JUST WONDERINGWarum heiraten?

Es gibt viele Gründe zu heiraten. Liebe ist es nicht. Und dennoch können wir vom romantischen Liebesideal nicht lassen. Kann das gut gehen?

Warum heiraten? Wegen dem Kleid und der Party natürlich.

Stellen Sie sich mal vor, Sie machen etwas ganz Verrücktes. Zum Beispiel organisieren Sie einen Flashmob, um rein zu springen, Ihr Herz aus der Seele zu tanzen und dann zu fragen: «Willst du mich heiraten?» Und dann stellen Sie sich vor, die Antwortet ist: «Warum?»

Genau, die ganze Romantik – dahin, während der Tanzschweiss wie Tränen von Ihnen runter tropft. Besser jetzt, als später. Denn eigentlich ist das die beste aller Antworten.

Heiraten ist verrückt. Denn obwohl in der Schweiz fast jedes zweite Ehe geschieden wird, hören die Menschen nicht auf goldene Ringe auszusuchen. Meist ist es eine romantische Vorstellung, die uns ins teure Tüllkleid hüllt. Dabei ist wenig so unromantisch wie eine Hochzeitsplanung. Hier wird im besten Falle Romantik vor aller Augen inszeniert und schlimmstenfalls für lange ruiniert.

Tauben fliegen lassen, Walzer üben, Torte füttern: Liebe braucht das nicht, aber eine Ehe hält tatsächlich länger, wenn Sie vor Zeugen geschlossen wird. Und wann kommen schon mal alle Freunde und die ganze Familie zusammen. Ein schöner Grund für ein Hochzeitsfest.

Die Ehe ist keine Party

Von allen Gründen an eine Ehe einzugehen, sei jedoch die Liebe der schlimmste, schreibt Yusef Williams auf seinem Blog «Love from the Brain». Auch Paartherapeut Ulrich Clement hat genug Paare streiten sehen, um sagen zu können: «Liebe allein reicht nicht, wenn eine Beziehung gelingen soll».

Liebe ist flüchtig. Liebe kann man nicht verhandeln. Liebe kann man nicht planen. Aber eine gute Ehe braucht das Aushandeln, die Sicherheit und die Vernunft. Bringst du den Müll raus, ich kaufe Neuen ein. Und komme auch wieder zurück vom Zigaretten holen. Ciao Alberto, du bist heiss, aber mein Mann hält mich warm.

Wäre es uns von der Natur vorbestimmt, einem Partner wie die Pinguine ein Leben lang treu zu sein, dann täten wir es auch ohne Trauschein, glaubt Williams. Aber eben weil es nicht natürlich ist, haben wir uns mit der Ehe eine gesellschaftliche Institution geschaffen, die uns Fremdgänger bindet. Die Institution der Ehe, gibt uns das, was der Liebe fehlt und ihre Kinder brauchen: Beständigkeit. Das war der erste und ist bis heute der erfolgversprechendste Grund zu heiraten.

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Können wir einem anderen ein Leben lang die Treue halten?Von Natur aus sind Säugetiere untreu. Bei den Menschen hat sich dagegen das Ideal der Monogamie etabliert. Was die Kultur will und die Natur dagegenhält...>

Das Heilsversprechen der romantischen Liebe

Die Idee der Liebesheirat hat sich erst im 19. Jahrhundert verbreitet. Zuvor war sie - und was sie heute bei vielen Ehen noch ist - ein Schutz- und Zweckbündnis. Im Mittelalter wurde vor allem geheiratet, um das Erbe in der Familie zu halten. In Ehen entstanden schliesslich die einzigen anerkannten Kinder, die Namen, Haus und Hof weiterführten. Erben konnte nur verheiratet war und nur wer verheiratet war, konnte etwas werden. Das änderte sich auch mit der fortschreitenden Industrialisierung nicht. Wer aufsteigen wollte, der heiratete, mindestens in den selben Stand hinein.

Erst das gebildete Bürgertum brachte die Liebe im 18. Jahrhundert als Heiratsgrund in die Ehe. Haben Sie die Tudors geschaut? Vorher wurde also sicher auch leidenschaftlich geliebt, aber ausserhalb. Mit der Idee Liebe, Intimität und Ehe unter ein Dach zu leben, schwand der familiäre Einfluss auf die Partnerwahl, aber auch ihre Absolutheit. Das Recht sich scheiden zu lassen, wenn die Liebe weg war, musste akzeptiert werden.

Denn die Liebe denkt nicht und stellt keine Bedingungen, sie gibt sich hin, in diesem Moment. Der Ehevertrag gilt unter Romantikern deshalb als viel zu vernünftig für das höchste Gefühl. Wo bleibt die Liebe, wenn man sich vorher gegen alle Eventualitäten absichert? Vor dem Gesetz ist die Ehe aber genau das: ein Vertrag. Wer zum Standesamt kommt, wird nicht gefragt, ob er liebt, sondern ob er sich aus freiem Entschluss in eine neue Steuerklasse einschreibt.

Freiheit ist schwierig

Heute haben wir neben der Freiheit den Menschen zu heiraten, der in unserem Bauch Flickflacks schlagen lässt, vor allem die Freiheit es nicht zu tun. Wohnung, Karriere, Zärtlichkeiten, Liebe, Kinder, Rente: für all das braucht es keinen Ring am Finger.

Aber gerade deswegen ist es schwieriger eine stabile Ehe zu führen. Partnerschaften lassen sich planen, die Gefühle darin nicht. Und gerade wegen der Freiheit sind unsere Ansprüche aneinander gestiegen. Wir haben die freie Wahl und wir wollen den Menschen, der am besten zu uns passt: den Lover, den Abenteurer, den liebenden Vater, der Uns-zum-Lachen-Bringer, den kulturell Gebildeten, den Fitnessfreak, den grosszügigen Bausparer. Und weil es diesen Super-Menschen nicht gibt, weil wir enttäuscht werden müssen, scheitern viele Ehen, glaubt die Familiensoziologin Rosemarie Nave-Herz.

Lebenserwartung sei dank, sind wir zudem theoretisch viel länger den Macken unserer Macker ausgesetzt. Auch deshalb geht Trend geht zum Lebensabschnittspartner. Für immer, heisst hier: so lange, wie es passt. Am längsten passt es übrigens bei Ehepaaren, die als Fundament ihrer Beziehung ein solide Freundschaft aufgebaut haben, glaubt Paartherapeut Clement. Zement hält besser als Luft. Best Friends Forever! Das klingt banal, «aber danach zu leben, ist die Kunst.»

Foto: Courtesy of Brides Throwing Cats

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