Kochen wie WilmaWas steckt hinter der Steinzeitdiät
INTERVIEW Tief in uns drin sind wir noch immer Jäger und Sammler. Das zumindest besagt die Theorie hinter der Steinzeitdiät. Der Grundsatz ist simpel: Was nicht roh gegessen werden kann, kommt nicht auf den Teller. Was es mit dem Ernährungs-Trend auf sich hat, erklärt Romy Dollé im Gespräch mit femelle.ch.
Zum Frühstück gibt es Rührei und eine Schale Obst, am Mittag wird ein Stück Fleisch mit Gemüse gegessen und der Abend wird mit Salat und Fisch abgerundet. Bei der Steinzeitdiät wird nämlich nur gegessen, was auch schon bei Herr und Frau Neandertaler auf dem Speiseplan zu finden war.
Romy Dollé ist vor drei Jahren auf die Paleo-Ernährung – wie die Diät auch genannt wird – umgestiegen. Die Frau des bekannten Schweizer Fitness-Trainers Dave Dollé hat ein Buch über den Ernährungsstil geschrieben und erzählt im Interview mit Femelle, wieso sie sich für eine Diät entschieden hat, die sich nach dem Speiseplan der Höhlenmenschen richtet.
«Steinzeitdiät» - das klingt nach Mammut und Beeren. Ernähren Sie sich wie Fred Feuerstein?
Nein, ganz so extrem ist es nicht. Ich wohne auch nicht in einer Höhle. (lacht) Aber ich ernähre mich möglichst natürlich.
Gibt es denn wissenschaftliche Beweise dafür, was in der Steinzeit gegessen wurde?
Jein, was in der Steinzeit wirklich gegessen wurde, war regional sehr unterschiedlich. Man kann nicht mit Sicherheit sagen, wie das Leben damals wirklich war. Das ist für mich aber auch nicht relevant. Der Fokus liegt bei der Paleo-Ernährung auf biologischen, unverarbeiteten Lebensmitteln. Und auch der Gedanke, dass man aus ökologischen Gründen Produkte aus der Region kaufen soll, steht im Vordergrund.
Der Mensch hat sich in den letzten 2,5 Millionen Jahren genetisch den Umweltbedingungen angepasst. Warum sollte eine Ernährungsweise, die womöglich gar nicht mehr unseren Bedürfnissen entspricht, die richtige sein?
Klar, an gewisse Dinge hat sich der Mensch angepasst. Aber wenn er sich an alles angepasst hätte, wären wir gesünder und es gäbe keine Zivilisationskrankheiten.
Über Romy Dollé
Romy Dollé lebt mit ihrem Mann Dave und ihrem Sohn Ray in Zürich. Zusammen mit ihrem Mann betreibt sie zwei Fitnessstudios. Seit drei Jahren lebt Sie nach der Paleo-Ernährung und hat darüber ein Buch geschrieben. Sie will mit ihrem Ratgeber-Buch «Pure Food, Pure Training» ihre Erfahrungen an andere weitergeben.
Wieso sollten wir denn auf Getreideprodukte verzichten? Sind die nicht natürlich?
Getreide ist nicht mehr das, was es früher war. Der Gluten-Anteil wird heute extra erhöht, damit das Brot grösser und luftiger wird. Und genau dieser unnatürlich erhöhte Gluten-Anteil schadet dem Darm nachhaltig.
Kohlenhydrate sind aber gerade für Menschen, die körperlich anstrengende Arbeiten verrichten, wichtig.
Athleten oder körperlich stark arbeitende Personen essen bei der Steinzeitdiät etwas mehr Wurzelgemüse, wie zum Beispiel Süsskartoffeln. Diese enthalten viele Mineralstoffe und Vitamine und sind entzündungshemmend. Die Paleo-Ernährung ist sehr ausgewogen, denn es werden 30 Prozent Proteine, 30 Prozent Kohlenhydrate und 40 Prozent Fett empfohlen.
Das klingt nach viel Fett.
Das denken viele und haben Angst, davon zuzunehmen. Ein Irrglaube, denn die gesättigten Fette machen nicht dick. Im Gegenteil, sie lösen keine Insulinreaktion aus und sättigen nachhaltig. Wir haben erst wieder Hunger, wenn alle Energie verbraucht ist. Bei Kohlenhydraten kriegen wir bereits wieder Hunger, bevor die Energie der letzten Mahlzeit vollständig aufgebraucht ist. Wenn wir dann wieder essen, wird die unverbrauchte Energie in den Fettzellen gelagert.
Und wieso schadet uns Milch?
Kuhmilch, die noch unverarbeitet ist, wäre für einige besser verträglich, da sie natürliche Mikroorganismen enthält, die die Verdauung unterstützen. Sobald die Milch aber verarbeitet, homogenisiert und pasteurisiert wird, ist sie ein Fremdkörper im menschlichen Verdauungsprozess und löst verschiedene gesundheitlichen Probleme aus. Viele merken erst beim Verzicht auf Milch, dass es ihnen dann besser geht.
Aber schon unsere Mütter haben uns in der Kindheit eingeschärft, wie wichtig Milch für die Knochen ist.
