nicht unmöglich.

 Immer mehr Anhänger für die Nicht-Teilen-Erziehungstheorie

Sollen Eltern einfach zuschauen, wenn ein anderes Kind mit dem Spielzeugauto des eigenen Kindes spielen möchte, das es nicht hergeben will?

Oder darf mein Kind das rote Bobby-Car im Freizeitpark nach anderthalb Stunden immer noch weiter fahren, auch wenn ein anderes Kind an die Reihe kommen möchte?

Ja, glaubt die Mamabloggerin Beth Wankel. Denn erzwungenes Teilen führe bei Kindern zu falschen Annahmen, mit denen man dem Kind keinen Gefallen tue, glaubt sie: «Wenn das Kind (...) erwachsen ist, wird es glauben, dass ihm alles zusteht, was es gerade möchte. Aber so geht das ja auch nicht in der richtigen Welt.» 

In der Vorschule von Beths Sohnes einigten sich die Eltern auf eine «Nicht teilen»-Regel. Aber erst als sie ausserhalb der Schule mit anderen Eltern konfrontiert wurde, die darauf  bestehen, dass ihre Kinder teilen, sei ihr der Sinn des freiwilligen Teilens richtig bewusst geworden. Denn in der Vorschule ihres Sohnes funktioniere die «Nicht-Teilen»-Regel sehr gut, schreibt Beth auf dem amerikanischen Frauenportal popsugar. Die Regel dort ist simpel: Ein Kind darf so lange mit einem Spielzeug spielen, wie es möchte. Will ein anderes Kind mit dem Spielzeug spielen, muss es warten, bis das andere fertig ist.

Immer mehr Eltern und Pädagogen finden Gefallen am Nicht-Teilen-Prinzip. Andere dagegen sind entsetzt. Erziehen wir nun kleine Egoisten, wenn wir unsere Kinder nicht zwingen, zu teilen? Haben wir etwas gewonnen, wenn unsere Kinder nur dann teilen, wenn wir sie dazu ermahnen? Oder werden sie die rote Schaufel selbst abgeben, wenn man ihnen die Freiheit lässt darüber zu entscheiden? 

Wie geht ihr mit dem Thema um? Wir freuen uns über eine spannende Diskussion!

Die Psychologin Laura Markham gibt Erziehungstipps auf ahaparenting.com.
Beth Wankel bloggt auf verybloggy.com.

Titelbild: iStock, Thinkstock

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