Nach 18 Uhr nichts mehr zu essen sorgt vielleicht nicht unbedingt für gute Laune, aber dafür für eine gute Figur. So heisst es jedenfalls. Dinner Cancelling ist nicht nur unter Hollywood-Stars beliebt, auch hierzulande bleibt abends immer öfter die Küche kalt. Mit Erfolg? 

Dinner Cancelling klingt nicht so fies wie Diät. Und hat tatsächlich auch nicht ganz so viel mit Verzicht zu tun wie strenges Hungern. Essen ist erlaubt und sogar naschen ist in Ordnung. Nur eben nicht mehr am Abend. Wörtlich übersetzt bedeutet Dinner Cancelling nämlich so viel wie «Verzicht aufs Abendessen».

Das Versprechen dieser Abnehmmethode lautet: Wer nach 18 Uhr bis zum Erwachen am nächsten Morgen nichts mehr zu sich nimmt, lässt die Pfunde purzeln. Mehr noch: Dinner Cancelling macht angeblich nicht nur schlank, sondern auch schön. Der Abendessen-Ausfall zählt zu einer der beliebtesten Anti-Aging-Methoden überhaupt. Klingt einfach – was im modernen Dschungel komplizierter Spezialdiäten bereits eine Seltenheit ist – aber ist es auch wirklich effektiv?

Dinner-Cancelling weckt Schlank-Hormone

Der Diät-Gedanke hinter der Dinner-Cancelling-Methode hat gleich mehrere Ansätze. Zum einen geht es um eine Einsparung von Kalorien. Wer statt einem üppigen Steak zum Abendbrot und den fettigen Chips vor dem Fernseher einfach gar nichts mehr isst, spart Kalorien – logisch! Und wer Kalorien spart, spart auch Kilos auf der Waage. Ebenfalls logisch. Dinner Cancelling soll aber über diese schlanke Kalorienbilanz hinaus noch einen positiven Diät-Effekt mit sich bringen. Ziel des Dinner Cancellings ist es nämlich auch, den Insulinspiegel – und mit ihm die Pfunde auf der Waage – möglichst klein zu halten. Insulin entsteht immer dann, wenn dem Körper Nahrung oder kalorienhaltige Getränke zugeführt werden. So lange Insulin hoch dosiert im Blut ist, befindet sich der Körper in einem Nicht-Abnehm-Modus. Im Gegenteil: Insulin ist sogar für die Bildung von Körperfett verantwortlich und hindert gleichzeitig die Produktion des Wachstumshormons HGH (Human Groth Hormon). HGH ist für die Regeneration sämtlicher Körperprozesse und Zellen zuständig. Man sagt ihm insofern eine besondere Anti-Aging-Wirkung nach, weil es auch Hautzellen und elastine Fasern regeneriert. Der Weiteren gilt HGH als wichtigster Schlüssel zu den Fettzellen. Es tritt in die Zellen ein, befreit die Fette und transportiert sie zu den Körperzellen, wo sie in Energie umgewandelt werden. Um eine möglichst lange Insolinpause und damit einen langen, HGH-aktiven Zeitraum zu erzeugen, verzichtet die Dinner Canelling-Methode auf das Essen am Abend.

Tagsüber schlemmen, abends abnehmen?

HGH ist also die ultimative Fett-weg-Waffe, kann aber nur ausgeschüttet werden, wenn kein Insulin im Blut und damit kein Abendbrot auf dem Teller ist. Das klingt, als könne man im Umkehrschluss tagsüber genüsslich in Kalorienbomben schwelgen, denn solange der Kühlschrank abends zu bleibt, kann sich die Bikinifigur sehen lassen. Soweit zur Theorie. In der Praxis ist Dinner Cancelling jedoch kein Freifahrtschein für Schlemmereien. Zwar unterstützt der Verzicht aufs Abendessen das Abnehmen, unterm Strich entscheidet aber die Kalorienbilanz des gesamten Tages über Figurfreude oder Frust. Denn eine Kalorie bleibt eine Kalorie, egal zu welcher Uhrzeit man sie zu sich nimmt. Insofern darf man sich vom Dinner Cancelling keine falschen Versprechen machen. Wer tagsüber ungebremst sündigt, wird vom Verzicht auf das Abendessen allein nicht den Traum von der Topfigur wahr werden lassen.

Dinner Cancelling = Social Life Cancelling

Der Verzicht auf Essen fällt schon schwer genug. Mit der Dinner-Cancelling-Methode sind die Gaumenfreuden aber meist nicht das Einzige, auf das man verzichtet. Das Abendessen ist in einer Welt mit Fulltimejobs und Ganztagsschulen oft die einzige Gelegenheit, an der die gesamte Familie oder der Freundskreis zusammen kommt. Wer nicht mitisst, verdirbt nicht nur sich, sondern oft auch den anderen die Laune. Insofern ist diese Abnehmmethode nicht wirklich komfortabel und erst recht nicht gesellig. Wer sich statt dem gemeinsamen abendessen aufs Zuprosten verlegt, wagt zudem eine sehr gefährliche und zweifelhafte Variante des Dinner Cancellings. (Mehr dazu in unserem Artikel: Drinks statt Dinner: Modemagazin feiert Dinner-Cancelling mit Alkohol)

Ein weiters Gegenargument liegt in der Betrachtung der Essgewohnheiten fremder Länder: Nationen wie Spanien, Griechenland oder Italien nehmen nämlich traditionsgemäss ihre recht üppigen Hauptmahlzeiten erst am späten Abend ein, sind aber vergleichsweise nicht dicker als die Schweizer. Insofern lässt sich das Erfolgsversprechen nicht untermauern. Auch Studien, die die Wirksamkeit der Methode belegen, sind Mangelware.

Bewusst essen, besser leben

Insofern scheint es sich beim Dinner Cancelling wie auch überall sonst im Leben zu verhalten: In der Mitte liegt die Wahrheit. Ein gelegentlicher Verzicht aufs Abendessen tut der Figur gut sowie der generellen Regeneration und Gesundheit des Körpers. Wer hingegen gänzlich aufs Abendmahl verzichtet, muss neben geschmacklichen wohl auch auf soziale Genüsse verzichten. Wer dennoch ein Auge darauf haben will, was er am Abend zu sich nimmt, isst einfach insgesamt weniger und idealerweise solche Speisen, die den Insulinspiegel nicht zu massiv aus dem Lot bringen. Vor allem Gemüse, Fisch, Hülsenfrüchte und mageres Fleisch sind gut und gesund. Fette oder zuckerhaltige Speisen sowie Alkohol sind hingegen weniger geeignet. Aber das weiss eigentlich jedes Kind – auch wenn es noch nie was von Dinner Cancelling gehört hat. Vergessen Sie also am besten den ganzen Diätstress. Eine ausgewogene, intuitiv vernünftige Ernährung und Bewegung ist wohl der eigentliche Schlüssel zu körperlichem und seelischen Wohlbefinden.

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