FernbeziehungWie klappt Liebe auf Distanz?
Es beginnt so schön, aber in Sachen Fernbeziehung lohnt es sich, die rosarote Brille auch am Anfang kurz abzusetzen und ein paar Tipps zu beachten. Denn wenn sich zwei gleiche Herzen treffen, die in zwei verschiedenen Städten wohnen, kann das die Liebe entweder zusammenschweissen oder entzweien.
Eine Fernbeziehung ist schwierig, aber nicht selten. Denn rund jeder Sechste hat schon mal die Erfahrung gemacht, eine Beziehung auf Distanz zu leben. Die Gründe für eine Partnerschaft mit getrennten Wohnorten sind dabei äusserst vielfältig: Fernbeziehungen entstehen wegen der Karriere, Auslandsaufenthalten, oder weil man in der geliebten Stadt wohnen bleiben möchte.
Aber auch Urlaubslieben oder Paare, die sich beim Online-Dating ineinander verliebt haben, wollen ihrer Beziehung eine Chance geben. Fernbeziehungen sind in unserer mobilen Informationsgesellschaft längst Normalität geworden, aber spricht das auch für sie?
Fernbeziehungen: Die Hoffnung stirbt zuletzt
Ist das Glück einer Liebe wirklich von der Entfernung abhängig? Denn egal, ob Fernbeziehungen oder eine Liebschaft in der gleichen Stadt: Ohne die Bereitschaft zur Kommunikation und den ganz grossen Gefühlen ist wohl jede Beziehung zum Scheitern verurteilt.
Denn bei Fernbeziehungen sind die Herausforderungen per se grösser und vielfältiger, als in herkömmlichen Beziehungen. Noch dazu anderer Natur, als das, was zusammenlebenden Paaren bekannt ist. Insofern sind Distanz- oder Wochenendbeziehungen keineswegs von vornherein zum Scheitern verurteilt. Man muss lediglich wissen, worauf man sich einlässt und ein paar Tipps beachten.
Zeit- und Geld-Managemant: Liebe erfordert Kalkül
Die räumliche Trennung zwischen Liebenden bedeutet zunächst eine rein praktische Herausforderung: Teuere Zugfahrten, nerviges Warten im Stau, der liegen gebliebene Haushalt oder das verpasste Treffen mit Freunden, das dem ständigen Pendeln geschuldet ist, machen das Leben und Lieben nicht gerade leichter. Fernbeziehungen bedeuten daher auch finanzielle und zeitliche Doppelbelastungen. Das muss jedem klar sein, der will, dass seine Fernbeziehung funktioniert. Spontanität sollte sich deshalb für die tatsächlichen Aufeinandertreffen aufgehoben werden.
Damit keine Missverständnisse aufkommen, solltet ihr eure Wiedersehen und Gespräche planen und ein paar Tipps beachten. Wenn er dich zum Beispiel öfter besuchen fährt, biete an, dich an den Fahrtkosten zu beteiligen oder lade ihn über das Wochenende ein. Auch teure Handyrechnungen vom vielen Telefonieren sind besonders für Studenten oder Praktikanten kein Spass. Deshalb ein Tipp: Verabredet euch für lange Gespräche zum Beispiel lieber auf Skype oder legt euch einen gemeinsamen Vertrag zu.
Nähe trotz Distanz
Eine Liebesbeziehung lebt von Nähe, Emotionen und Intimität. Bei Fernbeziehungen können diese Basiselemente einer guten Beziehung auf eine harte Probe gestellt werden, doch ist es keineswegs zwingend, dass die emotionale Nähe zwischen den Partner von deren räumlichen Entfernung abhängt. Im Gegenteil: Auch Paare, die täglich nebeneinander einschlafen, können die Erfahrung machen, sich einsam zu fühlen. Diese Hürde kennt jede Liebe.
Dennoch fällt es vielen Paaren leichter, die Beziehung aufrecht zu erhalten, wenn keine tatsächlichen Entfernungen zwischen ihnen liegen und es zu regelmässigen Treffen und damit zu gemeinsam verbrachter Zeit kommt. Denn räumliche Nähe gibt die Chance, durch Zärtlichkeiten, Blicke und andere nonverbale Gesten eine engere Verbindung zu schaffen und auch den Partner besser verstehen zu können, als nur durch das gesprochene Wort am Telefon. Wer auf körperlichen Kontakt, nicht nur als Mittel der Verständigung, sondern auch zum gemeinsamen Austausch von Zärtlichkeiten oder als speziellen Kontakt, einen besondern Wert legt, wird in einer Distanzbeziehung schwerer sein Glück finden, als in einer herkömmlichen Partnerschaft.
