Frauen, die uns inspirieren Evelinn Trouble: «In der Musikszene herrscht ein grosses Ungleichgewicht»

Im vergangenen Herbst hat Evelinn Trouble mit «Longing Fever» ihr fünftes Album herausgebracht und wurde seither bereits mit zwei Awards ausgezeichnet. Wir haben uns mit der Schweizer Sängerin über ihre Musik, Sexismus in der Branche und Chancen für Indie-Künstler:innen in der Schweiz unterhalten.

Evelinn Trouble
Evelinn Trouble. Foto © Noëlle Guidon

Die Leidenschaft für Musik hat bei Evelinne Trouble bereits früh ihren Laufe genommen: Gerade mal 4-jährig lernte sie den ersten Jazzstandard von ihrer Mutter, lernte in den Folgejahren E-Gitarre und gründete mit 13 Jahren ihre erste Band. Als Evelinn Trouble ist Linnéa Racine nun seit über 14 Jahre unterwegs. Seither hat sie mehrere Alben veröffentlicht. Mit ihrem neusten Album «Longing Fever» geht die Schweizer Indie-Pop-Sängerin nun auf Tour. Der Sound ist frisch, genau wie der Entscheid, auf der Tour nur von Frauen begleitet zu werden.

Was du über Evelinn Trouble wissen solltest:

Linnéa Racine alias Evelinn Trouble ist eine Schweizer Indie-Pop-Sängerin. Aufgewachsen ist sie in Zürich, hat dann in London und Berlin gewohnt und ist jetzt in Basel und Zürich zuhause. Im Oktober 2021 hat sie ihr fünftes Album veröffentlicht. Seither wurde ihr Album von IndieSuisse als bestes Album 2021 und die Single «Just Wanna Vibe» mit dem GDS-Award als bester Song ausgezeichnet. Aber schon 2018 erhielt sie vom Bundesamt für Kultur den Schweizer Musikpreis.

Femelle: Du wirst auf deiner Tour nur von Frauen begleitet. Was war Grund für diese Entscheidung?

Evelinn Trouble: Es ist nicht zu ignorieren, dass in der Musikszene ein grosses Ungleichgewicht in der Geschlechterfrage herrscht. Da ich für das Album die Chance hatte, eine komplett neue Band zusammenzustellen, war es ein logischer Schritt, nur Frauen dafür auszuwählen, um diesem Ungleichgewicht etwas entgegenzusetzen. Es war gar nicht so einfach, die passenden Leute zu finden, denn ich habe in der Vergangenheit hauptsächlich mit männlichen Musikern gespielt und mir fehlten die Kontakte. Eine grosse Hilfe war das Music Directory von Helvetiarockt, ein nationales Verzeichnis für Musikerinnen. Um jedoch eine passende Bassistin und Drummerin zu finden, musste ich letzten Endes bis nach Mannheim. Das zeigt mir, wie wichtig es in der Schweiz nach wie vor ist, Instrumentalistinnen zu fördern. Es gibt noch zu wenige von uns und wir sind nicht genügend sichtbar und vernetzt!

Auf der Tour wirst du dein neues Album «Longing Fever» vorstellen. Du hast dieses nach einer langen Pause im letzten Oktober herausgebracht. Was unterscheidet das Album von deinen bisherigen?

Ich mache nun seit über 14 Jahren als Evelinn Trouble Musik. Mein letztes Album habe ich 2015 herausgebracht. Zwischen den beiden Alben liegen sieben Jahre und in dieser Zeit ist unglaublich viel passiert. Ich habe meine Band aufgelöst, meine Songs wieder selber komponiert und produziert. Zudem habe ich mir viele Gedanken darüber gemacht, wie Evelinn Trouble künftig klingen soll und was mich ausmacht.

Ich habe mich früher eher als «Vintage» definiert. Mein Sound war inspiriert von Gitarrenmusik aus den 70ern und 60ern. Irgendwann hat mich das gelangweilt. So war ich auf der Suche nach etwas Neuem und habe meinem Sound sozusagen ein «Update» verpasst. Angefangen habe ich ursprünglich mit Grunge- und Punkmusik. Jetzt würde ich meine Musik als Pop beschreiben – wobei das ein sehr weiter Begriff ist und vieles umfassen kann.

Sieben Jahre sind eine lange Zeit. Wieso hat es so lange gedauert?

