Hör auf die innere StimmeWarum dein Bauchgefühl mehr weiss als dein Verstand
Soll ich? Oder soll ich nicht? Entscheidungen zu treffen ist nicht immer einfach. Vor allem dann, wenn sich gleich zwei innere Stimmen melden. Der Kopf sagt das eine; das Bauchgefühl das komplette Gegenteil. Auf wen hörst du?
Nachweislich hören Frauen deutlich öfter auf ihre Intuition als Männer. Vor allem dann, wenn sie einen besonders guten Zugang zu ihren Gefühlen und ihrem Körper haben. Das Bauchgefühl ist nämlich nicht irgendein Hokuspokus, sondern ein real existierendes Körpersignal. Wissenschaftler fassen es oft mit dem Begriff des somatischen Markers zusammen.
Wie entsteht das Bauchgefühl?
Somatische Marker, oder eben das, was, was wir umgangssprachlich Bauchgefühl nennen, sind ein hochsensibles Bewertungssystem des Gehirns. Vorstellen kann man sich diese komplexen Mechanismen wie eine Art Archiv, in dem ein gigantisches Sammelsurium unserer Erfahrungen abgespeichert ist.
Deutlich schneller als der bewusste Verstand, nämlich innerhalb von 200 Millisekunden, gleicht es eine Situation mit seinem Erfahrungsschatz ab, trifft eine Entscheidung und sendet entsprechende somatische, also körperliche Impulse: Der Magen zieht sich zusammen, die Kehle schnürt sich zu, der Puls steigt, uns wird warm, flau oder wir spüren wir ein diffuses Unbehagen. Auch das Gegenteil kann der Fall sein; ein positives Bauchgefühl kann ein zartes Kribbeln in der Magengegend oder eine wohlige Wärme im Brustraum sein.
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Hat jeder ein Bauchgefühl?
Die Evolution hat es gut mit uns gemeint. Und genau deshalb hat sie jeden mit einem intuitiven Bauchgefühl ausgestattet. Es hat uns schon den Hintern gerettet, als wir vor Säbelzahntigern flüchten mussten und es ist noch heute unersetzbar. Entscheidungen treffen in Sekundenbruchteilen; das ist die Stärke der Intuition. Jedenfalls dann, wenn wir sie lassen.
Kopf schlägt Bauchgefühl: Wir entscheiden, wer gewinnt
Nicht jeder folgt seiner inneren Stimme. Im Gegenteil; viele treffen Entscheidungen sogar gegen ihr Bauchgefühl. Kopfmenschen trauen einem lapidaren Gefühl nicht. Bei anderen ist die Stimme einfach zu leise; sie hören nichts, spüren nichts und bedienen sich somit lieber der Ratio.
Schon als Kinder werden wir oft dahingehend erzogen, unserer angeborenen Intuition nicht über den Weg zu trauen. «Das bildest du dir ein» oder «Stell dich nicht so empfindlich an.» – schon mal gehört? Sätze wie diese machen den Kopf mächtiger als den Bauch. Dabei bedeutet Verstand Stärke; eine Einstellung, die in der modernen Geschäftswelt erst recht gilt.
Bild: Austin Chan/Unsplash
Wer hat Recht? Intuition oder Kopf?
Die Antwort lautet wohl: Beide! Denn auf das Bauchgefühl ist insofern Verlass, als es einen Erfahrungsabgleich macht, der uns unabhängig von sachlichen Geboten sagt, was wir wollen und was nicht. Das unangenehme Ziehen im Bauch prophezeit zuverlässig, dass wir nicht zum Zahnarzt gehen wollen und das Stellenangebot nicht zu uns passt. Oder dass wir dem verheirateten Flirt lieber widerstehen sollten.
Doch der Kopf ist nun einmal auch nicht blöd und weiss, dass die Wurzelbehandlung sein muss und der neue Job wenigstens vorrübergehend Sinn macht und Geld bringt. Und der Flirt; nun ja, vielleicht nicht sinnvoll ist, wir die Finger aber trotzdem nicht davon lassen werden.
Entscheidungen treffen: Wie macht man es denn nun richtig?
Experten raten Entscheidungen niemals allein nach dem Bauch oder allein nach dem Kopf zu treffen. Beide müssen zusammenarbeiten, um eine gute Lösung zu finden. Es ist erwiesen, dass es Stress erzeugt und damit langfristig krank macht, wenn man dauerhaft sein Bauchgefühl ignoriert. Was das grundsätzliche Lebenskonzept angeht, weiss die Intuition nämlich durchaus den richtigen Weg; auch wenn der Kopf ihr über gelegentliche Sackgassen hinweghelfen kann.
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Ein gesundes Mittelmass aus Bauchgefühl und Verstandsentscheidungen zu finden; darum geht es. Und die gute Nachricht dabei ist: Das Bauchgefühl wird im Laufe des Lebens immer besser. Es lernt nämlich aus Erfahrungen. Je mehr wir davon gesammelt haben, desto besser funktioniert die somatische Schaltzentrale. Also nur Mut – auch zu Fehlentscheidungen. Die nächste Entscheidung wird garantiert weiser; der Bauch braucht Futter zum Lernen!
Hilfe, ich habe kein Bauchgefühl! Wie du lernst, auf dich zu hören
- Körperwahrnehmung trainieren: Das Bauchgefühl wirkt ausschliesslich körperlich. Nimm dir bewusst Zeit, um in dich hinein zu fühlen. Atmung, Temperatur, Puls, Muskeltonus, Magen-Darm-Aktivität, Müdigkeit, Schweregefühl in Brust oder Beinen, Nervosität: All dies sind somatische Marker, die wahrgenommen werden wollen.
- Im Schlaf Entscheidung treffen: Wer nachts wach liegt, nicht einschlafen kann oder wild träumt, wird vielleicht von seinem Bauchgefühl geleitet. Oft wird die innere Stimme nämlich erst dann lauter, wenn wir entspannen.
- Zeit nehmen: Gefühle vertragen keine Hektik. Gilt es wichtige Entscheidungen zu treffen, sollte man sprichwörtlich drüber schlafen. Sich Ruhe, Zeit und vielleicht sogar eine räumliche Distanz zu gönnen, fördert die Entspannung und damit die Lautstärke der inneren Stimme.
- Vertrauen: Du kannst deinem Bauch ruhig Glauben schenken. Jedes noch so leise Gefühl hat einen guten Grund. Versuch also keine Regung oder Stimmung als nichtig abzutun, sondern freu dich über jeden Wegweiser, den du von Innen bekommst; mag er zunächst auch noch so leise sein.
- Aus Fehlern lernen: Sicher gibt es Entscheidungen, die du gegen dein Bauchgefühl getroffen hast und heute bereust (besagter verheirateter Flirt vielleicht?). Vergegenwärtige dir das damalige Gefühl und Vorgehen. So verdeutlichst du dir die Verlässlichkeit deiner Intuition.
Titelbild: OlesyaPeredery/iStock