Was Darf Mode? Warum die Balaclava ein trendiges Politikum ist
Die Balaclava ist im Mode-Mainstream angekommen und das Staple der Saison. Doch ihre Optik erinnert stark an den Hijab, ein traditionelles Kopftuch, das von Muslimas getragen wird. Redaktorin Jenny hat sich den Zusammenhang zwischen Hijab und Balaclava etwas genauer angeschaut und findet: Viellleicht ist Mode der Schlüssel zum Umdenken der Gesellschaft. Ein Kommentar.
Sie ist das heisseste Accessoire der Winter-Saison: Die Balaclava. Eine Kopfbedeckung, die das Gesicht ganz oder teilweise frei lässt und in ihrer Symbolik nicht völlig harmlos ist. Die neu interpretierte Sturmhaube ist edgy und cool – doch zeigt sie eine erstaunliche Ähnlichkeit mit einem traditionellen Hijab, ein religiöser Schal, der von muslimischen Frauen getragen wird.
Ist die Balaclava nun eine Möglichkeit, Hijabs und die Entscheidung, seine Haare zu bedecken, zu entstigmatisieren? Oder ist das neu interpretierte Fashion-Piece geschmacklos gegenüber Tradition? Vielleicht ein wenig von beidem.
Das Kleidungsstück Balaclava hat seinen Ursprung im Krimkrieg 1853–1856. Damals wurde die Sturmhaube aus Stoff von britischen Soldaten getragen, um vor den eisigen Temperaturen des russischen Winters zu schützen. Später in den 00er-Jahren wurde sie zum aktivistischen Symbol – man denke beispielsweise an den Auftritt von Pussy Riot.
Seit 2021, als Vogue es zum Must-have Accessoire im Herbst erklärte, ist die «schicke Mischung aus Kapuze und Mütze» im Mainstream angelangt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Schweizer sich mit Sturmhauben eindecken. Doch wie problematisch ist die neumodische Kopfbedeckung?
High Fashion und Promis geben den Ton an
High Fashion Brands wie Stella McCartney, Louis Vuitton und Givenchy machen Balaclavas zum It-Piece und spätestens seit Kim Kardashians Outfit auf der Met Gala gilt es als chic, das Haar und gar Gesicht zu verbergen. Zumindest auf dem Laufsteg, solange es lediglich der Ästhetik dient.
Wie hängen Balaclava und Hijab zusammen?
In osteuropäischen Ländern wird die Balaclava schon lange getragen. Aus kultureller Sicht besteht kein Zusammenhang zum Hijab, abgesehen von einer ähnlichen Optik. Der Hijab hingegen ist in den Augen der Gesellschaft nie nur ein Kleidungsstück, er ist oft auch ein politisches oder religiöses Statement.
Die trendy Balaclava, die es heute auch bei H&M oder Zalando zu kaufen gibt, erinnert rein optisch an den Hijab. Dass die Grenzen zwischen den Kleidungsstücken verschwimmen, zeigt ein Video auf TikTok: Die Userin laurenblackborow zeigt darin, wie sich ein gewöhnlicher Schal in eine trendy Balaclava umwandeln lässt.
Wie kann es also sein, dass zwei Kleidungsstücke, die vom Zweck her ähnlich sind, so unterschiedlich von der Gesellschaft wahrgenommen werden? Das Problem des Balaclava-Trends: Man kann die «Sturmhaube» einfach ausziehen. Die Religion, die Hautfarbe und die Herkunft kann man nicht einfach ablegen, und es gibt Menschen, die aufgrund dessen Gewalt und Rassismus erfahren. Das hat auch politische Folgen. In Frankreich wurde dafür gestimmt, dass das Tragen von Hijabs an öffentlichen Plätzen verboten wird. Und in der Schweiz wurde 2021 mit Ja für ein Burkaverbot gestimmt. Muslimisch Gläubige werden hierzulande besonders häufig aufgrund ihrer Religion diskriminiert.
Anna Piela, Autorin von «Wearing the Niqab» sagt zur New York Times: «Weisse Menschen gelten in den USA und in West-Europa als unbedrohlich und deshalb haben sie sehr viel mehr Freiheit, einfach zu tragen, was immer sie tragen möchten.»
Ein altes Problem im neuen Gewand
Es handelt sich also um eine intersektionale Problematik. Weisse Frauen mit Balaclava gelten als trendy und harmlos, muslimische Frauen mit Kopftuch werden zu oft mit Islamismus in Verbindung gebracht. Hier könnte man doch ansetzen und umdenken: Das Problem ist nicht, dass die Balaclava Fashion Trend ist, sondern dass immer noch Vorurteile gegenüber Frauen bestehen, die ihre Haare bedecken.
Soll der Balaclava-Trend jetzt verurteilt werden? Im Gegenteil. Ich finde, der Trend der Balaclava zeigt, wie vielfältig Mode ist. Doch wenn der Vergleich zum Hijab wegen der Ähnlichkeit nun schon gezogen wird, könnte es doch im besten Fall zu einem Umdenken führen. Nein, Frauen, die Hijab tragen, lassen sich nicht automatisch unterdrücken oder sind streng gläubig. Es ist naiv, zu glauben, dass ein Fashion-Staple wie die Balaclava zu mehr Akzeptanz gegenüber Frauen führt, die ihre Haare bedecken. Doch vielleicht regt sie zum Nachdenken an und verändert unsere Wahrnehmung wenigstens ein kleines bisschen.