Dinge, die ich nicht versteheWieso kaufen sich alle meine Freunde Haustiere?

In der Reihe «Dinge, die ich nicht verstehe» teilt Redakteurin Luise mit euch alles, was bei ihr ein Stirnrunzeln verursacht. Heute: Die neuen Haustiere ihrer Freunde.

Wieso kaufen sich meine Freunde Haustiere? Frau mit Hund.

Nach Angaben des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) sind im Jahr 2020 im Vergleich zu den Vorjahren 20 Prozent mehr Hunde gekauft worden. Hab ich gelesen. Und in meinem Umfeld beobachten dürfen.

Ob es wohl an der Corona Pandemie liegt, die wegen wegfallenden Parties bei vielen den Wunsch bestärkt, nicht mehr so allein zu sein und einen vierbeinigen Freund zu haben, der all dies mit einem durchsteht? Oder an einem anderen Grund? Ich verstehe es nicht. Jedenfalls nicht bei meinen dreissigjährigen in der Stadt lebenden und gern auf Reisen gehenden Freunden. 

Auf meine Frage «warum?» kam bisher noch keine für mich nachvollziehbare Antwort. Eine für mich nachvollziehbare Antwort wäre: «Ich lebe auf einem Bauernhof auf dem Land, keine Nachbarn weit und breit, ich sehne mich nach der Anwesenheit eines weiteren Lebewesens, welches mich vielleicht sogar durch Bellen vor einem Einbrecher warnt und damit beschützt. Besteht keine aktuelle Gefahr, kann dieses Lebewesen unangeleint auf Mäusesuche gehen, seine glänzende Nase in den Wind halten oder in der Sonne dösen». 

Welche Antworten ich nicht nachvollziehen kann: «Wenn ich meine Wohnung betrete, ist niemand an der Tür, um mich zu begrüssen». Schon traurig. Aber was noch trauriger ist: wenn man dann zum Burning Man Festival reist, in der Zeit niemanden an der eigenen Wohnungstür benötigt und seinen schwanzwedelnden Freund in eine Tierpension bringt. Oder zu den Eltern. Nieman weiss, ob sich der Freund in dieser Zeit nicht jeden Tag den Kopf zerbricht und sich fragt, was er falsch gemacht hat. Sich fragt, ob er sich vielleicht einmal nicht ausreichenend über sein Herrchen gefreut hat.

«Ach, das mit dem Verreisen geht schon! Deshalb habe ich mir ja einen Chihuahua gekauft. Der passt in jede Tasche, darf mit ins Flugzeug und macht auch nicht so viel Dreck», sagte eine Bekannte. Ihr extraklein gezüchteter Chihuahua fiel dann von einer Bordsteinkante, brach sich das Genick und starb. Wenn Menschen schon Tiere züchten, wieso dann nicht so, dass ihre Beinchen sie sicher durch unsere Welt bringen?

Steht hinter dem Haustierwunsch der Wunsch, sich um jemanden kümmern zu können? Gebraucht zu werden? Jemanden zu haben, der von einem abhängig ist, weil man selbst die Macht übers Pedigreefutter hat? Ist es nicht dasselbe Ding mit den Leuten die am Zürichsee die Möwen und Schwäne füttern? Weil sie dabei das Gefühl haben, etwas Gutes zu tun? Und dass sich jemand über ihre Anwesenheit freut?

Oder steht dahinter das, was auch oft leise gemurmelt wird: «Kinderersatz»? Schon mal üben, wie das so ist mit der Verantwortung und dem Aufstehen früh am Morgen und wenn es doch nervt, kann man das Tier ja notfalls wieder abgeben? Und würden die neuen Haustierbesitzer ihre Tiere wohl auch so sehr lieben, wenn diese mit ihnen sprechen könnten? Sagen könnten, sie wollen lieber das teure Futter oder lieber die Nachbarn mit Garten als Besitzer haben? Oder finden es meine Freunde gerade toll, dass ihre Tiere nicht sprechen und nicht «Ich liebe dich nicht» sagen können?

Titelbild: pexels

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