Ja, aber das Kalzium aus der Milch kann deutlich schlechter aufgenommen werden, als beispielsweise das Kalzium aus Gemüse. Und für starke Knochen reicht Kalzium aus der Milch nicht aus. Der Körper braucht zum Beispiel noch zusätzlich Vitamin D, was in Sonnenlicht enthalten ist.
Zusammengefasst sind also sind nicht die Lebensmittel, sondern deren Verarbeitung das eigentliche Problem?
Genau. Der Grundsatz der Paleo-Ernährung besagt, dass alles gegessen werden darf, was man auch roh essen könnte. Bohnen und Getreide fallen deshalb weg. Nüsse, Samen, Gemüse, Früchte, Fisch, Fleisch und Eier sind hingegen erlaubt.
Fleisch-Fans wird die Steinzeitdiät vermutlich begeistern. Aber ist zu viel Fleisch nicht ungesund?
Mit dieser Ernährungsform isst man nicht mehr Fleisch als vorher. Bio-Fleisch, Fisch, Geflügel und Eier von gesunden Tieren, die nicht mit Antibiotika vollgestopft sind, artgerecht gehalten und gefüttert werden, sind sehr nährstoffreich und gesund. Solche hochwertigen Produkte sind zwar etwas teurer, aber aufgrund der vielen gesunden Inhaltstoffe, ist der Nährstoffbedarf schon mit kleinen Portionen ausreichend gedeckt.
Seit wann ernähren Sie sich nach der Steinzeit-Diät?
Vor drei Jahren habe ich mir zum Ziel gesetzt, fitter zu werden und meine gesundheitlichen Probleme zu lösen. Ich wollte nicht primär abnehmen, sondern meinen Körper formen. Nach zahlreichen Ernährungsformen bin ich dann zufällig auf die Steinzeitdiät gestossen. Sie hat mir zugesagt, weil sie simpel ist und ich nicht hungern musste. Nach sechs Wochen habe ich dann die ersten Resultate bemerkt.
Stichwort Alltagstauglichkeit: Was machen Sie, wenn Sie ins Restaurant gehen oder bei Freunden eingeladen werden?
Mittlerweile ist das gar kein Thema mehr für mich. Wenn ich ins Restaurant gehe, nehme ich einfach das Fisch-, Fleisch-, oder Geflügelgericht und frage, ob ich mehr Gemüse dazu haben kann und keine Beilage. Meine Freunde wissen von meinem Ernährungsstil und auch, dass ich keine Extrawürste wünsche. Ich esse dann einfach mehr Salat und Gemüse.
Es fällt Ihnen also nicht schwer auf gewisse Nahrungsmittel zu verzichten?
Es ist alles eine Frage der Einstellung. Und für mich ist es eigentlich gar kein Verzicht, ich habe ja nur Getreide und Milch aus meinem Speiseplan gestrichen. Erst beim Weglassen von Milchprodukten habe ich gemerkt, dass es mir ohne eigentlich besser geht und ich keine Blähungen mehr habe.
Was hat sich noch verändert?
Früher war ich ein Morgenmuffel. Seit ich die Steinzeitdiät mache, fühle ich mich viel fitter und habe schon beim Aufwachen mehr Energie. Auch meine Laune wurde deutlich besser. Und die Mittagsmüdigkeit war auch viel schwächer, also konnte ich länger und konzentrierter arbeiten. Ausserdem bin ich inzwischen kaum krank und schlafe besser.
Hand aufs Herz! Die Weihnachtszeit steht vor der Tür, Glühwein und Guetzli locken – werden Sie nie schwach?
Natürlich, Perfektion ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt! Wir gehen aber sehr entspannt mit dem Essen um. Einzig Gluten vermeiden wir ganz. Zu Weihnachten mache ich mit meinem Sohn zum Beispiel ein glutenfreies Lebkuchenhaus. Dafür verwende ich einfach Kastanienmehl.
Hält sich denn auch Ihr Sohn an die Paleo-Ernährung?
Die ganze Familie ernährt sich nach der Steinzeitdiät. Ich habe mit meinem Sohn die Abmachung, dass er zweimal am Tag etwas Süsses essen darf. Er darf selbst entscheiden, ob das zum Beispiel eine Reihe Schokolade oder ein paar Gummibärli sind. Er weiss mit 8 Jahren schon ganz genau, wo überall Zucker drin ist.
Und wem würden Sie diesen Ernährungsstil empfehlen?
Alle, die abnehmen, sich aber nicht mit dem Jojo-Effekt herumschlagen möchten. Weil man bei der Steinzeitdiät nicht fettreduziert isst, hat man sogar weniger Hunger als mit der herkömmlichen Ernährung. Hat man sein Gewichtsziel erreicht, kann man den Kohlenhydratanteil mit gesunden stärkehaltigen Nahrungsmitteln wieder etwas erhöhen.
«Pure Food, Pure Training» von Romy Dollé
Gesund, schlank, stark, zufrieden: In ihrem Ratgeber-Buch «Pure Food, Pure Training» erzählt Romy Dollé von ihren Erfahrungen mit der Steinzeitdiät und gibt mit verschiedenen Rezept-Vorschlägen Tipps, wie man den Paleo-Lebensstil im Alltag umsetzen kann. www.pure-food-pure-training.com