Es war ein langer Prozess mit viel Forschung. Ich musste mir darüber klar werden, was ich überhaupt will. Bei dem Album bin ich eine andere Methode gefahren als sonst und habe mir die Producing-Skills wieder anlernen müssen. Aber auch die Motivation hat zwischendurch gefehlt. Letztendlich hat es aber diese Zeit gebraucht. In Zukunft wird es wahrscheinlich nicht mehr so lange dauern, weil ich für mich viele Fragen beantworten konnte und nicht wieder bei null beginnen muss.

Du hast das Album also selber produziert. Gibt es einen Grund dafür?

Als ich die Band noch hatte, merkte ich bereits, dass ich in eine andere Richtung ziehen möchte als sie. Ich mag es, wenn Dinge klar sind. Mir ist es wichtig, gehört und verstanden zu werden. In der Band lag der Fokus eher auf der Spielfreude und der Improvisation. Das hat die Songs zeitweise unfassbar gemacht und ich konnte sie nicht so auf den Punkt bringen, wie ich es mir wünschte. Deshalb habe ich die Songs diesmal schon selber sehr weit durchkomponiert, bevor ich dann ins Studio ging und mit Gastmusiker:innen und einem Toningenieur den nächsten Produktionsschritt machte.

Der Titel deines neuen Albums lautet «Longing Fever». Was steckt dahinter?

Anders als zum Beispiel bei «Arrowhead», dem Vorgänger von 2015, hatte ich bei «Longing Fever» kein Konzept, bevor ich loslegte. Ich habe einfach Songs geschrieben und produziert. Danach habe ich geschaut, welche zusammenpassen und zwölf Songs ausgewählt. Erst beim Anhören ist mir aufgefallen, dass es einen roten Faden gibt: die Sehnsucht. Deshalb heisst das Album jetzt, wie auch der letzte Track, «Longing Fever», in dem es – wie zum Grossteil auf dem Album – um alles geht, was man vermissen kann.

Soll auch die Sehnsucht nach der Schweiz im Album widerspiegelt werden?

Ein Grossteil der Songs ist entstanden, als ich noch in Berlin lebte. Die Sehnsucht nach der Schweiz wird nicht thematisiert. Die Schweiz an sich habe ich nicht vermisst, nur einzelne Menschen hier, die mich verstehen. Jetzt kann ich das so reduziert betrachten, weil ich auch wieder oft in Zürich unterwegs bin und seit Pandemiebeginn meinen Wohnsitz neben Basel auch wieder in Zürich habe. Ich bin aber wegen meiner Freundinnen und Freunde hier – nicht weil mir die Limmat so gefehlt hat oder ich das City-Life so nice finde.

Du sprichst die Pandemie an. Für viele Künstlerinnen und Künstler waren die letzten zwei Jahre schwierig. Wie war es für dich?

Den Beginn der Pandemie fand ich irgendwie inspirierend mit der ganzen Zeit, die man plötzlich hatte. Ich war in dieser Zeit sehr produktiv. Mittlerweile bin ich müde. Wir wollen doch alle einfach nur noch auf ein Livekonzert gehen oder, wie in meinem Fall eines geben. Aber ich hatte Glück, da ich meine letzte Tour schon vor dem ersten Lockdown abgespielt hatte und nichts Weiteres geplant war. So richtig trifft es mich erst jetzt: Ich musste Daten für meine Deutschland-Tour verschieben und teils streichen. Zudem zieht sich der Ticketverkauf ein wenig dahin. Ich glaube, die Leute fühlen sich noch immer unsicher in Menschenmengen und planen weniger weit voraus.

Dennoch gibt es auch in der aktuellen Lage schöne Momente. Du wurdest mit dem IndieSuisse- und dem GDS-Award ausgezeichnet. Was bedeuten dir diese Auszeichnungen?

Diese Auszeichnungen sind sehr wichtig für Künstler:innen, die keine Mainstream-Musik machen. Ich spüre einen grossen Wandel. Vor einigen Jahren fühlte ich mich in der Schweiz abgeschottet. Alles was hierzulande passierte, kam gar nicht erst ins Ausland. Diese Awards sind eine wichtige Plattform für Künstler:innen wie mich. Nichts gegen Schweizer Mundart-Musik, aber international gesehen interessieren sich die wenigsten für diese Schoggichäs-Musik. Da sind die Indie-Künstler:innen mehr gefragt. Diese Awards geben auch mir Aufwind und es ist unheimlich wichtig, dass es solche Initiativen gibt.

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