Wer bei seltenen, aber dafür vielleicht intensiveren, Treffen und Streicheleinheiten umso mehr geniesst, kann in der Distanz aber auch eine grosse Chance sehen. Wer ständig aufeinander hockt, lässt die Lust oft vom Alltag zumüllen, während Paare, die eine Fernbeziehung führen oft berichten, dass die körperlichen Aktivitäten umso aufregender und das Verlangen grösser bleibt, je seltener man sich sieht. Jedes Treffen erlangt eine ganz besondere Bedeutung.
Fernbeziehungen sind auch Typsache
Welche Art von Beziehung ein Paar glücklich macht, ist nirgendwo vorgegeben. Auch eine Fernbeziehung kann erfüllend sein. Vorausgesetzt die Umstände entsprechen dem eigenen Charakter. «Wer seinen Alltag gut und gern unabhängig von seinem Partner organisiert, Vertrauen in die Liebe und Treue seines Partners hat, nicht zur Eifersucht neigt und auch das Alleinsein nicht scheut, kann sich in einer Fernbeziehung durchaus wohl fühlen», sagt auch die SZ-Journalistin Dorit Kowitz und fernbeziehungserprobte Autorin des Buchs «Kommst Du Freitag».
Wer sich hingegen nach einer absoluten Verschmelzung – sowohl im Alltäglichen, als auch im Emotionalen – sehnt, wird in einer Ferbeziehung wahrscheinlich nicht glücklich. Neben diesen persönlichen Charaktereigenschaften, die eine Fernbeziehung erst möglich machen, muss ein Paar auf Distanz vor allem eines mitbringen: Gegenseitiges, tiefes Vertrauen. So rät auch Dorit Kowitz rät: «Man darf den anderen nicht ständig in Frage stellen oder kontrollieren.»
Wiedersehen: Fremdheit statt Freude?
Das Leben ohne den Partner zu meistern, ist eine der grössten Herausforderungen, aber auch Chance einer Fernbeziehung. Fernbeziehungserprobte Paare lernen besser, sich alleine zu organisieren, haben auch voneinander getrennte Freundeskreise und Hobbys. Doch Schwierigkeiten können auch dann auftreten, wenn die Liebenden sich nach langer Wartezeit endlich wieder sehen. Denn oft sind die Erwartungen an das Wiedertreffen derart hoch, dass Enttäuschungen vorprogrammiert sind.
Sogar das Gefühl von Fremdheit ist in den ersten Momenten des Wiedersehens weder selten noch unnormal. Das tatsächliche Sehen ist eben noch mal etwas anderes, als das Anrufen. Deshalb sei gesagt: Durch den Mangel an gemeinsamen Alltag, muss sich der Umgang miteinander erst wieder normalisieren. Nun muss niemand seine Liebe gleich in Frage stellen, sondern sich und dem Partner einfach etwas Zeit zum beschnuppern geben. Diese Erfahrung will gemacht sein.
Auch gemeinsame Rituale und das Beachten anderer Tipps helfen, schnell in den Beziehungsalltag einer Fernbeziehung zu finden. Vielleicht trinkt ihr zunächst in Ruhe einen Tee und erzählt von der Fahrt, erledigt den Wochenendeinkauf oder gönnt euch eine Kuscheleinheit auf dem Sofa?
Das heilige Wochenende
Eine häufige Gefahr in Fernbeziehungen ist es zudem, dass Paare versuchen das Wochenende oder die seltene gemeinsame Zeit so schön wie möglich zu gestalten und dabei die normale Beziehungsarbeit vernachlässigen. Kowitz weiss: «Es bringt nichts, Probleme auszublenden, aus Sorge, sich die knappe Zeit zu verderben. Das gilt vor allem dann, wenn sich grössere Fragen stellen, wie beispielsweise nach beruflichen Veränderungen.» Auch oder gerade in einer Fernbeziehung sollte man nicht scheuen mal zu streiten. Im Gegenteil: Nicht räumliche, sondern emotionale Nähe ist es doch, die zusammenschweisst. Wenn gesagt wird, was auf dem Herzen liegt. Übrigens, in dieser Hinsicht geht es allen Paaren gleich. Deshalb ein Tipp: Nur wer Konflikte aus der Welt schafft, hält die Liebe aufrecht. Kommunikation ist, wie in jeder anderen Beziehung auch, das A und O.
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Endlich zusammenziehen...immer eine gute Idee?
Nach der langen Zeit der Liebe auf Distanz freuen sich Paare, wenn Sie endlich einen Weg gefunden haben, zusammen zu wohnen. Doch so gross die Vorfreude ist, ist auch manchmal das nüchterne Erwachen beträchtlich. Paartherapeut Josef Lang erklärt in der NZZ: «Der Moment der Rückkehr des Partners ist ein wichtiger Moment. Dafür bedarf es neue Offenheit und Gewöhnung. Der Partner hat sich vielleicht verändert und so könnte Argwohn entstehen. Die Liebe muss sich eben erst wieder neu finden.» Wichtig ist es, auch in solchen Momenten nicht an der Liebe zu zweifeln, sondern durch Geduld und Kommunikation der Beziehung eine Chance zu geben.
Schliesslich ist jetzt die Zeit herauszufinden, ob Sie auch im Alltag miteinander harmonieren. Neben der Gewöhnung an den Beziehungsalltag an einem Ort, bringt die neue Nähe oft noch eine weitere Herausforderung mit sich. Nicht selten ist dem zugezogenen Partner seine neue Heimat noch fremd. Er hat nur wenige soziale Kontakte oder solche, die aus dem Freundeskreis des anderen Partners stammen.
Oft ist dieser Umstand gerade für Menschen, die aufgrund der Fernbeziehung ihre Freizeit selbständig bestimmen konnten, sehr gewöhnungsbedürftig. Das Einzige, was auch jetzt wieder hilft ist Geduld, gegenseitiges Verständnis, das Teilen der eigenen Erfahrung und der Glaube an die Beziehung. Paare, die eine Fernbeziehung erfolgreich gemeistert haben, schaffen über kurz oder lang auch diese Hürde.
Neben den besten Tipps hilft vor allem dies: Krempelt die Ärmel hoch und scheut keine Bemühung, die der Beziehung gut tut. Das gilt übrigens nicht nur für Fernbeziehungspaare, sondern auch für alle anderen. Unsere Beziehungen und unsere Liebe funktionieren eben nur dann, wenn man sich um sie kümmert – ob auf Distanz oder in der Nähe!
Alle Tipps im Überblick
1 Ziele verbinden: Verabredet bei jeder Abreise einen neuen Zeitpunkt für ein Wiedersehen. Gemeinsame Ziele schaffen Vorfreude und bringen Motivation in die Beziehung.
2 Liebestalisman: Um die Sehnsucht so gering wie möglich zu halten, hilft es vielen, wenn Sie ein Andenken an ihren Partner bei sich tragen. Das kann ein Foto in der Brieftasche sein, ein geschenktes Schmuckstück oder ein Kleidungsstück des Partners (z.B. Schal). Dies stärkt auch das Wir-Gefühl.
3 Alltag schaffen: Beziehungen werden durch den Alltag geprägt. Versucht trotz der Distanz einen gemeinsamen Alltag entstehen zu lassen. Feste Telefonzeiten können hierbei hilfreich sein. Wichtig ist es allerdings, die gemeinsamen Rituale zwar verbindlich, aber dennoch flexibel zu handhaben. Keiner der Partner sollte sich zurückgesetzt fühlen, wenn dem anderen einmal etwas dazwischen kommt und er nicht mehr anrufen kann.
4 Das Leben versüssen: Auch wenn man sich selbst nicht an den Ort des Liebsten zaubern kann, kann man sich durch kleine Überraschungen in seinen Alltag integrieren. Schicke deinem Freund oder deiner Freundin hin und wieder eine Aufmerksamkeit. Das kann eine erstellte Playlist mit gemeinsamen Lieblingsliedern sein, ein gemeinsames Foto, oder Karten für den nächsten Kinobesuch. So nehmt ihr am Alltag des anderen teil und lasst ihn wissen, dass ihr aneinander denkt. Versucht es mal!
5 Sehen statt hören: Paare die sich nur selten sehen, sollten sich nicht allein mit der Stimme des Liebsten zufrieden geben. Telefonverbindungen, die über das Internet laufen, lassen längst zu, dass man nicht nur telefonieren sondern den Gesprächspartner auch sehen kann. Es macht einen enormen Unterschied, ob man den Partner nur hört, oder auch sehen kann.
Titelbild: Stockbyte